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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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scher nur im Schmuck zu erscheinen? Wahrlich, wäre heut'
ein andrer Tag, und achtete ich Dich nicht als die Tochter
unsrer liebsten Verwandten, so ließ' ich Dich von den
Eunuchen in den Harem zurückführen und Dich in der
Einsamkeit über das Ziemliche nachdenken!"

Diese Worte erleichterten die Aufgabe der Gedemü-
thigten. Laut und bitterlich weinend schaute sie zu dem
Zürnenden auf und hob ihre Blicke und Hände so flehent-
lich zu ihm empor, daß sich der Groll des Königs in Mit-
leid verwandelte, und er die Knieende aufhebend fragte:
"Hast Du eine Bitte auf dem Herzen?"

"Was sollte mir noch wünschenswerth erscheinen, seit-
dem mir meine Sonne ihr Licht entzieht?" lautete die
unter leisem Schluchzen gestammelte Antwort.

Kambyses zuckte die Achseln und fragte noch einmal:
"Wünschest Du Dir gar nichts? Jn früheren Tagen
konnte ich mit Geschenken Deine Thränen trocknen; fordre
denn auch heut einen goldenen Trost."

"Phädyme wünscht nichts mehr! Für wen bedürfte
sie auch des Schmucks, seitdem ihr König, ihr Gatte, das
Licht seines Auges von ihr wendet?"

"So kann ich Dir nicht helfen!" rief Kambyses, in-
dem er sich unwillig von der Knieenden abwandte.

Der Rath des Boges, daß sich Phädyme Weiß auf-
legen solle, war gut gewesen, denn unter der bleichen
Schminke glühten ihre Wangen vor Zorn und Scham. --
Trotzdem blieb sie Herrin ihrer Leidenschaft und folgte dem
Befehle des Eunuchen, indem sie sich tief und ehrerbietig
wie vor der Mutter des Königs vor Nitetis verneigte, und
ihre Thränen frei und offen unter den Augen aller Achä-
meniden fließen ließ.

Otanes und Jntaphernes verbissen nur mühsam den

ſcher nur im Schmuck zu erſcheinen? Wahrlich, wäre heut’
ein andrer Tag, und achtete ich Dich nicht als die Tochter
unſrer liebſten Verwandten, ſo ließ’ ich Dich von den
Eunuchen in den Harem zurückführen und Dich in der
Einſamkeit über das Ziemliche nachdenken!“

Dieſe Worte erleichterten die Aufgabe der Gedemü-
thigten. Laut und bitterlich weinend ſchaute ſie zu dem
Zürnenden auf und hob ihre Blicke und Hände ſo flehent-
lich zu ihm empor, daß ſich der Groll des Königs in Mit-
leid verwandelte, und er die Knieende aufhebend fragte:
„Haſt Du eine Bitte auf dem Herzen?“

„Was ſollte mir noch wünſchenswerth erſcheinen, ſeit-
dem mir meine Sonne ihr Licht entzieht?“ lautete die
unter leiſem Schluchzen geſtammelte Antwort.

Kambyſes zuckte die Achſeln und fragte noch einmal:
„Wünſcheſt Du Dir gar nichts? Jn früheren Tagen
konnte ich mit Geſchenken Deine Thränen trocknen; fordre
denn auch heut einen goldenen Troſt.“

„Phädyme wünſcht nichts mehr! Für wen bedürfte
ſie auch des Schmucks, ſeitdem ihr König, ihr Gatte, das
Licht ſeines Auges von ihr wendet?“

„So kann ich Dir nicht helfen!“ rief Kambyſes, in-
dem er ſich unwillig von der Knieenden abwandte.

Der Rath des Boges, daß ſich Phädyme Weiß auf-
legen ſolle, war gut geweſen, denn unter der bleichen
Schminke glühten ihre Wangen vor Zorn und Scham. —
Trotzdem blieb ſie Herrin ihrer Leidenſchaft und folgte dem
Befehle des Eunuchen, indem ſie ſich tief und ehrerbietig
wie vor der Mutter des Königs vor Nitetis verneigte, und
ihre Thränen frei und offen unter den Augen aller Achä-
meniden fließen ließ.

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[120/0122] ſcher nur im Schmuck zu erſcheinen? Wahrlich, wäre heut’ ein andrer Tag, und achtete ich Dich nicht als die Tochter unſrer liebſten Verwandten, ſo ließ’ ich Dich von den Eunuchen in den Harem zurückführen und Dich in der Einſamkeit über das Ziemliche nachdenken!“ Dieſe Worte erleichterten die Aufgabe der Gedemü- thigten. Laut und bitterlich weinend ſchaute ſie zu dem Zürnenden auf und hob ihre Blicke und Hände ſo flehent- lich zu ihm empor, daß ſich der Groll des Königs in Mit- leid verwandelte, und er die Knieende aufhebend fragte: „Haſt Du eine Bitte auf dem Herzen?“ „Was ſollte mir noch wünſchenswerth erſcheinen, ſeit- dem mir meine Sonne ihr Licht entzieht?“ lautete die unter leiſem Schluchzen geſtammelte Antwort. Kambyſes zuckte die Achſeln und fragte noch einmal: „Wünſcheſt Du Dir gar nichts? Jn früheren Tagen konnte ich mit Geſchenken Deine Thränen trocknen; fordre denn auch heut einen goldenen Troſt.“ „Phädyme wünſcht nichts mehr! Für wen bedürfte ſie auch des Schmucks, ſeitdem ihr König, ihr Gatte, das Licht ſeines Auges von ihr wendet?“ „So kann ich Dir nicht helfen!“ rief Kambyſes, in- dem er ſich unwillig von der Knieenden abwandte. Der Rath des Boges, daß ſich Phädyme Weiß auf- legen ſolle, war gut geweſen, denn unter der bleichen Schminke glühten ihre Wangen vor Zorn und Scham. — Trotzdem blieb ſie Herrin ihrer Leidenſchaft und folgte dem Befehle des Eunuchen, indem ſie ſich tief und ehrerbietig wie vor der Mutter des Königs vor Nitetis verneigte, und ihre Thränen frei und offen unter den Augen aller Achä- meniden fließen ließ. Otanes und Jntaphernes verbiſſen nur mühſam den

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/122>, abgerufen am 26.04.2024.