Das schöne Fräulein war in dem Hause des Pächters über Nacht geblieben. Sie stand halbent¬ kleidet an dem offenen Fenster, das auf den Gar¬ ten hinausgieng. Wer mögen wohl die beyden Fremden seyn? sagte sie gleichgültigscheinend zu ihrer Jungfer. -- Ich weiß es nicht, aber ich möch¬ te mich gleich fortschleichen und noch heute im Wirthshause nachfragen. -- Um Gotteswillen, thu' das nicht, sagte das Fräulein erschrocken, und hielt sie ängstlich am Arme fest. -- Morgen ist es zu spät. Wenn die Sonne aufgeht, sind sie gewiß längst wieder über alle Berge. -- Ich will schlafen geh'n, sagte das Fräulein, ganz in Gedanken ver¬ sunken. Gott weiß, wie es kommt, ich bin heut so müde und doch so munter. -- Sie ließ sich darauf entkleiden und legte sich nieder. Aber sie schlief nicht, denn das Fenster blieb offen und Leontins verführerische Töne stiegen die ganze Nacht wie auf goldenen Leitern in die Schlafkammer des Mädchens ein und aus.
Siebentes Kapitel.
Stand ein Mädchen an dem Fenster,
Da es draußen Morgen war, Kämmte sich die langen Haare, Wusch sich ihre Aeuglein klar.
Das ſchöne Fräulein war in dem Hauſe des Pächters über Nacht geblieben. Sie ſtand halbent¬ kleidet an dem offenen Fenſter, das auf den Gar¬ ten hinausgieng. Wer mögen wohl die beyden Fremden ſeyn? ſagte ſie gleichgültigſcheinend zu ihrer Jungfer. — Ich weiß es nicht, aber ich möch¬ te mich gleich fortſchleichen und noch heute im Wirthshauſe nachfragen. — Um Gotteswillen, thu' das nicht, ſagte das Fräulein erſchrocken, und hielt ſie ängſtlich am Arme feſt. — Morgen iſt es zu ſpät. Wenn die Sonne aufgeht, ſind ſie gewiß längſt wieder über alle Berge. — Ich will ſchlafen geh'n, ſagte das Fräulein, ganz in Gedanken ver¬ ſunken. Gott weiß, wie es kommt, ich bin heut ſo müde und doch ſo munter. — Sie ließ ſich darauf entkleiden und legte ſich nieder. Aber ſie ſchlief nicht, denn das Fenſter blieb offen und Leontins verführeriſche Töne ſtiegen die ganze Nacht wie auf goldenen Leitern in die Schlafkammer des Mädchens ein und aus.
Siebentes Kapitel.
Stand ein Mädchen an dem Fenſter,
Da es draußen Morgen war, Kämmte ſich die langen Haare, Wuſch ſich ihre Aeuglein klar.
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Das ſchöne Fräulein war in dem Hauſe des
Pächters über Nacht geblieben. Sie ſtand halbent¬
kleidet an dem offenen Fenſter, das auf den Gar¬
ten hinausgieng. Wer mögen wohl die beyden
Fremden ſeyn? ſagte ſie gleichgültigſcheinend zu
ihrer Jungfer. — Ich weiß es nicht, aber ich möch¬
te mich gleich fortſchleichen und noch heute im
Wirthshauſe nachfragen. — Um Gotteswillen, thu'
das nicht, ſagte das Fräulein erſchrocken, und hielt
ſie ängſtlich am Arme feſt. — Morgen iſt es zu
ſpät. Wenn die Sonne aufgeht, ſind ſie gewiß
längſt wieder über alle Berge. — Ich will ſchlafen
geh'n, ſagte das Fräulein, ganz in Gedanken ver¬
ſunken. Gott weiß, wie es kommt, ich bin heut ſo
müde und doch ſo munter. — Sie ließ ſich darauf
entkleiden und legte ſich nieder. Aber ſie ſchlief
nicht, denn das Fenſter blieb offen und Leontins
verführeriſche Töne ſtiegen die ganze Nacht wie auf
goldenen Leitern in die Schlafkammer des Mädchens
ein und aus.
Siebentes Kapitel.
Stand ein Mädchen an dem Fenſter,
Da es draußen Morgen war,
Kämmte ſich die langen Haare,
Wuſch ſich ihre Aeuglein klar.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/108>, abgerufen am 21.12.2024.
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