Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Kapitel.

In den letzten Strahlen der Abendsonne wurde auf
der grünen Höhe ein junger Reiter sichtbar, der zwi¬
schen dem Jauchzen der Hirten und heimkehrenden
Spaziergänger fröhlich nach dem freundlichen Städtchen
hinabritt, das wie in einen, Blüten-Meere im
Grunde lag.

Er sann lange nach, was ihn hier mit so altbe¬
kannten Augen ansah, und sang immerfort ein längst¬
verklungenes Lied leise in sich hinein, ohne zu wissen,
woher der Nachhall kam. Da fiel es ihm plötzlich
auf's Herz: wie in Heidelberg lagen die Häuser
da unten zwischen den Gärten und Felsen und Abend¬
lichtern, wie in Heidelberg rauschte der Strom aus
dem Grunde, und der Wald von allen Höhen! So
war er als Student manchen lauen Abend sommer¬
müde von den Bergen heimgekehrt, und hatte über
die Feuersäule, die das Abendroth über den Neckar

1 *

Erstes Kapitel.

In den letzten Strahlen der Abendſonne wurde auf
der gruͤnen Hoͤhe ein junger Reiter ſichtbar, der zwi¬
ſchen dem Jauchzen der Hirten und heimkehrenden
Spaziergaͤnger froͤhlich nach dem freundlichen Staͤdtchen
hinabritt, das wie in einen, Bluͤten-Meere im
Grunde lag.

Er ſann lange nach, was ihn hier mit ſo altbe¬
kannten Augen anſah, und ſang immerfort ein laͤngſt¬
verklungenes Lied leiſe in ſich hinein, ohne zu wiſſen,
woher der Nachhall kam. Da fiel es ihm ploͤtzlich
auf's Herz: wie in Heidelberg lagen die Haͤuſer
da unten zwiſchen den Gaͤrten und Felſen und Abend¬
lichtern, wie in Heidelberg rauſchte der Strom aus
dem Grunde, und der Wald von allen Hoͤhen! So
war er als Student manchen lauen Abend ſommer¬
muͤde von den Bergen heimgekehrt, und hatte uͤber
die Feuerſaͤule, die das Abendroth uͤber den Neckar

1 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0010" n="[3]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Erstes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>n den letzten Strahlen der Abend&#x017F;onne wurde auf<lb/>
der gru&#x0364;nen Ho&#x0364;he ein junger Reiter &#x017F;ichtbar, der zwi¬<lb/>
&#x017F;chen dem Jauchzen der Hirten und heimkehrenden<lb/>
Spazierga&#x0364;nger fro&#x0364;hlich nach dem freundlichen Sta&#x0364;dtchen<lb/>
hinabritt, das wie in einen, Blu&#x0364;ten-Meere im<lb/>
Grunde lag.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;ann lange nach, was ihn hier mit &#x017F;o altbe¬<lb/>
kannten Augen an&#x017F;ah, und &#x017F;ang immerfort ein la&#x0364;ng&#x017F;<lb/>
verklungenes Lied lei&#x017F;e in &#x017F;ich hinein, ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
woher der Nachhall kam. Da fiel es ihm plo&#x0364;tzlich<lb/>
auf's Herz: wie in <hi rendition="#g">Heidelberg</hi> lagen die Ha&#x0364;u&#x017F;er<lb/>
da unten zwi&#x017F;chen den Ga&#x0364;rten und Fel&#x017F;en und Abend¬<lb/>
lichtern, wie in Heidelberg rau&#x017F;chte der Strom aus<lb/>
dem Grunde, und der Wald von allen Ho&#x0364;hen! So<lb/>
war er als Student manchen lauen Abend &#x017F;ommer¬<lb/>
mu&#x0364;de von den Bergen heimgekehrt, und hatte u&#x0364;ber<lb/>
die Feuer&#x017F;a&#x0364;ule, die das Abendroth u&#x0364;ber den Neckar<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0010] Erstes Kapitel. In den letzten Strahlen der Abendſonne wurde auf der gruͤnen Hoͤhe ein junger Reiter ſichtbar, der zwi¬ ſchen dem Jauchzen der Hirten und heimkehrenden Spaziergaͤnger froͤhlich nach dem freundlichen Staͤdtchen hinabritt, das wie in einen, Bluͤten-Meere im Grunde lag. Er ſann lange nach, was ihn hier mit ſo altbe¬ kannten Augen anſah, und ſang immerfort ein laͤngſt¬ verklungenes Lied leiſe in ſich hinein, ohne zu wiſſen, woher der Nachhall kam. Da fiel es ihm ploͤtzlich auf's Herz: wie in Heidelberg lagen die Haͤuſer da unten zwiſchen den Gaͤrten und Felſen und Abend¬ lichtern, wie in Heidelberg rauſchte der Strom aus dem Grunde, und der Wald von allen Hoͤhen! So war er als Student manchen lauen Abend ſommer¬ muͤde von den Bergen heimgekehrt, und hatte uͤber die Feuerſaͤule, die das Abendroth uͤber den Neckar 1 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/10
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/10>, abgerufen am 03.12.2024.