Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Die Furcht. Die Furcht.
[Abbildung]
Die Furcht ist unser Plage-Geist, Drum sie des Lebens Kobold heist, Sie suchet uns mit eitlen Schatten, Jn dieser Welt stets abzumatten. Sie plagt von aussen unsre Sinnen, Sie quält das Herze stets von innen. Sie trüget uns mit leeren Schein, Wo nichts ist, soll doch etwas seyn. Sie zeigt uns durch der Augen-Fenster, Offt viele schwarze Nachtgespenster, Doch wenn man es beim Licht beschauet, So schwindet das, wofür uns grauet. Die Furcht betäubet das Gehör, Es dünkt uns offt ein grosses Heer, Sei hinter uns auf dunklen Wegen, Wenn sich nur Laubesblätter regen. Sie macht bei einer schwarzen Stille, Ein klein Gethön zum gros Gebrülle. Bei einem angestekten Licht, Verschwindet gleich ein Schrekgesicht, Die Poltergeister, die uns plagen, Kan Sonn und Tag gar bald verjagen, Mir deucht es wird die Furcht verrauchen, Wenn wir das Licht der Warheit brauchen. An- G 2
Die Furcht. Die Furcht.
[Abbildung]
Die Furcht iſt unſer Plage-Geiſt, Drum ſie des Lebens Kobold heiſt, Sie ſuchet uns mit eitlen Schatten, Jn dieſer Welt ſtets abzumatten. Sie plagt von auſſen unſre Sinnen, Sie quaͤlt das Herze ſtets von innen. Sie truͤget uns mit leeren Schein, Wo nichts iſt, ſoll doch etwas ſeyn. Sie zeigt uns durch der Augen-Fenſter, Offt viele ſchwarze Nachtgeſpenſter, Doch wenn man es beim Licht beſchauet, So ſchwindet das, wofuͤr uns grauet. Die Furcht betaͤubet das Gehoͤr, Es duͤnkt uns offt ein groſſes Heer, Sei hinter uns auf dunklen Wegen, Wenn ſich nur Laubesblaͤtter regen. Sie macht bei einer ſchwarzen Stille, Ein klein Gethoͤn zum gros Gebruͤlle. Bei einem angeſtekten Licht, Verſchwindet gleich ein Schrekgeſicht, Die Poltergeiſter, die uns plagen, Kan Sonn und Tag gar bald verjagen, Mir deucht es wird die Furcht verrauchen, Wenn wir das Licht der Warheit brauchen. An- G 2
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0111" n="99"/> <fw place="top" type="header">Die Furcht.</fw><lb/> <div n="1"> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Furcht.</hi> </hi> </head><lb/> <lg n="1"> <figure/> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Furcht iſt unſer Plage-Geiſt,</l><lb/> <l>Drum ſie des Lebens Kobold heiſt,</l><lb/> <l>Sie ſuchet uns mit eitlen Schatten,</l><lb/> <l>Jn dieſer Welt ſtets abzumatten.</l><lb/> <l>Sie plagt von auſſen unſre Sinnen,</l><lb/> <l>Sie quaͤlt das Herze ſtets von innen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l><hi rendition="#in">S</hi>ie truͤget uns mit leeren Schein,</l><lb/> <l>Wo nichts iſt, ſoll doch etwas ſeyn.</l><lb/> <l>Sie zeigt uns durch der Augen-Fenſter,</l><lb/> <l>Offt viele ſchwarze Nachtgeſpenſter,</l><lb/> <l>Doch wenn man es beim Licht beſchauet,</l><lb/> <l>So ſchwindet das, wofuͤr uns grauet.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Furcht betaͤubet das Gehoͤr,</l><lb/> <l>Es duͤnkt uns offt ein groſſes Heer,</l><lb/> <l>Sei hinter uns auf dunklen Wegen,</l><lb/> <l>Wenn ſich nur Laubesblaͤtter regen.</l><lb/> <l>Sie macht bei einer ſchwarzen Stille,</l><lb/> <l>Ein klein Gethoͤn zum gros Gebruͤlle.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l><hi rendition="#in">B</hi>ei einem angeſtekten Licht,</l><lb/> <l>Verſchwindet gleich ein Schrekgeſicht,</l><lb/> <l>Die Poltergeiſter, die uns plagen,</l><lb/> <l>Kan Sonn und Tag gar bald verjagen,</l><lb/> <l>Mir deucht es wird die Furcht verrauchen,</l><lb/> <l>Wenn wir das Licht der Warheit brauchen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [99/0111]
Die Furcht.
Die Furcht.
[Abbildung]
Die Furcht iſt unſer Plage-Geiſt,
Drum ſie des Lebens Kobold heiſt,
Sie ſuchet uns mit eitlen Schatten,
Jn dieſer Welt ſtets abzumatten.
Sie plagt von auſſen unſre Sinnen,
Sie quaͤlt das Herze ſtets von innen.
Sie truͤget uns mit leeren Schein,
Wo nichts iſt, ſoll doch etwas ſeyn.
Sie zeigt uns durch der Augen-Fenſter,
Offt viele ſchwarze Nachtgeſpenſter,
Doch wenn man es beim Licht beſchauet,
So ſchwindet das, wofuͤr uns grauet.
Die Furcht betaͤubet das Gehoͤr,
Es duͤnkt uns offt ein groſſes Heer,
Sei hinter uns auf dunklen Wegen,
Wenn ſich nur Laubesblaͤtter regen.
Sie macht bei einer ſchwarzen Stille,
Ein klein Gethoͤn zum gros Gebruͤlle.
Bei einem angeſtekten Licht,
Verſchwindet gleich ein Schrekgeſicht,
Die Poltergeiſter, die uns plagen,
Kan Sonn und Tag gar bald verjagen,
Mir deucht es wird die Furcht verrauchen,
Wenn wir das Licht der Warheit brauchen.
An-
G 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/111 |
Zitationshilfe: | Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/111>, abgerufen am 20.07.2024. |