de Desorganisation grade unter den Besseren, daß niemand mehr wußte, wo er ist, die landesübliche Abgötterey unmoralischer Exaltation, die eine allge¬ meine Auflösung nach sich führen mußte.
Um diese Zeit erhielt Friedrich nach so vielen Monathen unerwartet einen Brief von dem Guthe des Herrn v. A. An den langen Drudenfüßen so¬ wohl, als an dem fast komisch falsch gesetzten Titel erkannte er sogleich den halbvergessenen Viktor. Er erbrach schnell und voll Freude das Siegel. Der Brief war folgenden Inhalts:
"Es wird uns alle sehr freuen, wenn wir hören, daß Sie und der Herr Graf Leontin sich wohl befinden, wir sind hier alle, Gott sey Dank, gesund. Als Sie beyde weggereist sind, war's hier so still, als wenn ein Kriegs¬ lager aufgebrochen wäre und die Felder nun einsam und verlassen stünden, im ganzen Schlos¬ se sieht's aus, wie in einer alten Rumpelkam¬ mer. Ich mußte Anfangs an den langen Aben¬ den auf dem Schlosse aus dem Abraham a St. Klara vorlesen. Aber es gieng gar nicht recht. Der Herr v. A. sagte: Ja, wenn der Leontin dabey wäre! Die gnädige Frau sagte: es wä¬ re doch alles gar zu dummes Gewäsch durch¬ einander, und Fräulein Julie dachte Gott weiß an was, und paßte gar nicht auf. Es ist gar nichts mehr auf der Welt anzufangen. Ich kann das verdammte traurige Wesen nicht lei¬ den! Ich bin daher schon über einen Monath
de Desorganiſation grade unter den Beſſeren, daß niemand mehr wußte, wo er iſt, die landesübliche Abgötterey unmoraliſcher Exaltation, die eine allge¬ meine Auflöſung nach ſich führen mußte.
Um dieſe Zeit erhielt Friedrich nach ſo vielen Monathen unerwartet einen Brief von dem Guthe des Herrn v. A. An den langen Drudenfüßen ſo¬ wohl, als an dem faſt komiſch falſch geſetzten Titel erkannte er ſogleich den halbvergeſſenen Viktor. Er erbrach ſchnell und voll Freude das Siegel. Der Brief war folgenden Inhalts:
„Es wird uns alle ſehr freuen, wenn wir hören, daß Sie und der Herr Graf Leontin ſich wohl befinden, wir ſind hier alle, Gott ſey Dank, geſund. Als Sie beyde weggereist ſind, war's hier ſo ſtill, als wenn ein Kriegs¬ lager aufgebrochen wäre und die Felder nun einſam und verlaſſen ſtünden, im ganzen Schloſ¬ ſe ſieht's aus, wie in einer alten Rumpelkam¬ mer. Ich mußte Anfangs an den langen Aben¬ den auf dem Schloſſe aus dem Abraham a St. Klara vorleſen. Aber es gieng gar nicht recht. Der Herr v. A. ſagte: Ja, wenn der Leontin dabey wäre! Die gnädige Frau ſagte: es wä¬ re doch alles gar zu dummes Gewäſch durch¬ einander, und Fräulein Julie dachte Gott weiß an was, und paßte gar nicht auf. Es iſt gar nichts mehr auf der Welt anzufangen. Ich kann das verdammte traurige Weſen nicht lei¬ den! Ich bin daher ſchon über einen Monath
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de Desorganiſation grade unter den Beſſeren, daß
niemand mehr wußte, wo er iſt, die landesübliche
Abgötterey unmoraliſcher Exaltation, die eine allge¬
meine Auflöſung nach ſich führen mußte.
Um dieſe Zeit erhielt Friedrich nach ſo vielen
Monathen unerwartet einen Brief von dem Guthe
des Herrn v. A. An den langen Drudenfüßen ſo¬
wohl, als an dem faſt komiſch falſch geſetzten Titel
erkannte er ſogleich den halbvergeſſenen Viktor. Er
erbrach ſchnell und voll Freude das Siegel. Der
Brief war folgenden Inhalts:
„Es wird uns alle ſehr freuen, wenn wir
hören, daß Sie und der Herr Graf Leontin
ſich wohl befinden, wir ſind hier alle, Gott
ſey Dank, geſund. Als Sie beyde weggereist
ſind, war's hier ſo ſtill, als wenn ein Kriegs¬
lager aufgebrochen wäre und die Felder nun
einſam und verlaſſen ſtünden, im ganzen Schloſ¬
ſe ſieht's aus, wie in einer alten Rumpelkam¬
mer. Ich mußte Anfangs an den langen Aben¬
den auf dem Schloſſe aus dem Abraham a St.
Klara vorleſen. Aber es gieng gar nicht recht.
Der Herr v. A. ſagte: Ja, wenn der Leontin
dabey wäre! Die gnädige Frau ſagte: es wä¬
re doch alles gar zu dummes Gewäſch durch¬
einander, und Fräulein Julie dachte Gott weiß
an was, und paßte gar nicht auf. Es iſt gar
nichts mehr auf der Welt anzufangen. Ich
kann das verdammte traurige Weſen nicht lei¬
den! Ich bin daher ſchon über einen Monath
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/302>, abgerufen am 21.12.2024.
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