[Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893.Endlich einmal muß es gesagt werden: denn euer Maaß ist gerüttelt voll, und alle Demut und Schweigsamkeit nimmt ein Ende, wo die Rücksichtslosigkeit von Jahr zu Jahr unverblödeter ihre Orgien feiert... Die Musik, ihrem innersten Wesen nach eine Gnade, ein Labsal, ein welterlösendes Himmelsgeschenk - in euren Händen, tonwutkranke Dilettanten und Modenarren, ist sie zur Geißel geworden. Ihr habt die Göttin dämonisirt, und die herzliebe wonnige Aphrodite, deren Kuß den frommen Anchises und tutti quanti so selig machte, in die Teufelinne verwandelt, vor der sich Christ und Jude ganz mit der nämlichen Herzbeklemmung bekreuzigen. Und die Teufelinne übt eine seelenmordende Tyrannei aus, eine Herrschaft, die durch Nichts zu erschüttern ist, einen Despotismus, der schon deßhalb jeden Sturm überdauert, weil eben die Mode ihn stillschweigend anerkennt. Die Herrschaft der souveränen Musik gehört zu jenen conventionellen Rücksichtslosigkeiten, an denen unser Gesellschaftsleben so reich ist; und keine andre von diesen stummen Verabredungen wider Endlich einmal muß es gesagt werden: denn euer Maaß ist gerüttelt voll, und alle Demut und Schweigsamkeit nimmt ein Ende, wo die Rücksichtslosigkeit von Jahr zu Jahr unverblödeter ihre Orgien feiert… Die Musik, ihrem innersten Wesen nach eine Gnade, ein Labsal, ein welterlösendes Himmelsgeschenk – in euren Händen, tonwutkranke Dilettanten und Modenarren, ist sie zur Geißel geworden. Ihr habt die Göttin dämonisirt, und die herzliebe wonnige Aphrodite, deren Kuß den frommen Anchises und tutti quanti so selig machte, in die Teufelinne verwandelt, vor der sich Christ und Jude ganz mit der nämlichen Herzbeklemmung bekreuzigen. Und die Teufelinne übt eine seelenmordende Tyrannei aus, eine Herrschaft, die durch Nichts zu erschüttern ist, einen Despotismus, der schon deßhalb jeden Sturm überdauert, weil eben die Mode ihn stillschweigend anerkennt. Die Herrschaft der souveränen Musik gehört zu jenen conventionellen Rücksichtslosigkeiten, an denen unser Gesellschaftsleben so reich ist; und keine andre von diesen stummen Verabredungen wider <TEI> <text> <pb facs="#f0007"/> <body> <div n="1"> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>ndlich einmal muß es gesagt werden: denn euer Maaß ist gerüttelt voll, und alle Demut und Schweigsamkeit nimmt ein Ende, wo die Rücksichtslosigkeit von Jahr zu Jahr unverblödeter ihre Orgien feiert…</p> <p>Die Musik, ihrem innersten Wesen nach eine Gnade, ein Labsal, ein welterlösendes Himmelsgeschenk – in euren Händen, tonwutkranke Dilettanten und Modenarren, ist sie zur Geißel geworden. Ihr habt die Göttin dämonisirt, und die herzliebe wonnige Aphrodite, deren Kuß den frommen Anchises und <hi rendition="#aq">tutti quanti</hi> so selig machte, in die Teufelinne verwandelt, vor der sich Christ und Jude ganz mit der nämlichen Herzbeklemmung bekreuzigen.</p> <p>Und die Teufelinne übt eine seelenmordende Tyrannei aus, eine Herrschaft, die durch Nichts zu erschüttern ist, einen Despotismus, der schon deßhalb jeden Sturm überdauert, weil eben die Mode ihn stillschweigend anerkennt. Die Herrschaft der souveränen Musik gehört zu jenen conventionellen Rücksichtslosigkeiten, an denen unser Gesellschaftsleben so reich ist; und keine andre von diesen stummen Verabredungen wider </p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
Endlich einmal muß es gesagt werden: denn euer Maaß ist gerüttelt voll, und alle Demut und Schweigsamkeit nimmt ein Ende, wo die Rücksichtslosigkeit von Jahr zu Jahr unverblödeter ihre Orgien feiert…
Die Musik, ihrem innersten Wesen nach eine Gnade, ein Labsal, ein welterlösendes Himmelsgeschenk – in euren Händen, tonwutkranke Dilettanten und Modenarren, ist sie zur Geißel geworden. Ihr habt die Göttin dämonisirt, und die herzliebe wonnige Aphrodite, deren Kuß den frommen Anchises und tutti quanti so selig machte, in die Teufelinne verwandelt, vor der sich Christ und Jude ganz mit der nämlichen Herzbeklemmung bekreuzigen.
Und die Teufelinne übt eine seelenmordende Tyrannei aus, eine Herrschaft, die durch Nichts zu erschüttern ist, einen Despotismus, der schon deßhalb jeden Sturm überdauert, weil eben die Mode ihn stillschweigend anerkennt. Die Herrschaft der souveränen Musik gehört zu jenen conventionellen Rücksichtslosigkeiten, an denen unser Gesellschaftsleben so reich ist; und keine andre von diesen stummen Verabredungen wider
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