Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Täuschung. Ich ruhte aus vom Wandern, Der Mond ging eben auf, Da sah ich fern im Lande Der alten Tiber Lauf, Im Walde lagen Trümmer, Paläste auf stillen Höh'n Und Gärten im Mondesschimmer -- O Welschland, wie bist du schön! Und als die Nacht vergangen, Die Erde blitzte so weit, Einen Hirten sah ich hangen Am Fels in der Einsamkeit. Den fragt' ich ganz geblendet: Komm' ich nach Rom noch heut? Er dehnt' sich halbgewendet: Ihr seyd nicht recht gescheut! Eine Winzerin lacht' herüber, Man sah sie vor Weinlaub kaum, Mir aber ging's Herze über -- Es war ja alles nur Traum. Täuſchung. Ich ruhte aus vom Wandern, Der Mond ging eben auf, Da ſah ich fern im Lande Der alten Tiber Lauf, Im Walde lagen Truͤmmer, Palaͤſte auf ſtillen Hoͤh'n Und Gaͤrten im Mondesſchimmer — O Welſchland, wie biſt du ſchoͤn! Und als die Nacht vergangen, Die Erde blitzte ſo weit, Einen Hirten ſah ich hangen Am Fels in der Einſamkeit. Den fragt' ich ganz geblendet: Komm' ich nach Rom noch heut? Er dehnt' ſich halbgewendet: Ihr ſeyd nicht recht geſcheut! Eine Winzerin lacht' heruͤber, Man ſah ſie vor Weinlaub kaum, Mir aber ging's Herze uͤber — Es war ja alles nur Traum. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0061" n="43"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Täuſchung</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ch ruhte aus vom Wandern,</l><lb/> <l>Der Mond ging eben auf,</l><lb/> <l>Da ſah ich fern im Lande</l><lb/> <l>Der alten Tiber Lauf,</l><lb/> <l>Im Walde lagen Truͤmmer,</l><lb/> <l>Palaͤſte auf ſtillen Hoͤh'n</l><lb/> <l>Und Gaͤrten im Mondesſchimmer —</l><lb/> <l>O Welſchland, wie biſt du ſchoͤn!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Und als die Nacht vergangen,</l><lb/> <l>Die Erde blitzte ſo weit,</l><lb/> <l>Einen Hirten ſah ich hangen</l><lb/> <l>Am Fels in der Einſamkeit.</l><lb/> <l>Den fragt' ich ganz geblendet:</l><lb/> <l>Komm' ich nach Rom noch heut?</l><lb/> <l>Er dehnt' ſich halbgewendet:</l><lb/> <l>Ihr ſeyd nicht recht geſcheut!</l><lb/> <l>Eine Winzerin lacht' heruͤber,</l><lb/> <l>Man ſah ſie vor Weinlaub kaum,</l><lb/> <l>Mir aber ging's Herze uͤber —</l><lb/> <l>Es war ja alles nur Traum.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0061]
Täuſchung.
Ich ruhte aus vom Wandern,
Der Mond ging eben auf,
Da ſah ich fern im Lande
Der alten Tiber Lauf,
Im Walde lagen Truͤmmer,
Palaͤſte auf ſtillen Hoͤh'n
Und Gaͤrten im Mondesſchimmer —
O Welſchland, wie biſt du ſchoͤn!
Und als die Nacht vergangen,
Die Erde blitzte ſo weit,
Einen Hirten ſah ich hangen
Am Fels in der Einſamkeit.
Den fragt' ich ganz geblendet:
Komm' ich nach Rom noch heut?
Er dehnt' ſich halbgewendet:
Ihr ſeyd nicht recht geſcheut!
Eine Winzerin lacht' heruͤber,
Man ſah ſie vor Weinlaub kaum,
Mir aber ging's Herze uͤber —
Es war ja alles nur Traum.
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