Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Licht wurden Wald und Höhen,
Der Morgen schien blutroth,
Das Schifflein sah man gehen,
Die schöne Braut d'rin todt.

An die Dichter.
Wo treues Wollen, redlich Streben
Und rechten Sinn der Rechte spürt,
Das muß die Seele ihm erheben,
Das hat mich jedesmal gerührt.
Das Reich des Glaubens ist geendet,
Zerstört die alte Herrlichkeit,
Die Schönheit weinend abgewendet,
So gnadenlos ist unsre Zeit.
O Einfalt gut in frommen Herzen,
Du züchtig schöne Gottesbraut!
Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,
Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.
Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben,
Wo man Dir Deine Wunder läßt,
Das treue Thun, das schöne Lieben,
Des Lebens fromm vergnüglich Fest?
Wo findest Du den alten Garten,
Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
Der Sterne heil'ge Redensarten,
Das Morgenroth, den frischen Wind?
Licht wurden Wald und Hoͤhen,
Der Morgen ſchien blutroth,
Das Schifflein ſah man gehen,
Die ſchoͤne Braut d'rin todt.

An die Dichter.
Wo treues Wollen, redlich Streben
Und rechten Sinn der Rechte ſpuͤrt,
Das muß die Seele ihm erheben,
Das hat mich jedesmal geruͤhrt.
Das Reich des Glaubens iſt geendet,
Zerſtoͤrt die alte Herrlichkeit,
Die Schoͤnheit weinend abgewendet,
So gnadenlos iſt unſre Zeit.
O Einfalt gut in frommen Herzen,
Du zuͤchtig ſchoͤne Gottesbraut!
Dich ſchlugen ſie mit frechen Scherzen,
Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.
Wo find'ſt Du nun ein Haus, vertrieben,
Wo man Dir Deine Wunder laͤßt,
Das treue Thun, das ſchoͤne Lieben,
Des Lebens fromm vergnuͤglich Feſt?
Wo findeſt Du den alten Garten,
Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
Der Sterne heil'ge Redensarten,
Das Morgenroth, den friſchen Wind?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0286" n="276"/>
              <lg n="20">
                <l>Licht wurden Wald und Ho&#x0364;hen,</l><lb/>
                <l>Der Morgen &#x017F;chien blutroth,</l><lb/>
                <l>Das Schifflein &#x017F;ah man gehen,</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;cho&#x0364;ne Braut d'rin todt.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">An die Dichter.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>o treues Wollen, redlich Streben</l><lb/>
                <l>Und rechten Sinn der Rechte &#x017F;pu&#x0364;rt,</l><lb/>
                <l>Das muß die Seele ihm erheben,</l><lb/>
                <l>Das hat mich jedesmal geru&#x0364;hrt.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Das Reich des Glaubens i&#x017F;t geendet,</l><lb/>
                <l>Zer&#x017F;to&#x0364;rt die alte Herrlichkeit,</l><lb/>
                <l>Die Scho&#x0364;nheit weinend abgewendet,</l><lb/>
                <l>So gnadenlos i&#x017F;t un&#x017F;re Zeit.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>O Einfalt gut in frommen Herzen,</l><lb/>
                <l>Du zu&#x0364;chtig &#x017F;cho&#x0364;ne Gottesbraut!</l><lb/>
                <l>Dich &#x017F;chlugen &#x017F;ie mit frechen Scherzen,</l><lb/>
                <l>Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Wo find'&#x017F;t Du nun ein Haus, vertrieben,</l><lb/>
                <l>Wo man Dir Deine Wunder la&#x0364;ßt,</l><lb/>
                <l>Das treue Thun, das &#x017F;cho&#x0364;ne Lieben,</l><lb/>
                <l>Des Lebens fromm vergnu&#x0364;glich Fe&#x017F;t?</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="5">
                <l>Wo finde&#x017F;t Du den alten Garten,</l><lb/>
                <l>Dein Spielzeug, wunderbares Kind,</l><lb/>
                <l>Der Sterne heil'ge Redensarten,</l><lb/>
                <l>Das Morgenroth, den fri&#x017F;chen Wind?</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0286] Licht wurden Wald und Hoͤhen, Der Morgen ſchien blutroth, Das Schifflein ſah man gehen, Die ſchoͤne Braut d'rin todt. An die Dichter. Wo treues Wollen, redlich Streben Und rechten Sinn der Rechte ſpuͤrt, Das muß die Seele ihm erheben, Das hat mich jedesmal geruͤhrt. Das Reich des Glaubens iſt geendet, Zerſtoͤrt die alte Herrlichkeit, Die Schoͤnheit weinend abgewendet, So gnadenlos iſt unſre Zeit. O Einfalt gut in frommen Herzen, Du zuͤchtig ſchoͤne Gottesbraut! Dich ſchlugen ſie mit frechen Scherzen, Weil Dir vor ihrer Klugheit graut. Wo find'ſt Du nun ein Haus, vertrieben, Wo man Dir Deine Wunder laͤßt, Das treue Thun, das ſchoͤne Lieben, Des Lebens fromm vergnuͤglich Feſt? Wo findeſt Du den alten Garten, Dein Spielzeug, wunderbares Kind, Der Sterne heil'ge Redensarten, Das Morgenroth, den friſchen Wind?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/286
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/286>, abgerufen am 21.12.2024.