Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst Du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Ward's unaussprechlich klar. Bald werd' ich Dich verlassen, Fremd in der Fremde geh'n, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird Deines Ernst's Gewalt Mich Einsamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Treue. Frisch auf, mein Herz! wie heiß auch das Gedränge,
Bewahr' ich doch mir kühl und frei die Brust! Schickt Wald und Flur doch noch die alten Klänge, Erschütternd mich mit wunderbarer Lust. Da mag vergehn, verwehen Das truͤbe Erdenleid‚ Da ſollſt Du auferſtehen In junger Herrlichkeit! Da ſteht im Wald geſchrieben Ein ſtilles, ernſtes Wort Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menſchen Hort. Ich habe treu geleſen Die Worte ſchlicht und wahr, Und durch mein ganzes Weſen Ward's unausſprechlich klar. Bald werd' ich Dich verlaſſen, Fremd in der Fremde geh'n, Auf buntbewegten Gaſſen Des Lebens Schauſpiel ſehn; Und mitten in dem Leben Wird Deines Ernſt's Gewalt Mich Einſamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Treue. Friſch auf, mein Herz! wie heiß auch das Gedraͤnge,
Bewahr' ich doch mir kuͤhl und frei die Bruſt! Schickt Wald und Flur doch noch die alten Klaͤnge, Erſchuͤtternd mich mit wunderbarer Luſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0250" n="240"/> <lg n="3"> <l>Da mag vergehn, verwehen</l><lb/> <l>Das truͤbe Erdenleid‚</l><lb/> <l>Da ſollſt Du auferſtehen</l><lb/> <l>In junger Herrlichkeit!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Da ſteht im Wald geſchrieben</l><lb/> <l>Ein ſtilles, ernſtes Wort</l><lb/> <l>Von rechtem Thun und Lieben,</l><lb/> <l>Und was des Menſchen Hort.</l><lb/> <l>Ich habe treu geleſen</l><lb/> <l>Die Worte ſchlicht und wahr,</l><lb/> <l>Und durch mein ganzes Weſen</l><lb/> <l>Ward's unausſprechlich klar.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Bald werd' ich Dich verlaſſen,</l><lb/> <l>Fremd in der Fremde geh'n,</l><lb/> <l>Auf buntbewegten Gaſſen</l><lb/> <l>Des Lebens Schauſpiel ſehn;</l><lb/> <l>Und mitten in dem Leben</l><lb/> <l>Wird Deines Ernſt's Gewalt</l><lb/> <l>Mich Einſamen erheben,</l><lb/> <l>So wird mein Herz nicht alt.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b #g">Treue.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">F</hi>riſch auf, mein Herz! wie heiß auch das Gedraͤnge,</l><lb/> <l>Bewahr' ich doch mir kuͤhl und frei die Bruſt!</l><lb/> <l>Schickt Wald und Flur doch noch die alten Klaͤnge,</l><lb/> <l>Erſchuͤtternd mich mit wunderbarer Luſt.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0250]
Da mag vergehn, verwehen
Das truͤbe Erdenleid‚
Da ſollſt Du auferſtehen
In junger Herrlichkeit!
Da ſteht im Wald geſchrieben
Ein ſtilles, ernſtes Wort
Von rechtem Thun und Lieben,
Und was des Menſchen Hort.
Ich habe treu geleſen
Die Worte ſchlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Weſen
Ward's unausſprechlich klar.
Bald werd' ich Dich verlaſſen,
Fremd in der Fremde geh'n,
Auf buntbewegten Gaſſen
Des Lebens Schauſpiel ſehn;
Und mitten in dem Leben
Wird Deines Ernſt's Gewalt
Mich Einſamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.
Treue.
Friſch auf, mein Herz! wie heiß auch das Gedraͤnge,
Bewahr' ich doch mir kuͤhl und frei die Bruſt!
Schickt Wald und Flur doch noch die alten Klaͤnge,
Erſchuͤtternd mich mit wunderbarer Luſt.
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