Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Kapitel.


Die unschuldige Urheberin all' dieser traurigen Ver-
wicklungen, Nitetis, hatte seit dem Geburtstagsfeste des
Königs unendlich traurige Stunden verlebt. Seit jenen
harten Worten, mit denen Kambyses das arme Weib aus
der Halle gewiesen, nachdem ihr unerklärliches Benehmen
seine Eifersucht erweckt hatte, war nicht die geringste Kunde,
weder von ihrem zornigen Geliebten, noch von der Mutter
und Schwester desselben zu ihr gelangt. Jeder Tag hatte
sie seit ihrer Anwesenheit in Babylon mit Kassandane und
Atossa vereint. Als sie sich zu denselben tragen lassen
wollte, um ihnen ihr sonderbares Benehmen zu erklären,
verbot ihr Kandaulos, ihr neuer Wächter, in kurzen Wor-
ten, das Haus zu verlassen. Bis dahin glaubte sie, eine
freimüthige Erzählung dessen, was sie dem letzten Brief'
aus ihrer Heimat entnommen, werde all' diese Mißverständ-
nisse aufklären. Jn Gedanken sah sie schon Kambyses, seine
Heftigkeit und seine thörichte Eifersucht bereuend, ihr die
Hand, um Vergebung bittend, entgegenstrecken. Endlich zog
eine gewisse Freudigkeit in ihre Seele, als sie eines Wortes
gedachte, das sie einst aus dem Munde des Jbykos ver-
nommen hatte: "Wie ein starker Mann heftiger als ein

Achtes Kapitel.


Die unſchuldige Urheberin all’ dieſer traurigen Ver-
wicklungen, Nitetis, hatte ſeit dem Geburtstagsfeſte des
Königs unendlich traurige Stunden verlebt. Seit jenen
harten Worten, mit denen Kambyſes das arme Weib aus
der Halle gewieſen, nachdem ihr unerklärliches Benehmen
ſeine Eiferſucht erweckt hatte, war nicht die geringſte Kunde,
weder von ihrem zornigen Geliebten, noch von der Mutter
und Schweſter deſſelben zu ihr gelangt. Jeder Tag hatte
ſie ſeit ihrer Anweſenheit in Babylon mit Kaſſandane und
Atoſſa vereint. Als ſie ſich zu denſelben tragen laſſen
wollte, um ihnen ihr ſonderbares Benehmen zu erklären,
verbot ihr Kandaulos, ihr neuer Wächter, in kurzen Wor-
ten, das Haus zu verlaſſen. Bis dahin glaubte ſie, eine
freimüthige Erzählung deſſen, was ſie dem letzten Brief’
aus ihrer Heimat entnommen, werde all’ dieſe Mißverſtänd-
niſſe aufklären. Jn Gedanken ſah ſie ſchon Kambyſes, ſeine
Heftigkeit und ſeine thörichte Eiferſucht bereuend, ihr die
Hand, um Vergebung bittend, entgegenſtrecken. Endlich zog
eine gewiſſe Freudigkeit in ihre Seele, als ſie eines Wortes
gedachte, das ſie einſt aus dem Munde des Jbykos ver-
nommen hatte: „Wie ein ſtarker Mann heftiger als ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0182" n="[180]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Achtes Kapitel.</hi> </hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie un&#x017F;chuldige Urheberin all&#x2019; die&#x017F;er traurigen Ver-<lb/>
wicklungen, Nitetis, hatte &#x017F;eit dem Geburtstagsfe&#x017F;te des<lb/>
Königs unendlich traurige Stunden verlebt. Seit jenen<lb/>
harten Worten, mit denen Kamby&#x017F;es das arme Weib aus<lb/>
der Halle gewie&#x017F;en, nachdem ihr unerklärliches Benehmen<lb/>
&#x017F;eine Eifer&#x017F;ucht erweckt hatte, war nicht die gering&#x017F;te Kunde,<lb/>
weder von ihrem zornigen Geliebten, noch von der Mutter<lb/>
und Schwe&#x017F;ter de&#x017F;&#x017F;elben zu ihr gelangt. Jeder Tag hatte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;eit ihrer Anwe&#x017F;enheit in Babylon mit Ka&#x017F;&#x017F;andane und<lb/>
Ato&#x017F;&#x017F;a vereint. Als &#x017F;ie &#x017F;ich zu den&#x017F;elben tragen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wollte, um ihnen ihr &#x017F;onderbares Benehmen zu erklären,<lb/>
verbot ihr Kandaulos, ihr neuer Wächter, in kurzen Wor-<lb/>
ten, das Haus zu verla&#x017F;&#x017F;en. Bis dahin glaubte &#x017F;ie, eine<lb/>
freimüthige Erzählung de&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie dem letzten Brief&#x2019;<lb/>
aus ihrer Heimat entnommen, werde all&#x2019; die&#x017F;e Mißver&#x017F;tänd-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e aufklären. Jn Gedanken &#x017F;ah &#x017F;ie &#x017F;chon Kamby&#x017F;es, &#x017F;eine<lb/>
Heftigkeit und &#x017F;eine thörichte Eifer&#x017F;ucht bereuend, ihr die<lb/>
Hand, um Vergebung bittend, entgegen&#x017F;trecken. Endlich zog<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Freudigkeit in ihre Seele, als &#x017F;ie eines Wortes<lb/>
gedachte, das &#x017F;ie ein&#x017F;t aus dem Munde des Jbykos ver-<lb/>
nommen hatte: &#x201E;Wie ein &#x017F;tarker Mann heftiger als ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[180]/0182] Achtes Kapitel. Die unſchuldige Urheberin all’ dieſer traurigen Ver- wicklungen, Nitetis, hatte ſeit dem Geburtstagsfeſte des Königs unendlich traurige Stunden verlebt. Seit jenen harten Worten, mit denen Kambyſes das arme Weib aus der Halle gewieſen, nachdem ihr unerklärliches Benehmen ſeine Eiferſucht erweckt hatte, war nicht die geringſte Kunde, weder von ihrem zornigen Geliebten, noch von der Mutter und Schweſter deſſelben zu ihr gelangt. Jeder Tag hatte ſie ſeit ihrer Anweſenheit in Babylon mit Kaſſandane und Atoſſa vereint. Als ſie ſich zu denſelben tragen laſſen wollte, um ihnen ihr ſonderbares Benehmen zu erklären, verbot ihr Kandaulos, ihr neuer Wächter, in kurzen Wor- ten, das Haus zu verlaſſen. Bis dahin glaubte ſie, eine freimüthige Erzählung deſſen, was ſie dem letzten Brief’ aus ihrer Heimat entnommen, werde all’ dieſe Mißverſtänd- niſſe aufklären. Jn Gedanken ſah ſie ſchon Kambyſes, ſeine Heftigkeit und ſeine thörichte Eiferſucht bereuend, ihr die Hand, um Vergebung bittend, entgegenſtrecken. Endlich zog eine gewiſſe Freudigkeit in ihre Seele, als ſie eines Wortes gedachte, das ſie einſt aus dem Munde des Jbykos ver- nommen hatte: „Wie ein ſtarker Mann heftiger als ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/182
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. [180]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/182>, abgerufen am 26.04.2024.