Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Der Mensch. Hie bleibet ihr verstummt, und sagt ihr mir was vor,So müst ihr selbst gestehn ein Weiser werd ein Thor, Wenn er durch die Vernunft die Dinge will ergründen Die kein geschärfter Witz vermögend zu erfinden. Was ist also ein Mensch? Er ist ein Erdenklos, Von einer Seite klein, von einer Seite gros Er ist die Kreatur die GOttes Macht beseelet Aus einen Geist und Leib vereinigt und vermählet, Der sich aus eigner Schuld zum Elends-Stand ge- bracht, Da ihn des Schöpfers Gunst glükselig gnug gemacht Jndem er Freiheit wünscht, liebt er den Sclaven Orden Denn gänzlich frei zu sein ist er ein Knecht geworden Der untern Joche liegt, das er sich aufgelegt Und mit verfluchter Lust bald gern bald ungern trägt Wer ihn davon befreit und was das vor ein Wesen, Das kan der wer da will, im besten Buche lesen. Nochmahlige Betrachtung Ueber die Tulpen. zum Ruhm des Schöpfers.
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Schönste Tulpen! meine Sinnen, Sehen euch als Königinnen, Aller schönen Blumen an, Dran ein Andachts voll Gemüthe GOttes Weisheit, Macht und Güte, Allenthalben lesen kann: Könt ich euren Herrligkeiten, Nur ein würdig Lied bereiten. Früh-
Der Menſch. Hie bleibet ihr verſtummt, und ſagt ihr mir was vor,So muͤſt ihr ſelbſt geſtehn ein Weiſer werd ein Thor, Wenn er durch die Vernunft die Dinge will ergruͤnden Die kein geſchaͤrfter Witz vermoͤgend zu erfinden. Was iſt alſo ein Menſch? Er iſt ein Erdenklos, Von einer Seite klein, von einer Seite gros Er iſt die Kreatur die GOttes Macht beſeelet Aus einen Geiſt und Leib vereinigt und vermaͤhlet, Der ſich aus eigner Schuld zum Elends-Stand ge- bracht, Da ihn des Schoͤpfers Gunſt gluͤkſelig gnug gemacht Jndem er Freiheit wuͤnſcht, liebt er den Sclaven Orden Denn gaͤnzlich frei zu ſein iſt er ein Knecht geworden Der untern Joche liegt, das er ſich aufgelegt Und mit verfluchter Luſt bald gern bald ungern traͤgt Wer ihn davon befreit und was das vor ein Weſen, Das kan der wer da will, im beſten Buche leſen. Nochmahlige Betrachtung Ueber die Tulpen. zum Ruhm des Schoͤpfers.
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Schoͤnſte Tulpen! meine Sinnen, Sehen euch als Koͤniginnen, Aller ſchoͤnen Blumen an, Dran ein Andachts voll Gemuͤthe GOttes Weisheit, Macht und Guͤte, Allenthalben leſen kann: Koͤnt ich euren Herrligkeiten, Nur ein wuͤrdig Lied bereiten. Fruͤh-
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Der Menſch.
Hie bleibet ihr verſtummt, und ſagt ihr mir was vor,
So muͤſt ihr ſelbſt geſtehn ein Weiſer werd ein Thor,
Wenn er durch die Vernunft die Dinge will ergruͤnden
Die kein geſchaͤrfter Witz vermoͤgend zu erfinden.
Was iſt alſo ein Menſch? Er iſt ein Erdenklos,
Von einer Seite klein, von einer Seite gros
Er iſt die Kreatur die GOttes Macht beſeelet
Aus einen Geiſt und Leib vereinigt und vermaͤhlet,
Der ſich aus eigner Schuld zum Elends-Stand ge-
bracht,
Da ihn des Schoͤpfers Gunſt gluͤkſelig gnug gemacht
Jndem er Freiheit wuͤnſcht, liebt er den Sclaven Orden
Denn gaͤnzlich frei zu ſein iſt er ein Knecht geworden
Der untern Joche liegt, das er ſich aufgelegt
Und mit verfluchter Luſt bald gern bald ungern traͤgt
Wer ihn davon befreit und was das vor ein Weſen,
Das kan der wer da will, im beſten Buche leſen.
Nochmahlige Betrachtung
Ueber die Tulpen.
zum Ruhm des Schoͤpfers.
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Schoͤnſte Tulpen! meine Sinnen,
Sehen euch als Koͤniginnen,
Aller ſchoͤnen Blumen an,
Dran ein Andachts voll Gemuͤthe
GOttes Weisheit, Macht und Guͤte,
Allenthalben leſen kann:
Koͤnt ich euren Herrligkeiten,
Nur ein wuͤrdig Lied bereiten.
Fruͤh-
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