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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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An die Dichter.
Wo treues Wollen, redlich Streben
Und rechten Sinn der Rechte spürt,
Das muß die Seele ihm erheben,
Das hat mich jedesmal gerührt.
Das Reich des Glaubens ist geendet,
Zerstört die alte Herrlichkeit,
Die Schönheit weinend abgewendet,
So gnadenlos ist unsre Zeit.
O Einfalt gut in frommen Herzen,
Du züchtig schöne Gottesbraut!
Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,
Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.
Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben,
Wo man Dir Deine Wunder läßt,
Das treue Thun, das schöne Lieben,
Des Lebens fromm vergnüglich Fest?
Wo findest Du den alten Garten,
Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
Der Sterne heil'ge Redensarten,
Das Morgenroth, den frischen Wind?
Wie hat die Sonne schön geschienen!
Nun ist so alt und schwach die Zeit;
Wie steh'st so jung Du unter ihnen,
Wie wird mein Herz mir stark und weit!
An die Dichter.
Wo treues Wollen, redlich Streben
Und rechten Sinn der Rechte ſpuͤrt,
Das muß die Seele ihm erheben,
Das hat mich jedesmal geruͤhrt.
Das Reich des Glaubens iſt geendet,
Zerſtoͤrt die alte Herrlichkeit,
Die Schoͤnheit weinend abgewendet,
So gnadenlos iſt unſre Zeit.
O Einfalt gut in frommen Herzen,
Du zuͤchtig ſchoͤne Gottesbraut!
Dich ſchlugen ſie mit frechen Scherzen,
Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.
Wo find'ſt Du nun ein Haus, vertrieben,
Wo man Dir Deine Wunder laͤßt,
Das treue Thun, das ſchoͤne Lieben,
Des Lebens fromm vergnuͤglich Feſt?
Wo findeſt Du den alten Garten,
Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
Der Sterne heil'ge Redensarten,
Das Morgenroth, den friſchen Wind?
Wie hat die Sonne ſchoͤn geſchienen!
Nun iſt ſo alt und ſchwach die Zeit;
Wie ſteh'ſt ſo jung Du unter ihnen,
Wie wird mein Herz mir ſtark und weit!
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[123/0141] An die Dichter. Wo treues Wollen, redlich Streben Und rechten Sinn der Rechte ſpuͤrt, Das muß die Seele ihm erheben, Das hat mich jedesmal geruͤhrt. Das Reich des Glaubens iſt geendet, Zerſtoͤrt die alte Herrlichkeit, Die Schoͤnheit weinend abgewendet, So gnadenlos iſt unſre Zeit. O Einfalt gut in frommen Herzen, Du zuͤchtig ſchoͤne Gottesbraut! Dich ſchlugen ſie mit frechen Scherzen, Weil Dir vor ihrer Klugheit graut. Wo find'ſt Du nun ein Haus, vertrieben, Wo man Dir Deine Wunder laͤßt, Das treue Thun, das ſchoͤne Lieben, Des Lebens fromm vergnuͤglich Feſt? Wo findeſt Du den alten Garten, Dein Spielzeug, wunderbares Kind, Der Sterne heil'ge Redensarten, Das Morgenroth, den friſchen Wind? Wie hat die Sonne ſchoͤn geſchienen! Nun iſt ſo alt und ſchwach die Zeit; Wie ſteh'ſt ſo jung Du unter ihnen, Wie wird mein Herz mir ſtark und weit!

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/141>, abgerufen am 21.11.2024.