Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Eine Uhr im Todtenkopfe. Eine Uhr im Todtenkopfe. Ein Mensch der plözlich starb, von jähen Schlag gerührt, Ward neulich unvermerkt, aus dieser Zeit entführt; Jndem er eine Uhr ins Nachbars Haus getragen Must seine Lebens-Uhr die lezte Stunde schlagen. Jndem er jenes Werk, hatt in den Gang gebracht, Ward seine Lebens-Uhr ihm selbst zu nicht gemacht: Ein ängstlich banges Weh durchkroch die schlaffen Glieder, Er sang, als wie entseelt, auf einen Sessel nieder. Man rief mich zu ihn hin, als Lehrer beizustehn, Die Augen sahen starr; doch konnt er nicht mehr sehn; Sein Geist erhohlte sich, doch in sehr wenig Stun- den, War Sprache, Othem, Geist, gleich wiederum verschwunden. O! plözlich schneller Todt! dacht ich in meinen Sin, Wer also selig stirbt, dem ist er ein Gewin: Wer aber an das End, nie eh es kömmt, gedenket, Dem ist er solch ein Weh, das ihm auf ewig krän- ket. Man sagte mir hernach, ein schönes Sinnenbild, Daß dieser Selige, der seine Tag erfüllt, Zu Todts-Erinnerung, in seines Lebens Tagen, Als eine Taschen-Uhr, bei sich umher getragen. Sie war also gemacht, daß dieses Räderwerk, Jm Todtenkopf verstekt. O! schönes Augenmerk Wolt
Eine Uhr im Todtenkopfe. Eine Uhr im Todtenkopfe. Ein Menſch der ploͤzlich ſtarb, von jaͤhen Schlag geruͤhrt, Ward neulich unvermerkt, aus dieſer Zeit entfuͤhrt; Jndem er eine Uhr ins Nachbars Haus getragen Muſt ſeine Lebens-Uhr die lezte Stunde ſchlagen. Jndem er jenes Werk, hatt in den Gang gebracht, Ward ſeine Lebens-Uhr ihm ſelbſt zu nicht gemacht: Ein aͤngſtlich banges Weh durchkroch die ſchlaffen Glieder, Er ſang, als wie entſeelt, auf einen Seſſel nieder. Man rief mich zu ihn hin, als Lehrer beizuſtehn, Die Augen ſahen ſtarr; doch konnt er nicht mehr ſehn; Sein Geiſt erhohlte ſich, doch in ſehr wenig Stun- den, War Sprache, Othem, Geiſt, gleich wiederum verſchwunden. O! ploͤzlich ſchneller Todt! dacht ich in meinen Sin, Wer alſo ſelig ſtirbt, dem iſt er ein Gewin: Wer aber an das End, nie eh es koͤmmt, gedenket, Dem iſt er ſolch ein Weh, das ihm auf ewig kraͤn- ket. Man ſagte mir hernach, ein ſchoͤnes Sinnenbild, Daß dieſer Selige, der ſeine Tag erfuͤllt, Zu Todts-Erinnerung, in ſeines Lebens Tagen, Als eine Taſchen-Uhr, bei ſich umher getragen. Sie war alſo gemacht, daß dieſes Raͤderwerk, Jm Todtenkopf verſtekt. O! ſchoͤnes Augenmerk Wolt
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Eine Uhr im Todtenkopfe.
Eine Uhr im Todtenkopfe.
Ein Menſch der ploͤzlich ſtarb, von jaͤhen
Schlag geruͤhrt,
Ward neulich unvermerkt, aus dieſer
Zeit entfuͤhrt;
Jndem er eine Uhr ins Nachbars Haus getragen
Muſt ſeine Lebens-Uhr die lezte Stunde ſchlagen.
Jndem er jenes Werk, hatt in den Gang gebracht,
Ward ſeine Lebens-Uhr ihm ſelbſt zu nicht gemacht:
Ein aͤngſtlich banges Weh durchkroch die ſchlaffen
Glieder,
Er ſang, als wie entſeelt, auf einen Seſſel nieder.
Man rief mich zu ihn hin, als Lehrer beizuſtehn,
Die Augen ſahen ſtarr; doch konnt er nicht mehr
ſehn;
Sein Geiſt erhohlte ſich, doch in ſehr wenig Stun-
den,
War Sprache, Othem, Geiſt, gleich wiederum
verſchwunden.
O! ploͤzlich ſchneller Todt! dacht ich in meinen Sin,
Wer alſo ſelig ſtirbt, dem iſt er ein Gewin:
Wer aber an das End, nie eh es koͤmmt, gedenket,
Dem iſt er ſolch ein Weh, das ihm auf ewig kraͤn-
ket.
Man ſagte mir hernach, ein ſchoͤnes Sinnenbild,
Daß dieſer Selige, der ſeine Tag erfuͤllt,
Zu Todts-Erinnerung, in ſeines Lebens Tagen,
Als eine Taſchen-Uhr, bei ſich umher getragen.
Sie war alſo gemacht, daß dieſes Raͤderwerk,
Jm Todtenkopf verſtekt. O! ſchoͤnes Augenmerk
Wolt
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