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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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Mahnung.
1810.
I.
In Wind verfliegen sah ich, was wir klagen,
Erbärmlich Volk um falscher Götzen Thronen,
Wen'ger Gedanken, deutschen Landes Kronen,
Wie Felsen, aus dem Jammer einsam ragen.
Da mocht' ich länger nicht nach Euch mehr fragen,
Der Wald empfing, wie rauschend! den Entfloh'nen,
In Burgen alt, an Stromeskühle wohnen,
Wollt' ich auf Bergen bei den alten Sagen.
Da hört' ich Strom und Wald dort so mich tadeln:
"Was willst, Lebend'ger du, hier über'm Leben,
Einsam verwildernd in den eignen Tönen?
Es soll im Kampf der rechte Schmerz sich adeln,
Den deutschen Ruhm aus der Verwüstung heben,
Das will der alte Gott von seinen Söhnen!"
II.
Wohl mancher, dem die wirblichten Geschichten
Der Zeit das ehrlich deutsche Herz zerschlagen,
Mag, wie Prinz Hamlet, zu sich selber sagen:
Weh! daß zur Welt ich kam, sie einzurichten!
Weich, aufgelegt zu Lust und fröhlichem Dichten,
Möcht' er so gern sich mit der Welt vertragen,
Doch, Rache fordernd, aus den leichten Tagen
Sieht er der Väter Geist sich stets aufrichten.
Mahnung.
1810.
I.
In Wind verfliegen ſah ich, was wir klagen,
Erbaͤrmlich Volk um falſcher Goͤtzen Thronen,
Wen'ger Gedanken, deutſchen Landes Kronen,
Wie Felſen, aus dem Jammer einſam ragen.
Da mocht' ich laͤnger nicht nach Euch mehr fragen,
Der Wald empfing, wie rauſchend! den Entfloh'nen,
In Burgen alt, an Stromeskuͤhle wohnen,
Wollt' ich auf Bergen bei den alten Sagen.
Da hoͤrt' ich Strom und Wald dort ſo mich tadeln:
„Was willſt, Lebend'ger du, hier uͤber'm Leben,
Einſam verwildernd in den eignen Toͤnen?
Es ſoll im Kampf der rechte Schmerz ſich adeln,
Den deutſchen Ruhm aus der Verwuͤſtung heben,
Das will der alte Gott von ſeinen Soͤhnen!“
II.
Wohl mancher, dem die wirblichten Geſchichten
Der Zeit das ehrlich deutſche Herz zerſchlagen,
Mag, wie Prinz Hamlet, zu ſich ſelber ſagen:
Weh! daß zur Welt ich kam, ſie einzurichten!
Weich, aufgelegt zu Luſt und froͤhlichem Dichten,
Moͤcht' er ſo gern ſich mit der Welt vertragen,
Doch, Rache fordernd, aus den leichten Tagen
Sieht er der Vaͤter Geiſt ſich ſtets aufrichten.
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[155/0173] Mahnung. 1810. I. In Wind verfliegen ſah ich, was wir klagen, Erbaͤrmlich Volk um falſcher Goͤtzen Thronen, Wen'ger Gedanken, deutſchen Landes Kronen, Wie Felſen, aus dem Jammer einſam ragen. Da mocht' ich laͤnger nicht nach Euch mehr fragen, Der Wald empfing, wie rauſchend! den Entfloh'nen, In Burgen alt, an Stromeskuͤhle wohnen, Wollt' ich auf Bergen bei den alten Sagen. Da hoͤrt' ich Strom und Wald dort ſo mich tadeln: „Was willſt, Lebend'ger du, hier uͤber'm Leben, Einſam verwildernd in den eignen Toͤnen? Es ſoll im Kampf der rechte Schmerz ſich adeln, Den deutſchen Ruhm aus der Verwuͤſtung heben, Das will der alte Gott von ſeinen Soͤhnen!“ II. Wohl mancher, dem die wirblichten Geſchichten Der Zeit das ehrlich deutſche Herz zerſchlagen, Mag, wie Prinz Hamlet, zu ſich ſelber ſagen: Weh! daß zur Welt ich kam, ſie einzurichten! Weich, aufgelegt zu Luſt und froͤhlichem Dichten, Moͤcht' er ſo gern ſich mit der Welt vertragen, Doch, Rache fordernd, aus den leichten Tagen Sieht er der Vaͤter Geiſt ſich ſtets aufrichten.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/173>, abgerufen am 21.11.2024.