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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Boges lächelte vergnüglich und sagte, sich die Hände
reibend: "Schon als Kind hab' ich kein schöneres Ver-
gnügen gekannt, als einem an der Angel zappelnden Fisch-
lein zuzusehen; jetzt hängst Du, der schönste aller Gold-
karpfen, an meinem Seile; darum kann ich Dich nicht
eher loslassen, als bis ich mich sattsam an Deiner Unge-
duld geweidet habe."

Phädyme stampfte abermals mit den Füßen und ge-
berdete sich, wie ein ungezogenes Kind. Dem Eunuchen
schien dieß Betragen große Freude zu machen, denn er rieb
sich immer lustiger die Hände, lachte, daß ihm helle Thrä-
nen über die fleischigen Wangen liefen, und leerte viele
Becher Weins auf das Wohl der gefolterten Schönen, ehe
er also zu erzählen begann: "Es war mir nicht ent-
gangen, daß Kambyses seinen Bruder Bartja, der die
Aegypterin hierher gebracht hatte, aus Eifersucht und kei-
nem andern Grunde gegen die Tapuren schickte. -- Das
hochmüthige Weib, dem ich nichts zu befehlen haben sollte,
schien mir aber so wenig nach dem schönen Blondkopfe zu
fragen, wie ein Jude nach Schweinefleisch, oder ein Aegyp-
ter nach weißen Bohnen 113). Dennoch beschloß ich die
Eifersucht des Königs zu nähren und vermittelst derselben
die Unverschämte, der es zu gelingen schien, uns Beide
aus der Gunst des Herrschers zu verdrängen, unschädlich
zu machen. Lange suchte ich vergeblich nach einem taug-
lichen Plane.

"Als endlich das Neujahrsfest kam *), versammelten sich
alle Priester des Reichs zu Babylon. Acht Tage lang
war die Stadt voller Jubel, Schmausereien und Gelage.
Auch am Hofe ging es hoch her, und ich hatte wenig Zeit,

*) Jm März, bei der Frühlings Tag- und Nachtgleiche.

Boges lächelte vergnüglich und ſagte, ſich die Hände
reibend: „Schon als Kind hab’ ich kein ſchöneres Ver-
gnügen gekannt, als einem an der Angel zappelnden Fiſch-
lein zuzuſehen; jetzt hängſt Du, der ſchönſte aller Gold-
karpfen, an meinem Seile; darum kann ich Dich nicht
eher loslaſſen, als bis ich mich ſattſam an Deiner Unge-
duld geweidet habe.“

Phädyme ſtampfte abermals mit den Füßen und ge-
berdete ſich, wie ein ungezogenes Kind. Dem Eunuchen
ſchien dieß Betragen große Freude zu machen, denn er rieb
ſich immer luſtiger die Hände, lachte, daß ihm helle Thrä-
nen über die fleiſchigen Wangen liefen, und leerte viele
Becher Weins auf das Wohl der gefolterten Schönen, ehe
er alſo zu erzählen begann: „Es war mir nicht ent-
gangen, daß Kambyſes ſeinen Bruder Bartja, der die
Aegypterin hierher gebracht hatte, aus Eiferſucht und kei-
nem andern Grunde gegen die Tapuren ſchickte. — Das
hochmüthige Weib, dem ich nichts zu befehlen haben ſollte,
ſchien mir aber ſo wenig nach dem ſchönen Blondkopfe zu
fragen, wie ein Jude nach Schweinefleiſch, oder ein Aegyp-
ter nach weißen Bohnen 113). Dennoch beſchloß ich die
Eiferſucht des Königs zu nähren und vermittelſt derſelben
die Unverſchämte, der es zu gelingen ſchien, uns Beide
aus der Gunſt des Herrſchers zu verdrängen, unſchädlich
zu machen. Lange ſuchte ich vergeblich nach einem taug-
lichen Plane.

„Als endlich das Neujahrsfeſt kam *), verſammelten ſich
alle Prieſter des Reichs zu Babylon. Acht Tage lang
war die Stadt voller Jubel, Schmauſereien und Gelage.
Auch am Hofe ging es hoch her, und ich hatte wenig Zeit,

*) Jm März, bei der Frühlings Tag- und Nachtgleiche.
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[192/0194] Boges lächelte vergnüglich und ſagte, ſich die Hände reibend: „Schon als Kind hab’ ich kein ſchöneres Ver- gnügen gekannt, als einem an der Angel zappelnden Fiſch- lein zuzuſehen; jetzt hängſt Du, der ſchönſte aller Gold- karpfen, an meinem Seile; darum kann ich Dich nicht eher loslaſſen, als bis ich mich ſattſam an Deiner Unge- duld geweidet habe.“ Phädyme ſtampfte abermals mit den Füßen und ge- berdete ſich, wie ein ungezogenes Kind. Dem Eunuchen ſchien dieß Betragen große Freude zu machen, denn er rieb ſich immer luſtiger die Hände, lachte, daß ihm helle Thrä- nen über die fleiſchigen Wangen liefen, und leerte viele Becher Weins auf das Wohl der gefolterten Schönen, ehe er alſo zu erzählen begann: „Es war mir nicht ent- gangen, daß Kambyſes ſeinen Bruder Bartja, der die Aegypterin hierher gebracht hatte, aus Eiferſucht und kei- nem andern Grunde gegen die Tapuren ſchickte. — Das hochmüthige Weib, dem ich nichts zu befehlen haben ſollte, ſchien mir aber ſo wenig nach dem ſchönen Blondkopfe zu fragen, wie ein Jude nach Schweinefleiſch, oder ein Aegyp- ter nach weißen Bohnen 113). Dennoch beſchloß ich die Eiferſucht des Königs zu nähren und vermittelſt derſelben die Unverſchämte, der es zu gelingen ſchien, uns Beide aus der Gunſt des Herrſchers zu verdrängen, unſchädlich zu machen. Lange ſuchte ich vergeblich nach einem taug- lichen Plane. „Als endlich das Neujahrsfeſt kam *), verſammelten ſich alle Prieſter des Reichs zu Babylon. Acht Tage lang war die Stadt voller Jubel, Schmauſereien und Gelage. Auch am Hofe ging es hoch her, und ich hatte wenig Zeit, *) Jm März, bei der Frühlings Tag- und Nachtgleiche.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/194>, abgerufen am 26.04.2024.