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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Über Tisch lobten die Frauen ein Portrait eines
jungen Malers. Und was bewundernswürdig ist, füg¬
ten sie hinzu, er hat alles von selbst gelernt. Dieses
merkte man denn auch besonders an den Händen, die
nicht richtig und kunstmäßig gezeichnet waren.

"Man sieht, sagte Goethe, der junge Mann hat
Talent; allein daß er alles von selbst gelernt hat, de߬
wegen soll man ihn nicht loben, sondern schelten. Ein
Talent wird nicht geboren, um sich selbst überlassen zu
bleiben, sondern sich zur Kunst und guten Meistern zu
wenden, die denn etwas aus ihm machen. Ich habe
dieser Tage einen Brief von Mozart gelesen, wo er
einem Baron, der ihm Compositionen zugesendet hatte,
etwa Folgendes schreibt: "Euch Dilettanten muß man
schelten, denn es finden bey Euch gewöhnlich zwey
Dinge Statt: entweder Ihr habt keine eigene Gedan¬
ken und da nehmet Ihr fremde; oder wenn Ihr eigene
Gedanken habt, so wißt Ihr nicht damit umzugehen."
Ist das nicht himmlisch? und gilt dieses große Wort,
was Mozart von der Musik sagt, nicht von allen übrigen
Künsten?"

Goethe fuhr fort: "Lenardo da Vinci sagt: Wenn
in euerm Sohn nicht der Sinn steckt, dasjenige, was

Über Tiſch lobten die Frauen ein Portrait eines
jungen Malers. Und was bewundernswuͤrdig iſt, fuͤg¬
ten ſie hinzu, er hat alles von ſelbſt gelernt. Dieſes
merkte man denn auch beſonders an den Haͤnden, die
nicht richtig und kunſtmaͤßig gezeichnet waren.

„Man ſieht, ſagte Goethe, der junge Mann hat
Talent; allein daß er alles von ſelbſt gelernt hat, de߬
wegen ſoll man ihn nicht loben, ſondern ſchelten. Ein
Talent wird nicht geboren, um ſich ſelbſt uͤberlaſſen zu
bleiben, ſondern ſich zur Kunſt und guten Meiſtern zu
wenden, die denn etwas aus ihm machen. Ich habe
dieſer Tage einen Brief von Mozart geleſen, wo er
einem Baron, der ihm Compoſitionen zugeſendet hatte,
etwa Folgendes ſchreibt: „Euch Dilettanten muß man
ſchelten, denn es finden bey Euch gewoͤhnlich zwey
Dinge Statt: entweder Ihr habt keine eigene Gedan¬
ken und da nehmet Ihr fremde; oder wenn Ihr eigene
Gedanken habt, ſo wißt Ihr nicht damit umzugehen.“
Iſt das nicht himmliſch? und gilt dieſes große Wort,
was Mozart von der Muſik ſagt, nicht von allen uͤbrigen
Kuͤnſten?“

Goethe fuhr fort: „Lenardo da Vinci ſagt: Wenn
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[261/0281] Mittwoch den 13. December 1826. Über Tiſch lobten die Frauen ein Portrait eines jungen Malers. Und was bewundernswuͤrdig iſt, fuͤg¬ ten ſie hinzu, er hat alles von ſelbſt gelernt. Dieſes merkte man denn auch beſonders an den Haͤnden, die nicht richtig und kunſtmaͤßig gezeichnet waren. „Man ſieht, ſagte Goethe, der junge Mann hat Talent; allein daß er alles von ſelbſt gelernt hat, de߬ wegen ſoll man ihn nicht loben, ſondern ſchelten. Ein Talent wird nicht geboren, um ſich ſelbſt uͤberlaſſen zu bleiben, ſondern ſich zur Kunſt und guten Meiſtern zu wenden, die denn etwas aus ihm machen. Ich habe dieſer Tage einen Brief von Mozart geleſen, wo er einem Baron, der ihm Compoſitionen zugeſendet hatte, etwa Folgendes ſchreibt: „Euch Dilettanten muß man ſchelten, denn es finden bey Euch gewoͤhnlich zwey Dinge Statt: entweder Ihr habt keine eigene Gedan¬ ken und da nehmet Ihr fremde; oder wenn Ihr eigene Gedanken habt, ſo wißt Ihr nicht damit umzugehen.“ Iſt das nicht himmliſch? und gilt dieſes große Wort, was Mozart von der Muſik ſagt, nicht von allen uͤbrigen Kuͤnſten?“ Goethe fuhr fort: „Lenardo da Vinci ſagt: Wenn in euerm Sohn nicht der Sinn ſteckt, dasjenige, was

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/281>, abgerufen am 21.11.2024.