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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Sollte er sie in Schmach und Schande nach Aegypten
zurückschicken? O nein! Sie liebte ja ihre Heimat und
würde dort von ihren Eltern mit offenen Armen empfan-
gen worden sein. Sollt' er, nachdem sie ihre Schuld gestan-
den (denn das Geständniß zu erzwingen, war er fest ent-
schlossen), die Treulose in einen einsamen Kerker verschlie-
ßen oder sie, als Dienerin seiner Kebsweiber, dem Boges
übergeben?

Das war das Rechte! So wollt' er die Treulose
strafen, so wollt' er die Heuchlerin, welche sich erlaubt
hatte, mit ihm, dem Allmächtigen, ein frevelhaftes Spiel
zu treiben, züchtigen und büßen lassen.

Dann sagte er sich: "Bartja muß fort von hier, denn
Feuer und Wasser kommen eher zusammen, als dieses
Glückskind und ich beklagenswerther Mann. Seine Nach-
kommen werden sich einst in meine Schätze theilen und
diese Krone tragen; aber noch bin ich König und will
beweisen, daß ich's bin!"

Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erinnerung an seine
stolze, allmächtige Größe. Aus seinen Träumen zu neuem
Leben emporgerissen, warf er in wilder Leidenschaft seinen
goldnen Becher mitten in die Halle, so daß der Wein wie
Regenschauer auf seine Nachbarn niederspritzte und rief:
"Hört auf mit dem müßigen Geschwätz und unnützen Lärm!
Laßt uns, trunken wie wir sind, nach Perserart 93), Kriegs-
rath halten, und die Antwort bedenken, welche wir den
Massageten schulden. Dich, Hystaspes, als Aeltesten von
uns, frag' ich zuerst um Deine Meinung!"

Der greise Vater des Darius erwiederte: "Mir scheint
es, als wenn uns die Gesandten der Nomaden keine Wahl
gelassen hätten. Gegen menschenleere Steppen können wir
nicht zu Felde ziehen; weil aber unsre Heere einmal ge-

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. II. 9

Sollte er ſie in Schmach und Schande nach Aegypten
zurückſchicken? O nein! Sie liebte ja ihre Heimat und
würde dort von ihren Eltern mit offenen Armen empfan-
gen worden ſein. Sollt’ er, nachdem ſie ihre Schuld geſtan-
den (denn das Geſtändniß zu erzwingen, war er feſt ent-
ſchloſſen), die Treuloſe in einen einſamen Kerker verſchlie-
ßen oder ſie, als Dienerin ſeiner Kebsweiber, dem Boges
übergeben?

Das war das Rechte! So wollt’ er die Treuloſe
ſtrafen, ſo wollt’ er die Heuchlerin, welche ſich erlaubt
hatte, mit ihm, dem Allmächtigen, ein frevelhaftes Spiel
zu treiben, züchtigen und büßen laſſen.

Dann ſagte er ſich: „Bartja muß fort von hier, denn
Feuer und Waſſer kommen eher zuſammen, als dieſes
Glückskind und ich beklagenswerther Mann. Seine Nach-
kommen werden ſich einſt in meine Schätze theilen und
dieſe Krone tragen; aber noch bin ich König und will
beweiſen, daß ich’s bin!“

Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erinnerung an ſeine
ſtolze, allmächtige Größe. Aus ſeinen Träumen zu neuem
Leben emporgeriſſen, warf er in wilder Leidenſchaft ſeinen
goldnen Becher mitten in die Halle, ſo daß der Wein wie
Regenſchauer auf ſeine Nachbarn niederſpritzte und rief:
„Hört auf mit dem müßigen Geſchwätz und unnützen Lärm!
Laßt uns, trunken wie wir ſind, nach Perſerart 93), Kriegs-
rath halten, und die Antwort bedenken, welche wir den
Maſſageten ſchulden. Dich, Hyſtaspes, als Aelteſten von
uns, frag’ ich zuerſt um Deine Meinung!“

Der greiſe Vater des Darius erwiederte: „Mir ſcheint
es, als wenn uns die Geſandten der Nomaden keine Wahl
gelaſſen hätten. Gegen menſchenleere Steppen können wir
nicht zu Felde ziehen; weil aber unſre Heere einmal ge-

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. II. 9
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[129/0131] Sollte er ſie in Schmach und Schande nach Aegypten zurückſchicken? O nein! Sie liebte ja ihre Heimat und würde dort von ihren Eltern mit offenen Armen empfan- gen worden ſein. Sollt’ er, nachdem ſie ihre Schuld geſtan- den (denn das Geſtändniß zu erzwingen, war er feſt ent- ſchloſſen), die Treuloſe in einen einſamen Kerker verſchlie- ßen oder ſie, als Dienerin ſeiner Kebsweiber, dem Boges übergeben? Das war das Rechte! So wollt’ er die Treuloſe ſtrafen, ſo wollt’ er die Heuchlerin, welche ſich erlaubt hatte, mit ihm, dem Allmächtigen, ein frevelhaftes Spiel zu treiben, züchtigen und büßen laſſen. Dann ſagte er ſich: „Bartja muß fort von hier, denn Feuer und Waſſer kommen eher zuſammen, als dieſes Glückskind und ich beklagenswerther Mann. Seine Nach- kommen werden ſich einſt in meine Schätze theilen und dieſe Krone tragen; aber noch bin ich König und will beweiſen, daß ich’s bin!“ Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erinnerung an ſeine ſtolze, allmächtige Größe. Aus ſeinen Träumen zu neuem Leben emporgeriſſen, warf er in wilder Leidenſchaft ſeinen goldnen Becher mitten in die Halle, ſo daß der Wein wie Regenſchauer auf ſeine Nachbarn niederſpritzte und rief: „Hört auf mit dem müßigen Geſchwätz und unnützen Lärm! Laßt uns, trunken wie wir ſind, nach Perſerart 93), Kriegs- rath halten, und die Antwort bedenken, welche wir den Maſſageten ſchulden. Dich, Hyſtaspes, als Aelteſten von uns, frag’ ich zuerſt um Deine Meinung!“ Der greiſe Vater des Darius erwiederte: „Mir ſcheint es, als wenn uns die Geſandten der Nomaden keine Wahl gelaſſen hätten. Gegen menſchenleere Steppen können wir nicht zu Felde ziehen; weil aber unſre Heere einmal ge- Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. II. 9

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/131>, abgerufen am 26.04.2024.