Heute bey Tisch sprachen wir über Cannings treffliche Rede für Portugal.
"Es gibt Leute, sagte Goethe, die diese Rede grob nennen; aber diese Leute wissen nicht, was sie wollen, es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondiren. Es ist keine Opposition, sondern eine bloße Frondation. Sie müssen etwas Großes haben, das sie hassen kön¬ nen. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten sie den, und sie hatten an ihm eine gute Ableitung. So¬ dann als es mit diesem aus war, frondirten sie die heilige Allianz, und doch ist nie etwas Größeres und für die Menschheit Wohlthätigeres erfunden worden. Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede für Portugal ist das Product eines großen Bewußtseyns. Er fühlt sehr gut den Umfang seiner Gewalt und die Größe seiner Stellung und er hat Recht, daß er spricht, wie er sich empfindet. Aber das können diese Sans¬ cülotten nicht begreifen und was uns andern groß er¬
Mittwoch den 3. Januar 1827.
Heute bey Tiſch ſprachen wir uͤber Cannings treffliche Rede fuͤr Portugal.
„Es gibt Leute, ſagte Goethe, die dieſe Rede grob nennen; aber dieſe Leute wiſſen nicht, was ſie wollen, es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondiren. Es iſt keine Oppoſition, ſondern eine bloße Frondation. Sie muͤſſen etwas Großes haben, das ſie haſſen koͤn¬ nen. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten ſie den, und ſie hatten an ihm eine gute Ableitung. So¬ dann als es mit dieſem aus war, frondirten ſie die heilige Allianz, und doch iſt nie etwas Groͤßeres und fuͤr die Menſchheit Wohlthaͤtigeres erfunden worden. Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede fuͤr Portugal iſt das Product eines großen Bewußtſeyns. Er fuͤhlt ſehr gut den Umfang ſeiner Gewalt und die Groͤße ſeiner Stellung und er hat Recht, daß er ſpricht, wie er ſich empfindet. Aber das koͤnnen dieſe Sans¬ cuͤlotten nicht begreifen und was uns andern groß er¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0297"n="[277]"/><divn="2"><datelinerendition="#right">Mittwoch den 3. Januar 1827.<lb/></dateline><p><hirendition="#in">H</hi>eute bey Tiſch ſprachen wir uͤber Cannings treffliche<lb/>
Rede fuͤr Portugal.</p><lb/><p>„Es gibt Leute, ſagte Goethe, die dieſe Rede grob<lb/>
nennen; aber dieſe Leute wiſſen nicht, was ſie wollen,<lb/>
es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondiren.<lb/>
Es iſt keine Oppoſition, ſondern eine bloße Frondation.<lb/>
Sie muͤſſen etwas Großes haben, das ſie haſſen koͤn¬<lb/>
nen. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten ſie<lb/>
den, und ſie hatten an ihm eine gute Ableitung. So¬<lb/>
dann als es mit dieſem aus war, frondirten ſie die<lb/>
heilige Allianz, und doch iſt nie etwas Groͤßeres und<lb/>
fuͤr die Menſchheit Wohlthaͤtigeres erfunden worden.<lb/>
Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede fuͤr<lb/>
Portugal iſt das Product eines großen Bewußtſeyns.<lb/>
Er fuͤhlt ſehr gut den Umfang ſeiner Gewalt und die<lb/>
Groͤße ſeiner Stellung und er hat Recht, daß er ſpricht,<lb/>
wie er ſich empfindet. Aber das koͤnnen dieſe Sans¬<lb/>
cuͤlotten nicht begreifen und was uns andern groß er¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[277]/0297]
Mittwoch den 3. Januar 1827.
Heute bey Tiſch ſprachen wir uͤber Cannings treffliche
Rede fuͤr Portugal.
„Es gibt Leute, ſagte Goethe, die dieſe Rede grob
nennen; aber dieſe Leute wiſſen nicht, was ſie wollen,
es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondiren.
Es iſt keine Oppoſition, ſondern eine bloße Frondation.
Sie muͤſſen etwas Großes haben, das ſie haſſen koͤn¬
nen. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten ſie
den, und ſie hatten an ihm eine gute Ableitung. So¬
dann als es mit dieſem aus war, frondirten ſie die
heilige Allianz, und doch iſt nie etwas Groͤßeres und
fuͤr die Menſchheit Wohlthaͤtigeres erfunden worden.
Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede fuͤr
Portugal iſt das Product eines großen Bewußtſeyns.
Er fuͤhlt ſehr gut den Umfang ſeiner Gewalt und die
Groͤße ſeiner Stellung und er hat Recht, daß er ſpricht,
wie er ſich empfindet. Aber das koͤnnen dieſe Sans¬
cuͤlotten nicht begreifen und was uns andern groß er¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. [277]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/297>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.