Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Stieß sie auf und sprach: "Dort liegt sie!" Tief erregt sprang plötzlich Gerhard Auf von seinem Sitz und strich sich Mit der Hand schnell übers Antlitz, Die Bewegung zu verbergen: "Kennt Ihr auch Klein Guda, Junker, Saht Ihr sie gesund und fröhlich? Helf' mir Gott, ist sie wohl glücklich?" Und er trat zur Fensterluke, Schaute starren Blicks hinüber, Wo die goldne Morgensonne Auf den weißbeschneiten Thürmen Deurenburgs wie Feuer brannte, Und er hob die Arme sehnend, Stumm und innig ihr entgegen: "Grüß' Dich Gott, Du Sarg und Wiege Meines Traums und meines Glückes, Tod und Leben, Finden, Scheiden, Lust und Leid trägst Du verschlossen, Wie an einem Blüthenstrauche Ros' und Dorn zugleich ersprießen, Grüß Dich Gott, Du Burg am Rheine, Nimm mich auf, ob Sarg, ob Wiege!" Ein Wiedersehen. Das war ein goldner Morgen
So recht voll Pracht und Licht, Hei, wie der Strahl der Sonne Stieß ſie auf und ſprach: „Dort liegt ſie!“ Tief erregt ſprang plötzlich Gerhard Auf von ſeinem Sitz und ſtrich ſich Mit der Hand ſchnell übers Antlitz, Die Bewegung zu verbergen: „Kennt Ihr auch Klein Guda, Junker, Saht Ihr ſie geſund und fröhlich? Helf' mir Gott, iſt ſie wohl glücklich?“ Und er trat zur Fenſterluke, Schaute ſtarren Blicks hinüber, Wo die goldne Morgenſonne Auf den weißbeſchneiten Thürmen Deurenburgs wie Feuer brannte, Und er hob die Arme ſehnend, Stumm und innig ihr entgegen: „Grüß' Dich Gott, Du Sarg und Wiege Meines Traums und meines Glückes, Tod und Leben, Finden, Scheiden, Luſt und Leid trägſt Du verſchloſſen, Wie an einem Blüthenſtrauche Roſ' und Dorn zugleich erſprießen, Grüß Dich Gott, Du Burg am Rheine, Nimm mich auf, ob Sarg, ob Wiege!“ Ein Wiederſehen. Das war ein goldner Morgen
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Stieß ſie auf und ſprach: „Dort liegt ſie!“
Tief erregt ſprang plötzlich Gerhard
Auf von ſeinem Sitz und ſtrich ſich
Mit der Hand ſchnell übers Antlitz,
Die Bewegung zu verbergen:
„Kennt Ihr auch Klein Guda, Junker,
Saht Ihr ſie geſund und fröhlich?
Helf' mir Gott, iſt ſie wohl glücklich?“
Und er trat zur Fenſterluke,
Schaute ſtarren Blicks hinüber,
Wo die goldne Morgenſonne
Auf den weißbeſchneiten Thürmen
Deurenburgs wie Feuer brannte,
Und er hob die Arme ſehnend,
Stumm und innig ihr entgegen:
„Grüß' Dich Gott, Du Sarg und Wiege
Meines Traums und meines Glückes,
Tod und Leben, Finden, Scheiden,
Luſt und Leid trägſt Du verſchloſſen,
Wie an einem Blüthenſtrauche
Roſ' und Dorn zugleich erſprießen,
Grüß Dich Gott, Du Burg am Rheine,
Nimm mich auf, ob Sarg, ob Wiege!“
Ein Wiederſehen.
Das war ein goldner Morgen
So recht voll Pracht und Licht,
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