in welcher religion die kinder, wenn die ältern zweierlei re- ligionen zu- getan sind, erzogen werden sol- len?
Wie aber, wenn die ehegatten zweierlei reli- gionen zugetan sind? oder die kinder keine ältern mehr haben, und in was für einer religion man selbige erzihen lassen solle? Die frage kam auf der executions-zusammenkunft der reichs stände in Nürnberg 1650 vor, besage des von Meiern actor. execut. Iten teiles s. 754. Man war darin einig, daß die kinder beiderlei geschlechtes in des vaters religion erzogen werden sollten. Nur konnte man sich nicht über die unterschei- dungs-jare vereinigen. Die Römisch-katholi- schen sezten anfänglich das XVte, änderten sich aber hernach und behaubteten: die entscheidungs- jare wären alsdann vorhanden, so bald eine per- son zur beichte und zu dem heiligen abendmale ge- lassen würde. Die Evangelischen hingegen seze- ten das XVIIIte jar zum grunde; gestalt die kin- der alsdann sich erklären könnten: ob sie bei der religion verbleiben wollten? oder nicht. Die statsschriften unterm kaiser Franz dem Iten s. 475 fgg. des VIten bandes, Friderich Benedict Carpzovs disp. de eo quod iustum est circa nuptias personarum diuersae religionis, Wit- tenberg 1735.
§ 868
oder der va- ter gestor- ben ist?
Dafern aber der vater frühzeitig verstorben ist, und die mutter die kinder in ihrer religion auferzi- het, so sind die vormunden befuget, sotane kinder der mutter zu entziehen, und in des vaters religion unterrichten zu lassen. Die herrschende religion vermag deshalber eines zwanges sich nicht zu be- dinen. Beharren unter dessen sotane kinder bei einer andern gedulteten religion, so kan man sie weder zur beichte, noch zum heiligen abendmale zwingen, sondern man lässet ihnen raum und frist,
biß
CXV haubtſt. von der
§ 867
in welcher religion die kindeꝛ, wenn die aͤltern zweierlei re- ligionen zu- getan ſind, erzogen werden ſol- len?
Wie aber, wenn die ehegatten zweierlei reli- gionen zugetan ſind? oder die kinder keine aͤltern mehr haben, und in was fuͤr einer religion man ſelbige erzihen laſſen ſolle? Die frage kam auf der executions-zuſammenkunft der reichs ſtaͤnde in Nuͤrnberg 1650 vor, beſage des von Meiern actor. execut. Iten teiles ſ. 754. Man war darin einig, daß die kinder beiderlei geſchlechtes in des vaters religion erzogen werden ſollten. Nur konnte man ſich nicht uͤber die unterſchei- dungs-jare vereinigen. Die Roͤmiſch-katholi- ſchen ſezten anfaͤnglich das XVte, aͤnderten ſich aber hernach und behaubteten: die entſcheidungs- jare waͤren alsdann vorhanden, ſo bald eine per- ſon zur beichte und zu dem heiligen abendmale ge- laſſen wuͤrde. Die Evangeliſchen hingegen ſeze- ten das XVIIIte jar zum grunde; geſtalt die kin- der alsdann ſich erklaͤren koͤnnten: ob ſie bei der religion verbleiben wollten? oder nicht. Die ſtatsſchriften unterm kaiſer Franz dem Iten ſ. 475 fgg. des VIten bandes, Friderich Benedict Carpzovs diſp. de eo quod iuſtum eſt circa nuptias perſonarum diuerſae religionis, Wit- tenberg 1735.
§ 868
oder der va- ter geſtor- ben iſt?
Dafern aber der vater fruͤhzeitig verſtorben iſt, und die mutter die kinder in ihrer religion auferzi- het, ſo ſind die vormunden befuget, ſotane kinder der mutter zu entziehen, und in des vaters religion unterrichten zu laſſen. Die herrſchende religion vermag deshalber eines zwanges ſich nicht zu be- dinen. Beharren unter deſſen ſotane kinder bei einer andern gedulteten religion, ſo kan man ſie weder zur beichte, noch zum heiligen abendmale zwingen, ſondern man laͤſſet ihnen raum und friſt,
biß
<TEI><text><body><divn="2"><pbfacs="#f0386"n="374"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">CXV</hi> haubtſt. von der</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§ 867</head><lb/><noteplace="left">in welcher<lb/>
religion die<lb/>
kindeꝛ, wenn<lb/>
die aͤltern<lb/>
zweierlei re-<lb/>
ligionen zu-<lb/>
getan ſind,<lb/>
erzogen<lb/>
werden ſol-<lb/>
len?</note><p>Wie aber, wenn die ehegatten zweierlei reli-<lb/>
gionen zugetan ſind? oder die kinder keine aͤltern<lb/>
mehr haben, und in was fuͤr einer religion man<lb/>ſelbige erzihen laſſen ſolle? Die frage kam auf<lb/>
der executions-zuſammenkunft der reichs ſtaͤnde in<lb/>
Nuͤrnberg 1650 vor, beſage des <hirendition="#fr">von Meiern</hi><lb/><hirendition="#aq">actor. execut. I</hi>ten teiles ſ. 754. Man war<lb/>
darin einig, daß die kinder beiderlei geſchlechtes<lb/>
in des vaters religion erzogen werden ſollten.<lb/>
Nur konnte man ſich nicht uͤber die unterſchei-<lb/>
dungs-jare vereinigen. Die Roͤmiſch-katholi-<lb/>ſchen ſezten anfaͤnglich das <hirendition="#aq">XV</hi>te, aͤnderten ſich<lb/>
aber hernach und behaubteten: die entſcheidungs-<lb/>
jare waͤren alsdann vorhanden, ſo bald eine per-<lb/>ſon zur beichte und zu dem heiligen abendmale ge-<lb/>
laſſen wuͤrde. Die Evangeliſchen hingegen ſeze-<lb/>
ten das <hirendition="#aq">XVIII</hi>te jar zum grunde; geſtalt die kin-<lb/>
der alsdann ſich erklaͤren koͤnnten: ob ſie bei der<lb/>
religion verbleiben wollten? oder nicht. Die<lb/>ſtatsſchriften unterm kaiſer Franz dem <hirendition="#aq">I</hi>ten ſ. 475<lb/>
fgg. des <hirendition="#aq">VI</hi>ten bandes, <hirendition="#fr">Friderich Benedict<lb/>
Carpzovs</hi> diſp. <hirendition="#aq">de eo quod iuſtum eſt circa<lb/>
nuptias perſonarum diuerſae religionis,</hi> Wit-<lb/>
tenberg 1735.</p></div><lb/><divn="3"><head>§ 868</head><lb/><noteplace="left">oder der va-<lb/>
ter geſtor-<lb/>
ben iſt?</note><p>Dafern aber der vater fruͤhzeitig verſtorben iſt,<lb/>
und die mutter die kinder in ihrer religion auferzi-<lb/>
het, ſo ſind die vormunden befuget, ſotane kinder<lb/>
der mutter zu entziehen, und in des vaters religion<lb/>
unterrichten zu laſſen. Die herrſchende religion<lb/>
vermag deshalber eines zwanges ſich nicht zu be-<lb/>
dinen. Beharren unter deſſen ſotane kinder bei<lb/>
einer andern gedulteten religion, ſo kan man ſie<lb/>
weder zur beichte, noch zum heiligen abendmale<lb/>
zwingen, ſondern man laͤſſet ihnen raum und friſt,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">biß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[374/0386]
CXV haubtſt. von der
§ 867
Wie aber, wenn die ehegatten zweierlei reli-
gionen zugetan ſind? oder die kinder keine aͤltern
mehr haben, und in was fuͤr einer religion man
ſelbige erzihen laſſen ſolle? Die frage kam auf
der executions-zuſammenkunft der reichs ſtaͤnde in
Nuͤrnberg 1650 vor, beſage des von Meiern
actor. execut. Iten teiles ſ. 754. Man war
darin einig, daß die kinder beiderlei geſchlechtes
in des vaters religion erzogen werden ſollten.
Nur konnte man ſich nicht uͤber die unterſchei-
dungs-jare vereinigen. Die Roͤmiſch-katholi-
ſchen ſezten anfaͤnglich das XVte, aͤnderten ſich
aber hernach und behaubteten: die entſcheidungs-
jare waͤren alsdann vorhanden, ſo bald eine per-
ſon zur beichte und zu dem heiligen abendmale ge-
laſſen wuͤrde. Die Evangeliſchen hingegen ſeze-
ten das XVIIIte jar zum grunde; geſtalt die kin-
der alsdann ſich erklaͤren koͤnnten: ob ſie bei der
religion verbleiben wollten? oder nicht. Die
ſtatsſchriften unterm kaiſer Franz dem Iten ſ. 475
fgg. des VIten bandes, Friderich Benedict
Carpzovs diſp. de eo quod iuſtum eſt circa
nuptias perſonarum diuerſae religionis, Wit-
tenberg 1735.
§ 868
Dafern aber der vater fruͤhzeitig verſtorben iſt,
und die mutter die kinder in ihrer religion auferzi-
het, ſo ſind die vormunden befuget, ſotane kinder
der mutter zu entziehen, und in des vaters religion
unterrichten zu laſſen. Die herrſchende religion
vermag deshalber eines zwanges ſich nicht zu be-
dinen. Beharren unter deſſen ſotane kinder bei
einer andern gedulteten religion, ſo kan man ſie
weder zur beichte, noch zum heiligen abendmale
zwingen, ſondern man laͤſſet ihnen raum und friſt,
biß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Estor, Johann Georg: Bürgerliche rechtsgelehrsamkeit der Teutschen. Bd. 1. Marburg, 1757, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit01_1757/386>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.