die Thüre hinter mir zu, der Postillon knallt und so ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.
Fünftes Kapitel.
Wir fuhren nun über Berg und Thal Tag und Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu besinnen, denn wo wir hinkamen, standen die Pferde angeschirrt, ich konnte mit den Leuten nicht sprechen, mein Demonstriren half also nichts; oft, wenn ich im Wirthshause eben beim besten Essen war, bließ der Po¬ stillon, ich mußte Messer und Gabel wegwerfen und wieder in den Wagen springen, und wußte doch eigent¬ lich gar nicht, wohin und weswegen ich just mit so ausnehmender Geschwindigkeit fortreisen sollte.
Sonst war die Lebensart gar nicht so übel. Ich legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine, bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬ schen und Länder kennen, und wenn wir durch Städte fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬ fenster heraus und dankte den Leuten, die höflich vor mir den Hut abnahmen oder ich grüßte die Mädchen an den Fenstern wie ein alter Bekannter, die sich dann immer sehr verwunderten, und mir noch lange neu¬ gierig nachguckten.
Aber zuletzt erschrak ich sehr. Ich hatte das Geld in dem gefundenen Beutel niemals gezählt, den Post¬ meistern und Gastwirthen mußte ich überall viel be¬
die Thuͤre hinter mir zu, der Poſtillon knallt und ſo ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.
Fuͤnftes Kapitel.
Wir fuhren nun uͤber Berg und Thal Tag und Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu beſinnen, denn wo wir hinkamen, ſtanden die Pferde angeſchirrt, ich konnte mit den Leuten nicht ſprechen, mein Demonſtriren half alſo nichts; oft, wenn ich im Wirthshauſe eben beim beſten Eſſen war, bließ der Po¬ ſtillon, ich mußte Meſſer und Gabel wegwerfen und wieder in den Wagen ſpringen, und wußte doch eigent¬ lich gar nicht, wohin und weswegen ich juſt mit ſo ausnehmender Geſchwindigkeit fortreiſen ſollte.
Sonſt war die Lebensart gar nicht ſo uͤbel. Ich legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine, bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬ ſchen und Laͤnder kennen, und wenn wir durch Staͤdte fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬ fenſter heraus und dankte den Leuten, die hoͤflich vor mir den Hut abnahmen oder ich gruͤßte die Maͤdchen an den Fenſtern wie ein alter Bekannter, die ſich dann immer ſehr verwunderten, und mir noch lange neu¬ gierig nachguckten.
Aber zuletzt erſchrak ich ſehr. Ich hatte das Geld in dem gefundenen Beutel niemals gezaͤhlt, den Poſt¬ meiſtern und Gaſtwirthen mußte ich uͤberall viel be¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0070"n="60"/>
die Thuͤre hinter mir zu, der Poſtillon knallt und ſo<lb/>
ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="2"><head><hirendition="#g">Fuͤnftes Kapitel.</hi><lb/></head><p>Wir fuhren nun uͤber Berg und Thal Tag und<lb/>
Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu<lb/>
beſinnen, denn wo wir hinkamen, ſtanden die Pferde<lb/>
angeſchirrt, ich konnte mit den Leuten nicht ſprechen,<lb/>
mein Demonſtriren half alſo nichts; oft, wenn ich im<lb/>
Wirthshauſe eben beim beſten Eſſen war, bließ der Po¬<lb/>ſtillon, ich mußte Meſſer und Gabel wegwerfen und<lb/>
wieder in den Wagen ſpringen, und wußte doch eigent¬<lb/>
lich gar nicht, wohin und weswegen ich juſt mit ſo<lb/>
ausnehmender Geſchwindigkeit fortreiſen ſollte.</p><lb/><p>Sonſt war die Lebensart gar nicht ſo uͤbel. Ich<lb/>
legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine,<lb/>
bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬<lb/>ſchen und Laͤnder kennen, und wenn wir durch Staͤdte<lb/>
fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬<lb/>
fenſter heraus und dankte den Leuten, die hoͤflich vor<lb/>
mir den Hut abnahmen oder ich gruͤßte die Maͤdchen<lb/>
an den Fenſtern wie ein alter Bekannter, die ſich dann<lb/>
immer ſehr verwunderten, und mir noch lange neu¬<lb/>
gierig nachguckten.</p><lb/><p>Aber zuletzt erſchrak ich ſehr. Ich hatte das Geld<lb/>
in dem gefundenen Beutel niemals gezaͤhlt, den Poſt¬<lb/>
meiſtern und Gaſtwirthen mußte ich uͤberall viel be¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0070]
die Thuͤre hinter mir zu, der Poſtillon knallt und ſo
ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.
Fuͤnftes Kapitel.
Wir fuhren nun uͤber Berg und Thal Tag und
Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu
beſinnen, denn wo wir hinkamen, ſtanden die Pferde
angeſchirrt, ich konnte mit den Leuten nicht ſprechen,
mein Demonſtriren half alſo nichts; oft, wenn ich im
Wirthshauſe eben beim beſten Eſſen war, bließ der Po¬
ſtillon, ich mußte Meſſer und Gabel wegwerfen und
wieder in den Wagen ſpringen, und wußte doch eigent¬
lich gar nicht, wohin und weswegen ich juſt mit ſo
ausnehmender Geſchwindigkeit fortreiſen ſollte.
Sonſt war die Lebensart gar nicht ſo uͤbel. Ich
legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine,
bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬
ſchen und Laͤnder kennen, und wenn wir durch Staͤdte
fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬
fenſter heraus und dankte den Leuten, die hoͤflich vor
mir den Hut abnahmen oder ich gruͤßte die Maͤdchen
an den Fenſtern wie ein alter Bekannter, die ſich dann
immer ſehr verwunderten, und mir noch lange neu¬
gierig nachguckten.
Aber zuletzt erſchrak ich ſehr. Ich hatte das Geld
in dem gefundenen Beutel niemals gezaͤhlt, den Poſt¬
meiſtern und Gaſtwirthen mußte ich uͤberall viel be¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/70>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.