Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Die kurze Lebens-Zeit. Die kurze Lebens-Zeit. Das Leben ist sehr kurz, wenn man die Jahre zählt, Die unsers Schöpfers Schlus, zum weisen Ziel erwählt, Wie bald verschwinden nicht, die Schatten-gleichen Stunden, Die wenn man sie ermißt nur flüchtige Secunden! Noch kürzer aber wird die Zeit, wenn man erwegt, Wie sie in Lebenslauf mit uns zu gehen pflegt: Der Kindheit Jahre fliehn, da man im Traume lieget, Die Unempfindlichkeit uns stets zum Schlaf ein- wieget. Ein Theil geht also ab, da man nicht einmahl weiß, Warum man Odem schöpft, was unsers GOtts Geheis. Die Jugend kommt heran, da wir zuerst aufwa- chen, Jn etwas uns bemühn ein künfftig Glük zu machen, Die Zeit wird abgekürzt, durch Müßigkeit und Spiel, Durch kindisches Gewäsch, durch nichtiges Ge- wühl. Die Jahre kommen an, wo der Verstand gereiffet, Da man noch nichts gethan, und sie doch schon ge- häuffet, Da M 3
Die kurze Lebens-Zeit. Die kurze Lebens-Zeit. Das Leben iſt ſehr kurz, wenn man die Jahre zaͤhlt, Die unſers Schoͤpfers Schlus, zum weiſen Ziel erwaͤhlt, Wie bald verſchwinden nicht, die Schatten-gleichen Stunden, Die wenn man ſie ermißt nur fluͤchtige Secunden! Noch kuͤrzer aber wird die Zeit, wenn man erwegt, Wie ſie in Lebenslauf mit uns zu gehen pflegt: Der Kindheit Jahre fliehn, da man im Traume lieget, Die Unempfindlichkeit uns ſtets zum Schlaf ein- wieget. Ein Theil geht alſo ab, da man nicht einmahl weiß, Warum man Odem ſchoͤpft, was unſers GOtts Geheis. Die Jugend kommt heran, da wir zuerſt aufwa- chen, Jn etwas uns bemuͤhn ein kuͤnfftig Gluͤk zu machen, Die Zeit wird abgekuͤrzt, durch Muͤßigkeit und Spiel, Durch kindiſches Gewaͤſch, durch nichtiges Ge- wuͤhl. Die Jahre kommen an, wo der Verſtand gereiffet, Da man noch nichts gethan, und ſie doch ſchon ge- haͤuffet, Da M 3
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Die kurze Lebens-Zeit.
Die kurze Lebens-Zeit.
Das Leben iſt ſehr kurz, wenn man
die Jahre zaͤhlt,
Die unſers Schoͤpfers Schlus,
zum weiſen Ziel erwaͤhlt,
Wie bald verſchwinden nicht, die
Schatten-gleichen Stunden,
Die wenn man ſie ermißt nur fluͤchtige Secunden!
Noch kuͤrzer aber wird die Zeit, wenn man erwegt,
Wie ſie in Lebenslauf mit uns zu gehen pflegt:
Der Kindheit Jahre fliehn, da man im Traume
lieget,
Die Unempfindlichkeit uns ſtets zum Schlaf ein-
wieget.
Ein Theil geht alſo ab, da man nicht einmahl
weiß,
Warum man Odem ſchoͤpft, was unſers GOtts
Geheis.
Die Jugend kommt heran, da wir zuerſt aufwa-
chen,
Jn etwas uns bemuͤhn ein kuͤnfftig Gluͤk zu machen,
Die Zeit wird abgekuͤrzt, durch Muͤßigkeit und
Spiel,
Durch kindiſches Gewaͤſch, durch nichtiges Ge-
wuͤhl.
Die Jahre kommen an, wo der Verſtand gereiffet,
Da man noch nichts gethan, und ſie doch ſchon ge-
haͤuffet,
Da
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