Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Abendlandschaft. "Ach, daß auch wir schliefen! Die blühenden Tiefen, Die Ströme, die Auen, So heimlich aufschauen, Als ob sie all' riefen: "Dein Liebchen ist todt!" Unter Rosen roth, Ach, daß wir auch schliefen!" "Hast doch keine Schwingen, Durch Wolken zu dringen! Mußt immerfort schauen Die Ströme, die Auen -- Die werden Dir singen Von ihr Tag und Nacht, Mit Wahnsinnes-Macht Die Seele umschlingen." So singt, wie Syrenen,
Von hellblauen, schönen Vergangenen Zeiten Der Abend von weiten, Versinkt dann in Tönen, Erst Busen dann Mund, Im blühenden Grund -- O schweige, Syrene! Abendlandſchaft. „Ach, daß auch wir ſchliefen! Die bluͤhenden Tiefen, Die Stroͤme, die Auen, So heimlich aufſchauen, Als ob ſie all' riefen: „Dein Liebchen iſt todt!“ Unter Roſen roth, Ach, daß wir auch ſchliefen!“ „Haſt doch keine Schwingen, Durch Wolken zu dringen! Mußt immerfort ſchauen Die Stroͤme, die Auen — Die werden Dir ſingen Von ihr Tag und Nacht, Mit Wahnſinnes-Macht Die Seele umſchlingen.“ So ſingt, wie Syrenen,
Von hellblauen, ſchoͤnen Vergangenen Zeiten Der Abend von weiten, Verſinkt dann in Toͤnen, Erſt Buſen dann Mund, Im bluͤhenden Grund — O ſchweige, Syrene! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="3"> <pb facs="#f0240" n="230"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b #g">Abendlandſchaft.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„<hi rendition="#in">A</hi>ch, daß auch wir ſchliefen!</l><lb/> <l>Die bluͤhenden Tiefen,</l><lb/> <l>Die Stroͤme, die Auen,</l><lb/> <l>So heimlich aufſchauen,</l><lb/> <l>Als ob ſie all' riefen:</l><lb/> <l>„Dein Liebchen iſt todt!“</l><lb/> <l>Unter Roſen roth,</l><lb/> <l>Ach, daß wir auch ſchliefen!“</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>„Haſt doch keine Schwingen,</l><lb/> <l>Durch Wolken zu dringen!</l><lb/> <l>Mußt immerfort ſchauen</l><lb/> <l>Die Stroͤme, die Auen —</l><lb/> <l>Die werden Dir ſingen</l><lb/> <l>Von ihr Tag und Nacht,</l><lb/> <l>Mit Wahnſinnes-Macht</l><lb/> <l>Die Seele umſchlingen.“</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>So ſingt, wie Syrenen,</l><lb/> <l>Von hellblauen, ſchoͤnen</l><lb/> <l>Vergangenen Zeiten</l><lb/> <l>Der Abend von weiten,</l><lb/> <l>Verſinkt dann in Toͤnen,</l><lb/> <l>Erſt Buſen dann Mund,</l><lb/> <l>Im bluͤhenden Grund —</l><lb/> <l>O ſchweige, Syrene!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0240]
Abendlandſchaft.
„Ach, daß auch wir ſchliefen!
Die bluͤhenden Tiefen,
Die Stroͤme, die Auen,
So heimlich aufſchauen,
Als ob ſie all' riefen:
„Dein Liebchen iſt todt!“
Unter Roſen roth,
Ach, daß wir auch ſchliefen!“
„Haſt doch keine Schwingen,
Durch Wolken zu dringen!
Mußt immerfort ſchauen
Die Stroͤme, die Auen —
Die werden Dir ſingen
Von ihr Tag und Nacht,
Mit Wahnſinnes-Macht
Die Seele umſchlingen.“
So ſingt, wie Syrenen,
Von hellblauen, ſchoͤnen
Vergangenen Zeiten
Der Abend von weiten,
Verſinkt dann in Toͤnen,
Erſt Buſen dann Mund,
Im bluͤhenden Grund —
O ſchweige, Syrene!
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Zitationshilfe: | Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/240>, abgerufen am 22.02.2025. |