Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Zweifel. Könnt' es jemals denn verblühen, Dieses Glänzen, dieses Licht, Das durch Arbeit, Sorgen, Mühen Wie der Tag durch Wolken bricht, Blumen, die so farbig glühen, Um das öde Leben flicht? Golden sind des Himmels Säume, Abwärts ziehen Furcht und Nacht, Rüstig rauschen Ström' und Bäume Und die heitre Runde lacht, Ach, das sind nicht leere Träume, Was im Busen da erwacht! Bunt verschlingen sich die Gänge, Tost die Menge her und hin, Schallen zwischendrein Gesänge, Die durch's Ganze golden ziehn, Still begegnet im Gedränge Dir des Lebens ernster Sinn. Und das Herz denkt sich verloren, Besser Andrer Thun und Wust, Fühlt sich wieder dann erkohren, Ewig einsam doch die Brust. O des Wechsels, o des Thoren, O der Schmerzen, o der Lust! Zweifel. Koͤnnt' es jemals denn verbluͤhen, Dieſes Glaͤnzen, dieſes Licht, Das durch Arbeit, Sorgen, Muͤhen Wie der Tag durch Wolken bricht, Blumen, die ſo farbig gluͤhen, Um das oͤde Leben flicht? Golden ſind des Himmels Saͤume, Abwaͤrts ziehen Furcht und Nacht, Ruͤſtig rauſchen Stroͤm' und Baͤume Und die heitre Runde lacht, Ach, das ſind nicht leere Traͤume, Was im Buſen da erwacht! Bunt verſchlingen ſich die Gaͤnge, Toſt die Menge her und hin, Schallen zwiſchendrein Geſaͤnge, Die durch's Ganze golden ziehn, Still begegnet im Gedraͤnge Dir des Lebens ernſter Sinn. Und das Herz denkt ſich verloren, Beſſer Andrer Thun und Wuſt, Fuͤhlt ſich wieder dann erkohren, Ewig einſam doch die Bruſt. O des Wechſels, o des Thoren, O der Schmerzen, o der Luſt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0129" n="111"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Zweifel.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">K</hi>oͤnnt' es jemals denn verbluͤhen,</l><lb/> <l>Dieſes Glaͤnzen, dieſes Licht,</l><lb/> <l>Das durch Arbeit, Sorgen, Muͤhen</l><lb/> <l>Wie der Tag durch Wolken bricht,</l><lb/> <l>Blumen, die ſo farbig gluͤhen,</l><lb/> <l>Um das oͤde Leben flicht?</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Golden ſind des Himmels Saͤume,</l><lb/> <l>Abwaͤrts ziehen Furcht und Nacht,</l><lb/> <l>Ruͤſtig rauſchen Stroͤm' und Baͤume</l><lb/> <l>Und die heitre Runde lacht,</l><lb/> <l>Ach, das ſind nicht leere Traͤume,</l><lb/> <l>Was im Buſen da erwacht!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Bunt verſchlingen ſich die Gaͤnge,</l><lb/> <l>Toſt die Menge her und hin,</l><lb/> <l>Schallen zwiſchendrein Geſaͤnge,</l><lb/> <l>Die durch's Ganze golden ziehn,</l><lb/> <l>Still begegnet im Gedraͤnge</l><lb/> <l>Dir des Lebens ernſter Sinn.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und das Herz denkt ſich verloren,</l><lb/> <l>Beſſer Andrer Thun und Wuſt,</l><lb/> <l>Fuͤhlt ſich wieder dann erkohren,</l><lb/> <l>Ewig einſam doch die Bruſt.</l><lb/> <l>O des Wechſels, o des Thoren,</l><lb/> <l>O der Schmerzen, o der Luſt!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0129]
Zweifel.
Koͤnnt' es jemals denn verbluͤhen,
Dieſes Glaͤnzen, dieſes Licht,
Das durch Arbeit, Sorgen, Muͤhen
Wie der Tag durch Wolken bricht,
Blumen, die ſo farbig gluͤhen,
Um das oͤde Leben flicht?
Golden ſind des Himmels Saͤume,
Abwaͤrts ziehen Furcht und Nacht,
Ruͤſtig rauſchen Stroͤm' und Baͤume
Und die heitre Runde lacht,
Ach, das ſind nicht leere Traͤume,
Was im Buſen da erwacht!
Bunt verſchlingen ſich die Gaͤnge,
Toſt die Menge her und hin,
Schallen zwiſchendrein Geſaͤnge,
Die durch's Ganze golden ziehn,
Still begegnet im Gedraͤnge
Dir des Lebens ernſter Sinn.
Und das Herz denkt ſich verloren,
Beſſer Andrer Thun und Wuſt,
Fuͤhlt ſich wieder dann erkohren,
Ewig einſam doch die Bruſt.
O des Wechſels, o des Thoren,
O der Schmerzen, o der Luſt!
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