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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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drückte ihm, sein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand,
indem er sagte: "Es thut mir leid, daß ich bei Deiner
Hochzeit abwesend sein werde. Wenn ich wiederkomme, so
hoff' ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgesöhnt
zu finden."

"Vielleicht," antwortete Darius bitter lächelnd, "kann
ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau
zeigen."

"Das mag Anahita *) geben!" rief Zopyros. "Die
Achämeniden würden bald aussterben, wenn alle handeln
wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib,
Bartja, ist auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht,
schon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen
auf einmal heimzuführen."

"Jch hasse unsere Sitte, viele Frauen zu nehmen,"
rief Bartja. "Wir stellen uns durch dieselbe unter die
Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang
treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles
gehn sollte, heute Dieser, morgen Jener unverbrüchliche
Liebe schwören!"

"Bah!" rief Zopyros. "Jch möchte lieber meine
Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unsere Frauen
sind aber so trügerische Geschöpfe, daß man ihnen mit
gleicher Münze zahlen muß."

"Die Helleninnen sind von andrer Art, weil ihnen
anders begegnet wird," erwiederte Bartja. "Sappho er-
zählte mir von einer griechischen Frau; sie hieß, wie ich
glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr' in Liebe, Geduld
und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem

*) Siehe Anmerkung 37 des II. Theils.

drückte ihm, ſein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand,
indem er ſagte: „Es thut mir leid, daß ich bei Deiner
Hochzeit abweſend ſein werde. Wenn ich wiederkomme, ſo
hoff’ ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgeſöhnt
zu finden.“

„Vielleicht,“ antwortete Darius bitter lächelnd, „kann
ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau
zeigen.“

„Das mag Anahita *) geben!“ rief Zopyros. „Die
Achämeniden würden bald ausſterben, wenn alle handeln
wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib,
Bartja, iſt auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht,
ſchon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen
auf einmal heimzuführen.“

„Jch haſſe unſere Sitte, viele Frauen zu nehmen,“
rief Bartja. „Wir ſtellen uns durch dieſelbe unter die
Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang
treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles
gehn ſollte, heute Dieſer, morgen Jener unverbrüchliche
Liebe ſchwören!“

„Bah!“ rief Zopyros. „Jch möchte lieber meine
Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unſere Frauen
ſind aber ſo trügeriſche Geſchöpfe, daß man ihnen mit
gleicher Münze zahlen muß.“

„Die Helleninnen ſind von andrer Art, weil ihnen
anders begegnet wird,“ erwiederte Bartja. „Sappho er-
zählte mir von einer griechiſchen Frau; ſie hieß, wie ich
glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr’ in Liebe, Geduld
und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem

*) Siehe Anmerkung 37 des II. Theils.
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[143/0145] drückte ihm, ſein eignes Glück doppelt fühlend, die Hand, indem er ſagte: „Es thut mir leid, daß ich bei Deiner Hochzeit abweſend ſein werde. Wenn ich wiederkomme, ſo hoff’ ich Dich mit der Wahl Deines Vaters ausgeſöhnt zu finden.“ „Vielleicht,“ antwortete Darius bitter lächelnd, „kann ich Dir bei Deiner Rückkehr eine zweite und dritte Frau zeigen.“ „Das mag Anahita *) geben!“ rief Zopyros. „Die Achämeniden würden bald ausſterben, wenn alle handeln wollten wie Araspes und Gyges. Dein einziges Weib, Bartja, iſt auch nichts Rechtes! Es wäre Deine Pflicht, ſchon um den Stamm des Kyros zu erhalten, drei Frauen auf einmal heimzuführen.“ „Jch haſſe unſere Sitte, viele Frauen zu nehmen,“ rief Bartja. „Wir ſtellen uns durch dieſelbe unter die Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles gehn ſollte, heute Dieſer, morgen Jener unverbrüchliche Liebe ſchwören!“ „Bah!“ rief Zopyros. „Jch möchte lieber meine Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unſere Frauen ſind aber ſo trügeriſche Geſchöpfe, daß man ihnen mit gleicher Münze zahlen muß.“ „Die Helleninnen ſind von andrer Art, weil ihnen anders begegnet wird,“ erwiederte Bartja. „Sappho er- zählte mir von einer griechiſchen Frau; ſie hieß, wie ich glaube, Penelope, welche zwanzig Jahr’ in Liebe, Geduld und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem *) Siehe Anmerkung 37 des II. Theils.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/145>, abgerufen am 26.04.2024.