Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der stille Grund. Der Mondenschein verwirret Die Thäler weit und breit, Die Bächlein wie verirret Geh'n durch die Einsamkeit. Da drüben sah ich stehen Den Wald auf steiler Höh, Die finstern Tannen sehen In einen tiefen See. Ein Kahn wohl sah ich ragen, Doch niemand, der es lenkt, Das Ruder war zerschlagen, Das Schifflein halb versenkt. Eine Nixe auf dem Steine Flocht dort ihr gold'nes Haar, Sie meint', sie wär' alleine, Und sang so wunderbar. Sie sang und sang, in den Bäumen Und Quellen rauscht' es sacht Und flüsterte wie in Träumen Die mondbeglänzte Nacht. Ich aber stand erschrocken,
Denn über Wald und Kluft Klangen die Morgenglocken. Schon ferne durch die Luft. Der ſtille Grund. Der Mondenſchein verwirret Die Thaͤler weit und breit, Die Baͤchlein wie verirret Geh'n durch die Einſamkeit. Da druͤben ſah ich ſtehen Den Wald auf ſteiler Hoͤh, Die finſtern Tannen ſehen In einen tiefen See. Ein Kahn wohl ſah ich ragen, Doch niemand, der es lenkt, Das Ruder war zerſchlagen, Das Schifflein halb verſenkt. Eine Nixe auf dem Steine Flocht dort ihr gold'nes Haar, Sie meint', ſie waͤr' alleine, Und ſang ſo wunderbar. Sie ſang und ſang, in den Baͤumen Und Quellen rauſcht' es ſacht Und fluͤſterte wie in Traͤumen Die mondbeglaͤnzte Nacht. Ich aber ſtand erſchrocken,
Denn uͤber Wald und Kluft Klangen die Morgenglocken. Schon ferne durch die Luft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0438" n="420"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Der ſtille Grund</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er Mondenſchein verwirret</l><lb/> <l>Die Thaͤler weit und breit,</l><lb/> <l>Die Baͤchlein wie verirret</l><lb/> <l>Geh'n durch die Einſamkeit.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Da druͤben ſah ich ſtehen</l><lb/> <l>Den Wald auf ſteiler Hoͤh,</l><lb/> <l>Die finſtern Tannen ſehen</l><lb/> <l>In einen tiefen See.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ein Kahn wohl ſah ich ragen,</l><lb/> <l>Doch niemand, der es lenkt,</l><lb/> <l>Das Ruder war zerſchlagen,</l><lb/> <l>Das Schifflein halb verſenkt.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Eine Nixe auf dem Steine</l><lb/> <l>Flocht dort ihr gold'nes Haar,</l><lb/> <l>Sie meint', ſie waͤr' alleine,</l><lb/> <l>Und ſang ſo wunderbar.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Sie ſang und ſang, in den Baͤumen</l><lb/> <l>Und Quellen rauſcht' es ſacht</l><lb/> <l>Und fluͤſterte wie in Traͤumen</l><lb/> <l>Die mondbeglaͤnzte Nacht.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ich aber ſtand erſchrocken,</l><lb/> <l>Denn uͤber Wald und Kluft</l><lb/> <l>Klangen die Morgenglocken.</l><lb/> <l>Schon ferne durch die Luft.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [420/0438]
Der ſtille Grund.
Der Mondenſchein verwirret
Die Thaͤler weit und breit,
Die Baͤchlein wie verirret
Geh'n durch die Einſamkeit.
Da druͤben ſah ich ſtehen
Den Wald auf ſteiler Hoͤh,
Die finſtern Tannen ſehen
In einen tiefen See.
Ein Kahn wohl ſah ich ragen,
Doch niemand, der es lenkt,
Das Ruder war zerſchlagen,
Das Schifflein halb verſenkt.
Eine Nixe auf dem Steine
Flocht dort ihr gold'nes Haar,
Sie meint', ſie waͤr' alleine,
Und ſang ſo wunderbar.
Sie ſang und ſang, in den Baͤumen
Und Quellen rauſcht' es ſacht
Und fluͤſterte wie in Traͤumen
Die mondbeglaͤnzte Nacht.
Ich aber ſtand erſchrocken,
Denn uͤber Wald und Kluft
Klangen die Morgenglocken.
Schon ferne durch die Luft.
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