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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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-- Nehmt diese Goldstateren zum Lohne für den erschwer-
ten Dienst und hört meinen Schwur beim Mithra, daß
ich des Nachlässigen oder Ungehorsamen nicht schonen
werde!"

Die Wächter verneigten sich und waren entschlossen
ihrem Vorgesetzten zu gehorchen, denn sie wußten, daß
derselbe nicht zu scherzen pflege, wenn er ernstlich drohte,
und ahnten, daß große Dinge zu erwarten seien, denn der
geizige Boges vertheilte seine Stateren nicht zum Spasse.

Dieselbe Sänfte, welche Nitetis getragen hatte, führte
den Eunuchen in die Festhalle zurück.

Die Gattinnen des Königs hatten sich entfernt; nur
die Kebsweiber standen noch auf dem ihnen angewiesenen
Platze und sangen, ungehört von den lärmenden Männern,
ihre einförmigen Lieder.

Die zechenden Gäste hatten längst des ohnmächtigen
Weibes vergessen. Jeder neue Becher steigerte das Toben
und Durcheinanderschreien der Trunkenen. -- Vergessen
schien die Erhabenheit des Ortes und die Gegenwart des
allmächtigen Herrschers.

Hier jauchzte ein Berauschter gellend auf in trunkner
Lust, dort umarmten sich zwei Krieger, deren Zärtlichkeit
der Wein erzeugt hatte, dort wurde ein schwerberauschter
Neuling von kräftigen Dienern aus der Halle getragen,
dort ergriff ein alter Trinker einen Krug statt des Bechers,
und leerte denselben unter dem Jubelgeschrei seiner Nach-
barn auf einen Zug.

An der Spitze der Tafel saß der König, bleich wie
der Tod, theilnahmlos in den Becher starrend. Sobald er
seines Bruders ansichtig wurde, ballten sich seine Fäuste.

Er vermied es, denselben anzureden, und ließ seine
Fragen unbeantwortet. Je länger er vor sich hinstarrte,

— Nehmt dieſe Goldſtateren zum Lohne für den erſchwer-
ten Dienſt und hört meinen Schwur beim Mithra, daß
ich des Nachläſſigen oder Ungehorſamen nicht ſchonen
werde!“

Die Wächter verneigten ſich und waren entſchloſſen
ihrem Vorgeſetzten zu gehorchen, denn ſie wußten, daß
derſelbe nicht zu ſcherzen pflege, wenn er ernſtlich drohte,
und ahnten, daß große Dinge zu erwarten ſeien, denn der
geizige Boges vertheilte ſeine Stateren nicht zum Spaſſe.

Dieſelbe Sänfte, welche Nitetis getragen hatte, führte
den Eunuchen in die Feſthalle zurück.

Die Gattinnen des Königs hatten ſich entfernt; nur
die Kebsweiber ſtanden noch auf dem ihnen angewieſenen
Platze und ſangen, ungehört von den lärmenden Männern,
ihre einförmigen Lieder.

Die zechenden Gäſte hatten längſt des ohnmächtigen
Weibes vergeſſen. Jeder neue Becher ſteigerte das Toben
und Durcheinanderſchreien der Trunkenen. — Vergeſſen
ſchien die Erhabenheit des Ortes und die Gegenwart des
allmächtigen Herrſchers.

Hier jauchzte ein Berauſchter gellend auf in trunkner
Luſt, dort umarmten ſich zwei Krieger, deren Zärtlichkeit
der Wein erzeugt hatte, dort wurde ein ſchwerberauſchter
Neuling von kräftigen Dienern aus der Halle getragen,
dort ergriff ein alter Trinker einen Krug ſtatt des Bechers,
und leerte denſelben unter dem Jubelgeſchrei ſeiner Nach-
barn auf einen Zug.

An der Spitze der Tafel ſaß der König, bleich wie
der Tod, theilnahmlos in den Becher ſtarrend. Sobald er
ſeines Bruders anſichtig wurde, ballten ſich ſeine Fäuſte.

Er vermied es, denſelben anzureden, und ließ ſeine
Fragen unbeantwortet. Je länger er vor ſich hinſtarrte,

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[127/0129] — Nehmt dieſe Goldſtateren zum Lohne für den erſchwer- ten Dienſt und hört meinen Schwur beim Mithra, daß ich des Nachläſſigen oder Ungehorſamen nicht ſchonen werde!“ Die Wächter verneigten ſich und waren entſchloſſen ihrem Vorgeſetzten zu gehorchen, denn ſie wußten, daß derſelbe nicht zu ſcherzen pflege, wenn er ernſtlich drohte, und ahnten, daß große Dinge zu erwarten ſeien, denn der geizige Boges vertheilte ſeine Stateren nicht zum Spaſſe. Dieſelbe Sänfte, welche Nitetis getragen hatte, führte den Eunuchen in die Feſthalle zurück. Die Gattinnen des Königs hatten ſich entfernt; nur die Kebsweiber ſtanden noch auf dem ihnen angewieſenen Platze und ſangen, ungehört von den lärmenden Männern, ihre einförmigen Lieder. Die zechenden Gäſte hatten längſt des ohnmächtigen Weibes vergeſſen. Jeder neue Becher ſteigerte das Toben und Durcheinanderſchreien der Trunkenen. — Vergeſſen ſchien die Erhabenheit des Ortes und die Gegenwart des allmächtigen Herrſchers. Hier jauchzte ein Berauſchter gellend auf in trunkner Luſt, dort umarmten ſich zwei Krieger, deren Zärtlichkeit der Wein erzeugt hatte, dort wurde ein ſchwerberauſchter Neuling von kräftigen Dienern aus der Halle getragen, dort ergriff ein alter Trinker einen Krug ſtatt des Bechers, und leerte denſelben unter dem Jubelgeſchrei ſeiner Nach- barn auf einen Zug. An der Spitze der Tafel ſaß der König, bleich wie der Tod, theilnahmlos in den Becher ſtarrend. Sobald er ſeines Bruders anſichtig wurde, ballten ſich ſeine Fäuſte. Er vermied es, denſelben anzureden, und ließ ſeine Fragen unbeantwortet. Je länger er vor ſich hinſtarrte,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/129>, abgerufen am 26.04.2024.