Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Diesen Mittag ein halbes Stündchen bei Goethe.
Ich hatte ihm die Nachricht zu bringen, daß die Frau
Großherzogin beschlossen habe, der Direction des hie¬
sigen Theaters ein Geschenk von tausend Thalern zu¬
stellen zu lassen, um zur Ausbildung hoffnungsvoller
junger Talente verwandt zu werden. Diese Nachricht
machte Goethen, dem das fernere Gedeihen des Thea¬
ters am Herzen liegt, sichtbare Freude.

Sodann hatte ich einen Auftrag anderer Art mit
ihm zu bereden. Es ist nämlich die Absicht der Frau
Großherzogin, den jetzigen besten deutschen Schriftsteller,
insofern er ohne Amt und Vermögen wäre und bloß
von den Früchten seines Talentes leben müßte, nach
Weimar berufen zu lassen und ihm hier eine sorgenfreie
Lage zu bereiten, dergestalt, daß er die gehörige Muße
fände, jedes seiner Werke zu möglichster Vollendung
heranreifen zu lassen, und nicht in den traurigen Fall
käme, aus Noth flüchtig und übereilt zu arbeiten, zum
Nachtheil seines eigenen Talents und der Literatur.

"Die Intention der Frau Großherzogin, erwiederte
Goethe, ist wahrhaft Fürstlich, und ich beuge mich vor
ihrer edlen Gesinnung; allein es wird sehr schwer hal¬
ten, irgend eine passende Wahl zu treffen. Die vor¬
züglichsten unserer jetzigen Talente sind bereits durch
Anstellung im Staatsdienst, Pensionen, oder eigenes
Vermögen, in einer sorgenfreien Lage. Auch paßt nicht

Dieſen Mittag ein halbes Stündchen bei Goethe.
Ich hatte ihm die Nachricht zu bringen, daß die Frau
Großherzogin beſchloſſen habe, der Direction des hie¬
ſigen Theaters ein Geſchenk von tauſend Thalern zu¬
ſtellen zu laſſen, um zur Ausbildung hoffnungsvoller
junger Talente verwandt zu werden. Dieſe Nachricht
machte Goethen, dem das fernere Gedeihen des Thea¬
ters am Herzen liegt, ſichtbare Freude.

Sodann hatte ich einen Auftrag anderer Art mit
ihm zu bereden. Es iſt nämlich die Abſicht der Frau
Großherzogin, den jetzigen beſten deutſchen Schriftſteller,
inſofern er ohne Amt und Vermögen wäre und bloß
von den Früchten ſeines Talentes leben müßte, nach
Weimar berufen zu laſſen und ihm hier eine ſorgenfreie
Lage zu bereiten, dergeſtalt, daß er die gehörige Muße
fände, jedes ſeiner Werke zu möglichſter Vollendung
heranreifen zu laſſen, und nicht in den traurigen Fall
käme, aus Noth flüchtig und übereilt zu arbeiten, zum
Nachtheil ſeines eigenen Talents und der Literatur.

„Die Intention der Frau Großherzogin, erwiederte
Goethe, iſt wahrhaft Fürſtlich, und ich beuge mich vor
ihrer edlen Geſinnung; allein es wird ſehr ſchwer hal¬
ten, irgend eine paſſende Wahl zu treffen. Die vor¬
züglichſten unſerer jetzigen Talente ſind bereits durch
Anſtellung im Staatsdienſt, Penſionen, oder eigenes
Vermögen, in einer ſorgenfreien Lage. Auch paßt nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <pb facs="#f0371" n="349"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Mittwoch, den 10. März 1831*.<lb/></dateline>
          <p>Die&#x017F;en Mittag ein halbes Stündchen bei Goethe.<lb/>
Ich hatte ihm die Nachricht zu bringen, daß die Frau<lb/>
Großherzogin be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en habe, der Direction des hie¬<lb/>
&#x017F;igen Theaters ein Ge&#x017F;chenk von tau&#x017F;end Thalern zu¬<lb/>
&#x017F;tellen zu la&#x017F;&#x017F;en, um zur Ausbildung hoffnungsvoller<lb/>
junger Talente verwandt zu werden. Die&#x017F;e Nachricht<lb/>
machte Goethen, dem das fernere Gedeihen des Thea¬<lb/>
ters am Herzen liegt, &#x017F;ichtbare Freude.</p><lb/>
          <p>Sodann hatte ich einen Auftrag anderer Art mit<lb/>
ihm zu bereden. Es i&#x017F;t nämlich die Ab&#x017F;icht der Frau<lb/>
Großherzogin, den jetzigen be&#x017F;ten deut&#x017F;chen Schrift&#x017F;teller,<lb/>
in&#x017F;ofern er ohne Amt und Vermögen wäre und bloß<lb/>
von den Früchten &#x017F;eines Talentes leben müßte, nach<lb/>
Weimar berufen zu la&#x017F;&#x017F;en und ihm hier eine &#x017F;orgenfreie<lb/>
Lage zu bereiten, derge&#x017F;talt, daß er die gehörige Muße<lb/>
fände, jedes &#x017F;einer Werke zu möglich&#x017F;ter Vollendung<lb/>
heranreifen zu la&#x017F;&#x017F;en, und nicht in den traurigen Fall<lb/>
käme, aus Noth flüchtig und übereilt zu arbeiten, zum<lb/>
Nachtheil &#x017F;eines eigenen Talents und der Literatur.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Intention der Frau Großherzogin, erwiederte<lb/>
Goethe, i&#x017F;t wahrhaft Für&#x017F;tlich, und ich beuge mich vor<lb/>
ihrer edlen Ge&#x017F;innung; allein es wird &#x017F;ehr &#x017F;chwer hal¬<lb/>
ten, irgend eine pa&#x017F;&#x017F;ende Wahl zu treffen. Die vor¬<lb/>
züglich&#x017F;ten un&#x017F;erer jetzigen Talente &#x017F;ind bereits durch<lb/>
An&#x017F;tellung im Staatsdien&#x017F;t, Pen&#x017F;ionen, oder eigenes<lb/>
Vermögen, in einer &#x017F;orgenfreien Lage. Auch paßt nicht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0371] Mittwoch, den 10. März 1831*. Dieſen Mittag ein halbes Stündchen bei Goethe. Ich hatte ihm die Nachricht zu bringen, daß die Frau Großherzogin beſchloſſen habe, der Direction des hie¬ ſigen Theaters ein Geſchenk von tauſend Thalern zu¬ ſtellen zu laſſen, um zur Ausbildung hoffnungsvoller junger Talente verwandt zu werden. Dieſe Nachricht machte Goethen, dem das fernere Gedeihen des Thea¬ ters am Herzen liegt, ſichtbare Freude. Sodann hatte ich einen Auftrag anderer Art mit ihm zu bereden. Es iſt nämlich die Abſicht der Frau Großherzogin, den jetzigen beſten deutſchen Schriftſteller, inſofern er ohne Amt und Vermögen wäre und bloß von den Früchten ſeines Talentes leben müßte, nach Weimar berufen zu laſſen und ihm hier eine ſorgenfreie Lage zu bereiten, dergeſtalt, daß er die gehörige Muße fände, jedes ſeiner Werke zu möglichſter Vollendung heranreifen zu laſſen, und nicht in den traurigen Fall käme, aus Noth flüchtig und übereilt zu arbeiten, zum Nachtheil ſeines eigenen Talents und der Literatur. „Die Intention der Frau Großherzogin, erwiederte Goethe, iſt wahrhaft Fürſtlich, und ich beuge mich vor ihrer edlen Geſinnung; allein es wird ſehr ſchwer hal¬ ten, irgend eine paſſende Wahl zu treffen. Die vor¬ züglichſten unſerer jetzigen Talente ſind bereits durch Anſtellung im Staatsdienſt, Penſionen, oder eigenes Vermögen, in einer ſorgenfreien Lage. Auch paßt nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/371
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/371>, abgerufen am 21.11.2024.