Durch solche Zeilen Goethe's, deren Empfang mich im hohen Grade beglückte, fühlte ich mich nun vorläu¬ fig wieder beruhigt. Ich ward dadurch entschieden, kei¬ nen eigenmächtigen Schritt zu thun, sondern mich ganz seinem Rath und Willen zu überlassen. Ich schrieb indeß einige kleine Gedichte, beendigte die Redaction der Frankfurter Recensionen und sprach meine Ansicht dar¬ über in einer kurzen Abhandlung aus, die ich für Goethe bestimmte. Seiner Zurückkunft aus Marienbad sah ich mit Sehnsucht entgegen, indem auch der Druck meiner Beyträge zur Poesie sich zu Ende neigte, und ich auf alle Fälle zu einiger Erfrischung noch diesen Herbst eine kurze Ausflucht von wenigen Wochen an den Rhein zu machen wünschte.
Jena, Montag den 15. September 1823.
Goethe ist von Marienbad glücklich zurückgekommen, wird aber, da seine hiesige Gartenwohnung nicht die er¬ forderliche Bequemlichkeit darbietet, hier nur wenige Tage verweilen. Er ist wohl und rüstig, so daß er einen Weg von mehreren Stunden zu Fuß machen kann und es eine wahre Freude ist ihn anzusehen.
Nach einem beyderseitigen fröhlichen Begrüßen fing Goethe sogleich an über meine Angelegenheit zu reden.
"Ich muß grade heraussagen, begann er, ich wün¬ sche daß Sie diesen Winter bey mir in Weimar bleiben".
Durch ſolche Zeilen Goethe's, deren Empfang mich im hohen Grade begluͤckte, fuͤhlte ich mich nun vorlaͤu¬ fig wieder beruhigt. Ich ward dadurch entſchieden, kei¬ nen eigenmaͤchtigen Schritt zu thun, ſondern mich ganz ſeinem Rath und Willen zu uͤberlaſſen. Ich ſchrieb indeß einige kleine Gedichte, beendigte die Redaction der Frankfurter Recenſionen und ſprach meine Anſicht dar¬ uͤber in einer kurzen Abhandlung aus, die ich fuͤr Goethe beſtimmte. Seiner Zuruͤckkunft aus Marienbad ſah ich mit Sehnſucht entgegen, indem auch der Druck meiner Beytraͤge zur Poeſie ſich zu Ende neigte, und ich auf alle Faͤlle zu einiger Erfriſchung noch dieſen Herbſt eine kurze Ausflucht von wenigen Wochen an den Rhein zu machen wuͤnſchte.
Jena, Montag den 15. September 1823.
Goethe iſt von Marienbad gluͤcklich zuruͤckgekommen, wird aber, da ſeine hieſige Gartenwohnung nicht die er¬ forderliche Bequemlichkeit darbietet, hier nur wenige Tage verweilen. Er iſt wohl und ruͤſtig, ſo daß er einen Weg von mehreren Stunden zu Fuß machen kann und es eine wahre Freude iſt ihn anzuſehen.
Nach einem beyderſeitigen froͤhlichen Begruͤßen fing Goethe ſogleich an uͤber meine Angelegenheit zu reden.
„Ich muß grade herausſagen, begann er, ich wuͤn¬ ſche daß Sie dieſen Winter bey mir in Weimar bleiben“.
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Durch ſolche Zeilen Goethe's, deren Empfang mich
im hohen Grade begluͤckte, fuͤhlte ich mich nun vorlaͤu¬
fig wieder beruhigt. Ich ward dadurch entſchieden, kei¬
nen eigenmaͤchtigen Schritt zu thun, ſondern mich ganz
ſeinem Rath und Willen zu uͤberlaſſen. Ich ſchrieb
indeß einige kleine Gedichte, beendigte die Redaction der
Frankfurter Recenſionen und ſprach meine Anſicht dar¬
uͤber in einer kurzen Abhandlung aus, die ich fuͤr Goethe
beſtimmte. Seiner Zuruͤckkunft aus Marienbad ſah ich
mit Sehnſucht entgegen, indem auch der Druck meiner
Beytraͤge zur Poeſie ſich zu Ende neigte, und ich auf
alle Faͤlle zu einiger Erfriſchung noch dieſen Herbſt eine
kurze Ausflucht von wenigen Wochen an den Rhein zu
machen wuͤnſchte.
Jena, Montag den 15. September 1823.
Goethe iſt von Marienbad gluͤcklich zuruͤckgekommen,
wird aber, da ſeine hieſige Gartenwohnung nicht die er¬
forderliche Bequemlichkeit darbietet, hier nur wenige Tage
verweilen. Er iſt wohl und ruͤſtig, ſo daß er einen
Weg von mehreren Stunden zu Fuß machen kann und
es eine wahre Freude iſt ihn anzuſehen.
Nach einem beyderſeitigen froͤhlichen Begruͤßen fing
Goethe ſogleich an uͤber meine Angelegenheit zu reden.
„Ich muß grade herausſagen, begann er, ich wuͤn¬
ſche daß Sie dieſen Winter bey mir in Weimar bleiben“.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/68>, abgerufen am 21.11.2024.
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