Fähiger, ein Bedeutender, die Critik der Sinne und des Menschenverstandes schreiben, und wir würden, wenn dieses gleich vortrefflich geschehen, in der deutschen Phi¬ losophie nicht viel mehr zu wünschen haben."
"Hegel, fuhr Goethe fort, hat in den Berliner Jahrbüchern eine Recension über Hamann geschrieben, die ich in diesen Tagen lese und wieder lese und die ich sehr loben muß. Hegels Urtheile als Critiker sind im¬ mer gut gewesen."
"Villemain steht in der Critik gleichfalls sehr hoch. Die Franzosen werden zwar nie ein Talent wie¬ der sehen, das dem von Voltaire gewachsen wäre. Von Villemain aber kann man sagen, daß er in seinem gei¬ stigen Standpunct über Voltairen erhaben ist, so daß er ihn in seinen Tugenden und Fehlern beurtheilen kann."
Mittwoch, den 18. Februar 1829.
Wir sprachen über die Farbenlehre, unter andern über Trinkgläser, deren trübe Figuren gegen das Licht gelb und gegen das Dunkele blau erscheinen, und die also die Betrachtung eines Urphänomens gewähren.
"Das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann, sagte Goethe bey dieser Gelegenheit, ist das Erstaunen; und wenn ihn das Urphänomen in Erstaunen setzt, so
Faͤhiger, ein Bedeutender, die Critik der Sinne und des Menſchenverſtandes ſchreiben, und wir wuͤrden, wenn dieſes gleich vortrefflich geſchehen, in der deutſchen Phi¬ loſophie nicht viel mehr zu wuͤnſchen haben.“
„Hegel, fuhr Goethe fort, hat in den Berliner Jahrbuͤchern eine Recenſion uͤber Hamann geſchrieben, die ich in dieſen Tagen leſe und wieder leſe und die ich ſehr loben muß. Hegels Urtheile als Critiker ſind im¬ mer gut geweſen.“
„Villemain ſteht in der Critik gleichfalls ſehr hoch. Die Franzoſen werden zwar nie ein Talent wie¬ der ſehen, das dem von Voltaire gewachſen waͤre. Von Villemain aber kann man ſagen, daß er in ſeinem gei¬ ſtigen Standpunct uͤber Voltairen erhaben iſt, ſo daß er ihn in ſeinen Tugenden und Fehlern beurtheilen kann.“
Mittwoch, den 18. Februar 1829.
Wir ſprachen uͤber die Farbenlehre, unter andern uͤber Trinkglaͤſer, deren truͤbe Figuren gegen das Licht gelb und gegen das Dunkele blau erſcheinen, und die alſo die Betrachtung eines Urphaͤnomens gewaͤhren.
„Das Hoͤchſte, wozu der Menſch gelangen kann, ſagte Goethe bey dieſer Gelegenheit, iſt das Erſtaunen; und wenn ihn das Urphaͤnomen in Erſtaunen ſetzt, ſo
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Faͤhiger, ein Bedeutender, die Critik der Sinne und
des Menſchenverſtandes ſchreiben, und wir wuͤrden, wenn
dieſes gleich vortrefflich geſchehen, in der deutſchen Phi¬
loſophie nicht viel mehr zu wuͤnſchen haben.“
„Hegel, fuhr Goethe fort, hat in den Berliner
Jahrbuͤchern eine Recenſion uͤber Hamann geſchrieben,
die ich in dieſen Tagen leſe und wieder leſe und die ich
ſehr loben muß. Hegels Urtheile als Critiker ſind im¬
mer gut geweſen.“
„Villemain ſteht in der Critik gleichfalls ſehr
hoch. Die Franzoſen werden zwar nie ein Talent wie¬
der ſehen, das dem von Voltaire gewachſen waͤre. Von
Villemain aber kann man ſagen, daß er in ſeinem gei¬
ſtigen Standpunct uͤber Voltairen erhaben iſt, ſo daß
er ihn in ſeinen Tugenden und Fehlern beurtheilen kann.“
Mittwoch, den 18. Februar 1829.
Wir ſprachen uͤber die Farbenlehre, unter andern
uͤber Trinkglaͤſer, deren truͤbe Figuren gegen das Licht
gelb und gegen das Dunkele blau erſcheinen, und die
alſo die Betrachtung eines Urphaͤnomens gewaͤhren.
„Das Hoͤchſte, wozu der Menſch gelangen kann,
ſagte Goethe bey dieſer Gelegenheit, iſt das Erſtaunen;
und wenn ihn das Urphaͤnomen in Erſtaunen ſetzt, ſo
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/82>, abgerufen am 22.02.2025.
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