Der Krieg wüthete noch lange fort. Friedrich hatte im Laufe desselben den Ruhm seines alten Nahmens durch alte Tugend wieder angefrischt. Der Fürst, dem er angehörte, war unter den Feinden. Friedrichs Güter wurden daher eingezo¬ gen. Das Kriegsglück wandte sich, die Seinigen wurden immer geringer und schwächer, alles gieng schlecht: Er blieb allein desto hartnäckiger gut und wich nicht. Endlich wurde der Friede geschlossen. Da nahm er, zurückgedrängt auf die höchsten Zin¬ nen des Gebirges, Abschied von seinen Hochländern und ritt Güterlos und geächtet hinab. Ueber das platte Land verbreitete sich der Friede weit und breit in schallender Freude; er allein zog einsam hindurch, und seine Gedanken kann niemand be¬ schreiben, als er die letzten Gipfel des Gebirges hinter sich versinken sah. Er gedachte wenig seiner eigenen Gefahr, da rings in dem Lande die feindli¬ chen Truppen noch zerstreut lagen, von denen er wohl wußte, daß sie seiner habhaft zu werden trachteten. Er achtete sein Leben nicht, es schien ihm nun zu nichts mehr nütz. --
So langte er an einem unfreundlichen, stürmi¬ schen Abende in einem abgelegenen Dorfe an. Die Gärten waren alle verwüstet, die Häuser niederge¬
Neunzehntes Kapitel.
Der Krieg wüthete noch lange fort. Friedrich hatte im Laufe deſſelben den Ruhm ſeines alten Nahmens durch alte Tugend wieder angefriſcht. Der Fürſt, dem er angehörte, war unter den Feinden. Friedrichs Güter wurden daher eingezo¬ gen. Das Kriegsglück wandte ſich, die Seinigen wurden immer geringer und ſchwächer, alles gieng ſchlecht: Er blieb allein deſto hartnäckiger gut und wich nicht. Endlich wurde der Friede geſchloſſen. Da nahm er, zurückgedrängt auf die höchſten Zin¬ nen des Gebirges, Abſchied von ſeinen Hochländern und ritt Güterlos und geächtet hinab. Ueber das platte Land verbreitete ſich der Friede weit und breit in ſchallender Freude; er allein zog einſam hindurch, und ſeine Gedanken kann niemand be¬ ſchreiben, als er die letzten Gipfel des Gebirges hinter ſich verſinken ſah. Er gedachte wenig ſeiner eigenen Gefahr, da rings in dem Lande die feindli¬ chen Truppen noch zerſtreut lagen, von denen er wohl wußte, daß ſie ſeiner habhaft zu werden trachteten. Er achtete ſein Leben nicht, es ſchien ihm nun zu nichts mehr nütz. —
So langte er an einem unfreundlichen, ſtürmi¬ ſchen Abende in einem abgelegenen Dorfe an. Die Gärten waren alle verwüſtet, die Häuſer niederge¬
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Neunzehntes Kapitel.
Der Krieg wüthete noch lange fort. Friedrich
hatte im Laufe deſſelben den Ruhm ſeines alten
Nahmens durch alte Tugend wieder angefriſcht.
Der Fürſt, dem er angehörte, war unter den
Feinden. Friedrichs Güter wurden daher eingezo¬
gen. Das Kriegsglück wandte ſich, die Seinigen
wurden immer geringer und ſchwächer, alles gieng
ſchlecht: Er blieb allein deſto hartnäckiger gut und
wich nicht. Endlich wurde der Friede geſchloſſen.
Da nahm er, zurückgedrängt auf die höchſten Zin¬
nen des Gebirges, Abſchied von ſeinen Hochländern
und ritt Güterlos und geächtet hinab. Ueber das
platte Land verbreitete ſich der Friede weit und
breit in ſchallender Freude; er allein zog einſam
hindurch, und ſeine Gedanken kann niemand be¬
ſchreiben, als er die letzten Gipfel des Gebirges
hinter ſich verſinken ſah. Er gedachte wenig ſeiner
eigenen Gefahr, da rings in dem Lande die feindli¬
chen Truppen noch zerſtreut lagen, von denen er
wohl wußte, daß ſie ſeiner habhaft zu werden
trachteten. Er achtete ſein Leben nicht, es ſchien
ihm nun zu nichts mehr nütz. —
So langte er an einem unfreundlichen, ſtürmi¬
ſchen Abende in einem abgelegenen Dorfe an. Die
Gärten waren alle verwüſtet, die Häuſer niederge¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/350>, abgerufen am 21.11.2024.
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