Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

In einer Abendgesellschaft bei Goethe mit dem
berühmten Blumenbach aus Göttingen. Blumenbach
ist alt, aber von lebhaftem und heiterem Ausdruck; er
hat sich die ganze Beweglichkeit der Jugend zu bewahren
gewußt. Sein Benehmen ist der Art, daß man nicht
denkt, daß man einen Gelehrten vor sich habe. Seine
Herzlichkeit ist frei und froh; er macht keine Umstände
und man ist bald mit ihm auf einem sehr bequemen Fuß.
Seine Bekanntschaft war mir so interessant wie angenehm.


Abendgesellschaft bei Goethe. Unter den Anwesenden
befand sich auch der Maler Kolbe. Man zeigte uns
von ihm ein trefflich ausgeführtes Gemälde, eine Copie
der Venus von Titian der Dresdener Galerie.

Auch Herrn von Eschwege und den berühmten
Hummel fand ich diesen Abend bei Goethe. Hummel
improvisirte fast eine Stunde lang auf dem Piano, mit
einer Kraft und einem Talent, wovon es unmöglich ist
sich einen Begriff zu machen, wenn man ihn nicht
gehört hat. Ich fand seine Unterhaltung einfach und
natürlich, und ihn selbst, für einen Virtuosen von
so großer Berühmtheit, auffallend bescheiden.


In einer Abendgeſellſchaft bei Goethe mit dem
berühmten Blumenbach aus Göttingen. Blumenbach
iſt alt, aber von lebhaftem und heiterem Ausdruck; er
hat ſich die ganze Beweglichkeit der Jugend zu bewahren
gewußt. Sein Benehmen iſt der Art, daß man nicht
denkt, daß man einen Gelehrten vor ſich habe. Seine
Herzlichkeit iſt frei und froh; er macht keine Umſtände
und man iſt bald mit ihm auf einem ſehr bequemen Fuß.
Seine Bekanntſchaft war mir ſo intereſſant wie angenehm.


Abendgeſellſchaft bei Goethe. Unter den Anweſenden
befand ſich auch der Maler Kolbe. Man zeigte uns
von ihm ein trefflich ausgeführtes Gemälde, eine Copie
der Venus von Titian der Dresdener Galerie.

Auch Herrn von Eſchwege und den berühmten
Hummel fand ich dieſen Abend bei Goethe. Hummel
improviſirte faſt eine Stunde lang auf dem Piano, mit
einer Kraft und einem Talent, wovon es unmöglich iſt
ſich einen Begriff zu machen, wenn man ihn nicht
gehört hat. Ich fand ſeine Unterhaltung einfach und
natürlich, und ihn ſelbſt, für einen Virtuoſen von
ſo großer Berühmtheit, auffallend beſcheiden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <pb facs="#f0027" n="5"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Donnerstag, den 10. October 1822*.<lb/></dateline>
          <p>In einer Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft bei Goethe mit dem<lb/>
berühmten <hi rendition="#g">Blumenbach</hi> aus Göttingen. Blumenbach<lb/>
i&#x017F;t alt, aber von lebhaftem und heiterem Ausdruck; er<lb/>
hat &#x017F;ich die ganze Beweglichkeit der Jugend zu bewahren<lb/>
gewußt. Sein Benehmen i&#x017F;t der Art, daß man nicht<lb/>
denkt, daß man einen Gelehrten vor &#x017F;ich habe. Seine<lb/>
Herzlichkeit i&#x017F;t frei und froh; er macht keine Um&#x017F;tände<lb/>
und man i&#x017F;t bald mit ihm auf einem &#x017F;ehr bequemen Fuß.<lb/>
Seine Bekannt&#x017F;chaft war mir &#x017F;o intere&#x017F;&#x017F;ant wie angenehm.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Dienstag, den 5. November 1822*.<lb/></dateline>
          <p>Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft bei Goethe. Unter den Anwe&#x017F;enden<lb/>
befand &#x017F;ich auch der Maler <hi rendition="#g">Kolbe</hi>. Man zeigte uns<lb/>
von ihm ein trefflich ausgeführtes Gemälde, eine Copie<lb/>
der Venus von Titian der Dresdener Galerie.</p><lb/>
          <p>Auch Herrn von E&#x017F;chwege und den berühmten<lb/><hi rendition="#g">Hummel</hi> fand ich die&#x017F;en Abend bei Goethe. Hummel<lb/>
improvi&#x017F;irte fa&#x017F;t eine Stunde lang auf dem Piano, mit<lb/>
einer Kraft und einem Talent, wovon es unmöglich i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich einen Begriff zu machen, wenn man ihn nicht<lb/>
gehört hat. Ich fand &#x017F;eine Unterhaltung einfach und<lb/>
natürlich, und ihn &#x017F;elb&#x017F;t, für einen Virtuo&#x017F;en von<lb/>
&#x017F;o großer Berühmtheit, auffallend be&#x017F;cheiden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0027] Donnerstag, den 10. October 1822*. In einer Abendgeſellſchaft bei Goethe mit dem berühmten Blumenbach aus Göttingen. Blumenbach iſt alt, aber von lebhaftem und heiterem Ausdruck; er hat ſich die ganze Beweglichkeit der Jugend zu bewahren gewußt. Sein Benehmen iſt der Art, daß man nicht denkt, daß man einen Gelehrten vor ſich habe. Seine Herzlichkeit iſt frei und froh; er macht keine Umſtände und man iſt bald mit ihm auf einem ſehr bequemen Fuß. Seine Bekanntſchaft war mir ſo intereſſant wie angenehm. Dienstag, den 5. November 1822*. Abendgeſellſchaft bei Goethe. Unter den Anweſenden befand ſich auch der Maler Kolbe. Man zeigte uns von ihm ein trefflich ausgeführtes Gemälde, eine Copie der Venus von Titian der Dresdener Galerie. Auch Herrn von Eſchwege und den berühmten Hummel fand ich dieſen Abend bei Goethe. Hummel improviſirte faſt eine Stunde lang auf dem Piano, mit einer Kraft und einem Talent, wovon es unmöglich iſt ſich einen Begriff zu machen, wenn man ihn nicht gehört hat. Ich fand ſeine Unterhaltung einfach und natürlich, und ihn ſelbſt, für einen Virtuoſen von ſo großer Berühmtheit, auffallend beſcheiden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/27
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/27>, abgerufen am 03.12.2024.