zen haben, und daß von der einen zur andern keines¬ wegs ein stufenartiges Fortschreiten Statt findet."
Ich merkte mir dieses, als von großer Bedeutung.
Donnerstag, den 24. Februar 1831.
Ich lese Goethe's Aufsatz über Zahn in den Wie¬ ner Jahrbüchern, den ich bewundere, indem ich die Prä¬ missen bedenke, die es voraussetzte, um ihn zu schreiben.
Bey Tisch erzählet mir Goethe, daß Soret bey ihm gewesen, und daß sie in der Übersetzung der Me¬ tamorphose einen hübschen Fortschritt gemacht.
"Das Schwierige bey der Natur, sagte Goethe, ist: das Gesetz auch da zu sehen wo es sich uns verbirgt, und sich nicht durch Erscheinungen irre machen zu lassen, die unsern Sinnen widersprechen. Denn es widerspricht in der Natur manches den Sinnen und ist doch wahr. Daß die Sonne still stehe, daß sie nicht auf- und unter¬ gehe, sondern daß die Erde sich täglich in undenkbarer Geschwindigkeit herumwälze, widerspricht den Sinnen so stark wie etwas, aber doch zweifelt kein Unterrichteter daß es so sey. Und so kommen auch widersprechende Erscheinungen im Pflanzenreiche vor, wobey man sehr auf seiner Hut seyn muß, sich dadurch nicht auf falsche Wege leiten zu lassen."
zen haben, und daß von der einen zur andern keines¬ wegs ein ſtufenartiges Fortſchreiten Statt findet.“
Ich merkte mir dieſes, als von großer Bedeutung.
Donnerstag, den 24. Februar 1831.
Ich leſe Goethe's Aufſatz uͤber Zahn in den Wie¬ ner Jahrbuͤchern, den ich bewundere, indem ich die Praͤ¬ miſſen bedenke, die es vorausſetzte, um ihn zu ſchreiben.
Bey Tiſch erzaͤhlet mir Goethe, daß Soret bey ihm geweſen, und daß ſie in der Überſetzung der Me¬ tamorphoſe einen huͤbſchen Fortſchritt gemacht.
„Das Schwierige bey der Natur, ſagte Goethe, iſt: das Geſetz auch da zu ſehen wo es ſich uns verbirgt, und ſich nicht durch Erſcheinungen irre machen zu laſſen, die unſern Sinnen widerſprechen. Denn es widerſpricht in der Natur manches den Sinnen und iſt doch wahr. Daß die Sonne ſtill ſtehe, daß ſie nicht auf- und unter¬ gehe, ſondern daß die Erde ſich taͤglich in undenkbarer Geſchwindigkeit herumwaͤlze, widerſpricht den Sinnen ſo ſtark wie etwas, aber doch zweifelt kein Unterrichteter daß es ſo ſey. Und ſo kommen auch widerſprechende Erſcheinungen im Pflanzenreiche vor, wobey man ſehr auf ſeiner Hut ſeyn muß, ſich dadurch nicht auf falſche Wege leiten zu laſſen.“
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0300"n="290"/>
zen haben, und daß von der einen zur andern keines¬<lb/>
wegs ein ſtufenartiges Fortſchreiten Statt findet.“</p><lb/><p>Ich merkte mir dieſes, als von großer Bedeutung.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Donnerstag, den 24. Februar 1831.<lb/></dateline><p>Ich leſe Goethe's Aufſatz uͤber <hirendition="#g">Zahn</hi> in den Wie¬<lb/>
ner Jahrbuͤchern, den ich bewundere, indem ich die Praͤ¬<lb/>
miſſen bedenke, die es vorausſetzte, um ihn zu ſchreiben.</p><lb/><p>Bey Tiſch erzaͤhlet mir Goethe, daß <hirendition="#g">Soret</hi> bey<lb/>
ihm geweſen, und daß ſie in der Überſetzung der <hirendition="#g">Me¬<lb/>
tamorphoſe</hi> einen huͤbſchen Fortſchritt gemacht.</p><lb/><p>„Das Schwierige bey der Natur, ſagte Goethe, iſt:<lb/>
das Geſetz auch da zu ſehen wo es ſich uns verbirgt,<lb/>
und ſich nicht durch Erſcheinungen irre machen zu laſſen,<lb/>
die unſern Sinnen widerſprechen. Denn es widerſpricht<lb/>
in der Natur manches den Sinnen und iſt doch wahr.<lb/>
Daß die Sonne ſtill ſtehe, daß ſie nicht auf- und unter¬<lb/>
gehe, ſondern daß die Erde ſich taͤglich in undenkbarer<lb/>
Geſchwindigkeit herumwaͤlze, widerſpricht den Sinnen ſo<lb/>ſtark wie etwas, aber doch zweifelt kein Unterrichteter<lb/>
daß es ſo ſey. Und ſo kommen auch widerſprechende<lb/>
Erſcheinungen im Pflanzenreiche vor, wobey man ſehr<lb/>
auf ſeiner Hut ſeyn muß, ſich dadurch nicht auf falſche<lb/>
Wege leiten zu laſſen.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[290/0300]
zen haben, und daß von der einen zur andern keines¬
wegs ein ſtufenartiges Fortſchreiten Statt findet.“
Ich merkte mir dieſes, als von großer Bedeutung.
Donnerstag, den 24. Februar 1831.
Ich leſe Goethe's Aufſatz uͤber Zahn in den Wie¬
ner Jahrbuͤchern, den ich bewundere, indem ich die Praͤ¬
miſſen bedenke, die es vorausſetzte, um ihn zu ſchreiben.
Bey Tiſch erzaͤhlet mir Goethe, daß Soret bey
ihm geweſen, und daß ſie in der Überſetzung der Me¬
tamorphoſe einen huͤbſchen Fortſchritt gemacht.
„Das Schwierige bey der Natur, ſagte Goethe, iſt:
das Geſetz auch da zu ſehen wo es ſich uns verbirgt,
und ſich nicht durch Erſcheinungen irre machen zu laſſen,
die unſern Sinnen widerſprechen. Denn es widerſpricht
in der Natur manches den Sinnen und iſt doch wahr.
Daß die Sonne ſtill ſtehe, daß ſie nicht auf- und unter¬
gehe, ſondern daß die Erde ſich taͤglich in undenkbarer
Geſchwindigkeit herumwaͤlze, widerſpricht den Sinnen ſo
ſtark wie etwas, aber doch zweifelt kein Unterrichteter
daß es ſo ſey. Und ſo kommen auch widerſprechende
Erſcheinungen im Pflanzenreiche vor, wobey man ſehr
auf ſeiner Hut ſeyn muß, ſich dadurch nicht auf falſche
Wege leiten zu laſſen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/300>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.