gekommenen wenigen grandiosen Trümmer schon von solchem Umfang und solcher Bedeutung, daß wir armen Europäer uns bereits seit Jahrhunderten damit beschäf¬ tigen und noch einige Jahrhunderte daran werden zu zehren und zu thun haben."
Montag, den 5. Juni 1826.
Goethe erzählte mir, daß Preller bei ihm gewesen und Abschied genommen, um auf einige Jahre nach Italien zu gehen.
"Als Reisesegen, sagte Goethe, habe ich ihm ge¬ rathen, sich nicht verwirren zu lassen, sich besonders an Poussin und Claude Lorrain zu halten, und vor Allem die Werke dieser beiden Großen zu studiren, damit ihm deutlich werde, wie sie die Natur angesehen und zum Ausdruck ihrer künstlerischen Anschauungen und Empfindungen gebraucht haben."
"Preller ist ein bedeutendes Talent und mir ist für ihn nicht bange. Er erscheint mir übrigens von sehr ernstem Charakter und ich bin fast gewiß, daß er sich eher zu Poussin als zu Claude Lorrain neigen wird. Doch habe ich ihm den letzteren zu besonderem Studium empfohlen, und zwar nicht ohne Grund. Denn es ist mit der Ausbildung des Künstlers wie mit der Aus¬ bildung jedes anderen Talentes. Unsere Stärken bil¬ den sich gewissermaßen von selber, aber diejenigen
gekommenen wenigen grandioſen Trümmer ſchon von ſolchem Umfang und ſolcher Bedeutung, daß wir armen Europäer uns bereits ſeit Jahrhunderten damit beſchäf¬ tigen und noch einige Jahrhunderte daran werden zu zehren und zu thun haben.“
Montag, den 5. Juni 1826.
Goethe erzählte mir, daß Preller bei ihm geweſen und Abſchied genommen, um auf einige Jahre nach Italien zu gehen.
„Als Reiſeſegen, ſagte Goethe, habe ich ihm ge¬ rathen, ſich nicht verwirren zu laſſen, ſich beſonders an Pouſſin und Claude Lorrain zu halten, und vor Allem die Werke dieſer beiden Großen zu ſtudiren, damit ihm deutlich werde, wie ſie die Natur angeſehen und zum Ausdruck ihrer künſtleriſchen Anſchauungen und Empfindungen gebraucht haben.“
„Preller iſt ein bedeutendes Talent und mir iſt für ihn nicht bange. Er erſcheint mir übrigens von ſehr ernſtem Charakter und ich bin faſt gewiß, daß er ſich eher zu Pouſſin als zu Claude Lorrain neigen wird. Doch habe ich ihm den letzteren zu beſonderem Studium empfohlen, und zwar nicht ohne Grund. Denn es iſt mit der Ausbildung des Künſtlers wie mit der Aus¬ bildung jedes anderen Talentes. Unſere Stärken bil¬ den ſich gewiſſermaßen von ſelber, aber diejenigen
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gekommenen wenigen grandioſen Trümmer ſchon von
ſolchem Umfang und ſolcher Bedeutung, daß wir armen
Europäer uns bereits ſeit Jahrhunderten damit beſchäf¬
tigen und noch einige Jahrhunderte daran werden zu
zehren und zu thun haben.“
Montag, den 5. Juni 1826.
Goethe erzählte mir, daß Preller bei ihm geweſen
und Abſchied genommen, um auf einige Jahre nach
Italien zu gehen.
„Als Reiſeſegen, ſagte Goethe, habe ich ihm ge¬
rathen, ſich nicht verwirren zu laſſen, ſich beſonders
an Pouſſin und Claude Lorrain zu halten, und vor
Allem die Werke dieſer beiden Großen zu ſtudiren,
damit ihm deutlich werde, wie ſie die Natur angeſehen
und zum Ausdruck ihrer künſtleriſchen Anſchauungen
und Empfindungen gebraucht haben.“
„Preller iſt ein bedeutendes Talent und mir iſt für
ihn nicht bange. Er erſcheint mir übrigens von ſehr
ernſtem Charakter und ich bin faſt gewiß, daß er ſich
eher zu Pouſſin als zu Claude Lorrain neigen wird.
Doch habe ich ihm den letzteren zu beſonderem Studium
empfohlen, und zwar nicht ohne Grund. Denn es iſt
mit der Ausbildung des Künſtlers wie mit der Aus¬
bildung jedes anderen Talentes. Unſere Stärken bil¬
den ſich gewiſſermaßen von ſelber, aber diejenigen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/134>, abgerufen am 21.11.2024.
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