Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der irre Spielmann. Aus stiller Kindheit unschuldiger Hut Trieb mich der tolle, frevelnde Muth. Seit ich da draußen so frei nun bin Find' ich nicht wieder nach Hause hin. Durch's Leben jag' ich manch trüg'risch Bild, Wer ist der Jäger da? wer ist das Wild? Es pfeift der Wind mir schneidend durchs Haar, Ach Welt, wie bist Du so kalt und klar! Du frommes Kindlein im stillen Haus, Schau' nicht so lüstern zum Fenster hinaus! Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin? Weiß ich doch selber nicht wo ich bin! Von Sünde und Reue zerrissen die Brust, Wie rasend in verzweifelter Lust, Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß, Wird doch kein fröhlicher Kranz nicht daraus! -- Ich möcht' in den tiefsten Wald wohl hinein, Recht aus der Brust den Jammer zu schrei'n, Ich möchte reiten an's Ende der Welt, Wo der Mond und die Sonne hinunter fällt. Wo schwindelnd beginnt die Ewigkeit, Wie ein Meer, so erschrecklich still und weit, Da sinken all' Ström' und Segel hinein, Da wird es wohl endlich auch ruhig sein. Der irre Spielmann. Aus ſtiller Kindheit unſchuldiger Hut Trieb mich der tolle, frevelnde Muth. Seit ich da draußen ſo frei nun bin Find' ich nicht wieder nach Hauſe hin. Durch's Leben jag' ich manch truͤg'riſch Bild, Wer iſt der Jaͤger da? wer iſt das Wild? Es pfeift der Wind mir ſchneidend durchs Haar, Ach Welt, wie biſt Du ſo kalt und klar! Du frommes Kindlein im ſtillen Haus, Schau' nicht ſo luͤſtern zum Fenſter hinaus! Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin? Weiß ich doch ſelber nicht wo ich bin! Von Suͤnde und Reue zerriſſen die Bruſt, Wie raſend in verzweifelter Luſt, Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß, Wird doch kein froͤhlicher Kranz nicht daraus! — Ich moͤcht' in den tiefſten Wald wohl hinein, Recht aus der Bruſt den Jammer zu ſchrei'n, Ich moͤchte reiten an's Ende der Welt, Wo der Mond und die Sonne hinunter faͤllt. Wo ſchwindelnd beginnt die Ewigkeit, Wie ein Meer, ſo erſchrecklich ſtill und weit, Da ſinken all' Stroͤm' und Segel hinein, Da wird es wohl endlich auch ruhig ſein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0074" n="56"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Der irre Spielmann</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">A</hi>us ſtiller Kindheit unſchuldiger Hut</l><lb/> <l>Trieb mich der tolle, frevelnde Muth.</l><lb/> <l>Seit ich da draußen ſo frei nun bin</l><lb/> <l>Find' ich nicht wieder nach Hauſe hin.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Durch's Leben jag' ich manch truͤg'riſch Bild,</l><lb/> <l>Wer iſt der Jaͤger da? wer iſt das Wild?</l><lb/> <l>Es pfeift der Wind mir ſchneidend durchs Haar,</l><lb/> <l>Ach Welt, wie biſt Du ſo kalt und klar!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Du frommes Kindlein im ſtillen Haus,</l><lb/> <l>Schau' nicht ſo luͤſtern zum Fenſter hinaus!</l><lb/> <l>Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin?</l><lb/> <l>Weiß ich doch ſelber nicht wo ich bin!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Von Suͤnde und Reue zerriſſen die Bruſt,</l><lb/> <l>Wie raſend in verzweifelter Luſt,</l><lb/> <l>Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß,</l><lb/> <l>Wird doch kein froͤhlicher Kranz nicht daraus! —</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Ich moͤcht' in den tiefſten Wald wohl hinein,</l><lb/> <l>Recht aus der Bruſt den Jammer zu ſchrei'n,</l><lb/> <l>Ich moͤchte reiten an's Ende der Welt,</l><lb/> <l>Wo der Mond und die Sonne hinunter faͤllt.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Wo ſchwindelnd beginnt die Ewigkeit,</l><lb/> <l>Wie ein Meer, ſo erſchrecklich ſtill und weit,</l><lb/> <l>Da ſinken all' Stroͤm' und Segel hinein,</l><lb/> <l>Da wird es wohl endlich auch ruhig ſein.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0074]
Der irre Spielmann.
Aus ſtiller Kindheit unſchuldiger Hut
Trieb mich der tolle, frevelnde Muth.
Seit ich da draußen ſo frei nun bin
Find' ich nicht wieder nach Hauſe hin.
Durch's Leben jag' ich manch truͤg'riſch Bild,
Wer iſt der Jaͤger da? wer iſt das Wild?
Es pfeift der Wind mir ſchneidend durchs Haar,
Ach Welt, wie biſt Du ſo kalt und klar!
Du frommes Kindlein im ſtillen Haus,
Schau' nicht ſo luͤſtern zum Fenſter hinaus!
Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin?
Weiß ich doch ſelber nicht wo ich bin!
Von Suͤnde und Reue zerriſſen die Bruſt,
Wie raſend in verzweifelter Luſt,
Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß,
Wird doch kein froͤhlicher Kranz nicht daraus! —
Ich moͤcht' in den tiefſten Wald wohl hinein,
Recht aus der Bruſt den Jammer zu ſchrei'n,
Ich moͤchte reiten an's Ende der Welt,
Wo der Mond und die Sonne hinunter faͤllt.
Wo ſchwindelnd beginnt die Ewigkeit,
Wie ein Meer, ſo erſchrecklich ſtill und weit,
Da ſinken all' Stroͤm' und Segel hinein,
Da wird es wohl endlich auch ruhig ſein.
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