Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

gekehrte Glied das unmittelbar vorangegangene sich knüpfen
möge, das unmittelbar folgende tritt jedenfalls noch bei weitem
leichter ein und muss also -- beim Fernbleiben anderer Ein-
flüsse -- den Sieg davon tragen. Wer daher das griechische
Alphabet noch so lange auswendig lernt, wird nie dahin
kommen, es ohne weiteres rückwärts hersagen zu können.
Wohl aber wird er, falls er sich einfallen lässt, es eigens auch
rückwärts zu lernen, dies jetzt voraussichtlich in merklich
kürzerer Zeit bewerkstelligen, als vorher das Lernen in der
gewöhnlichen Folge. Man wird nicht einwerfen, dass man
doch ein Gedicht oder eine Rede, die man auswendig weiss,
rückwärts nicht schneller lerne, als zuerst vorwärts. Denn
hier werden bei dem Lernen der Umkehrung die zahllosen
Bande des inneren Zusammenhangs vernichtet, auf deren Be-
stehen das schnelle Lernen der sinnvollen Folge zu allermeist
beruhte.

§ 41.
Die Associationen der mittelbaren Folge in ihrer Ab-
hängigkeit von der Anzahl der Wiederholungen.

Die durch häufige Wiederholungen geknüpfte Verbindung
zwischen den unmittelbar auf einander folgenden Gliedern
einer Vorstellungs- oder Silbenreihe ist eine Funktion der
Anzahl jener Wiederholungen. Bei den eigens auf Ermitt-
lung dieses Verhältnisses gerichteten Untersuchungen des
VIten Abschnitts hatte sich innerhalb ziemlich weiter Grenzen
annähernde Proportionalität herausgestellt zwischen der An-
zahl der Wiederholungen und der durch sie bewirkten Stärke
der Verknüpfung. Die letztere war dabei gemessen worden,
ganz wie bei den Untersuchungen des gegenwärtigen Ab-
schnitts, an der Grösse der Arbeitsersparnis bei dem Wieder-
lernen der verknüpften Reihen nach 24 Stunden.


gekehrte Glied das unmittelbar vorangegangene sich knüpfen
möge, das unmittelbar folgende tritt jedenfalls noch bei weitem
leichter ein und muſs also — beim Fernbleiben anderer Ein-
flüsse — den Sieg davon tragen. Wer daher das griechische
Alphabet noch so lange auswendig lernt, wird nie dahin
kommen, es ohne weiteres rückwärts hersagen zu können.
Wohl aber wird er, falls er sich einfallen läſst, es eigens auch
rückwärts zu lernen, dies jetzt voraussichtlich in merklich
kürzerer Zeit bewerkstelligen, als vorher das Lernen in der
gewöhnlichen Folge. Man wird nicht einwerfen, daſs man
doch ein Gedicht oder eine Rede, die man auswendig weiſs,
rückwärts nicht schneller lerne, als zuerst vorwärts. Denn
hier werden bei dem Lernen der Umkehrung die zahllosen
Bande des inneren Zusammenhangs vernichtet, auf deren Be-
stehen das schnelle Lernen der sinnvollen Folge zu allermeist
beruhte.

§ 41.
Die Associationen der mittelbaren Folge in ihrer Ab-
hängigkeit von der Anzahl der Wiederholungen.

Die durch häufige Wiederholungen geknüpfte Verbindung
zwischen den unmittelbar auf einander folgenden Gliedern
einer Vorstellungs- oder Silbenreihe ist eine Funktion der
Anzahl jener Wiederholungen. Bei den eigens auf Ermitt-
lung dieses Verhältnisses gerichteten Untersuchungen des
VIten Abschnitts hatte sich innerhalb ziemlich weiter Grenzen
annähernde Proportionalität herausgestellt zwischen der An-
zahl der Wiederholungen und der durch sie bewirkten Stärke
der Verknüpfung. Die letztere war dabei gemessen worden,
ganz wie bei den Untersuchungen des gegenwärtigen Ab-
schnitts, an der Gröſse der Arbeitsersparnis bei dem Wieder-
lernen der verknüpften Reihen nach 24 Stunden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="156"/>
gekehrte Glied das unmittelbar vorangegangene sich knüpfen<lb/>
möge, das unmittelbar folgende tritt jedenfalls noch bei weitem<lb/>
leichter ein und mu&#x017F;s also &#x2014; beim Fernbleiben anderer Ein-<lb/>
flüsse &#x2014; den Sieg davon tragen. Wer daher das griechische<lb/>
Alphabet noch so lange auswendig lernt, wird nie dahin<lb/>
kommen, es ohne weiteres rückwärts hersagen zu können.<lb/>
Wohl aber wird er, falls er sich einfallen lä&#x017F;st, es eigens auch<lb/>
rückwärts zu lernen, dies jetzt voraussichtlich in merklich<lb/>
kürzerer Zeit bewerkstelligen, als vorher das Lernen in der<lb/>
gewöhnlichen Folge. Man wird nicht einwerfen, da&#x017F;s man<lb/>
doch ein Gedicht oder eine Rede, die man auswendig wei&#x017F;s,<lb/>
rückwärts nicht schneller lerne, als zuerst vorwärts. Denn<lb/>
hier werden bei dem Lernen der Umkehrung die zahllosen<lb/>
Bande des inneren Zusammenhangs vernichtet, auf deren Be-<lb/>
stehen das schnelle Lernen der sinnvollen Folge zu allermeist<lb/>
beruhte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 41.<lb/><hi rendition="#b">Die Associationen der mittelbaren Folge in ihrer Ab-<lb/>
hängigkeit von der Anzahl der Wiederholungen.</hi></head><lb/>
          <p>Die durch häufige Wiederholungen geknüpfte Verbindung<lb/>
zwischen den unmittelbar auf einander folgenden Gliedern<lb/>
einer Vorstellungs- oder Silbenreihe ist eine Funktion der<lb/>
Anzahl jener Wiederholungen. Bei den eigens auf Ermitt-<lb/>
lung dieses Verhältnisses gerichteten Untersuchungen des<lb/>
VI<hi rendition="#sup">ten</hi> Abschnitts hatte sich innerhalb ziemlich weiter Grenzen<lb/>
annähernde Proportionalität herausgestellt zwischen der An-<lb/>
zahl der Wiederholungen und der durch sie bewirkten Stärke<lb/>
der Verknüpfung. Die letztere war dabei gemessen worden,<lb/>
ganz wie bei den Untersuchungen des gegenwärtigen Ab-<lb/>
schnitts, an der Grö&#x017F;se der Arbeitsersparnis bei dem Wieder-<lb/>
lernen der verknüpften Reihen nach 24 Stunden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0172] gekehrte Glied das unmittelbar vorangegangene sich knüpfen möge, das unmittelbar folgende tritt jedenfalls noch bei weitem leichter ein und muſs also — beim Fernbleiben anderer Ein- flüsse — den Sieg davon tragen. Wer daher das griechische Alphabet noch so lange auswendig lernt, wird nie dahin kommen, es ohne weiteres rückwärts hersagen zu können. Wohl aber wird er, falls er sich einfallen läſst, es eigens auch rückwärts zu lernen, dies jetzt voraussichtlich in merklich kürzerer Zeit bewerkstelligen, als vorher das Lernen in der gewöhnlichen Folge. Man wird nicht einwerfen, daſs man doch ein Gedicht oder eine Rede, die man auswendig weiſs, rückwärts nicht schneller lerne, als zuerst vorwärts. Denn hier werden bei dem Lernen der Umkehrung die zahllosen Bande des inneren Zusammenhangs vernichtet, auf deren Be- stehen das schnelle Lernen der sinnvollen Folge zu allermeist beruhte. § 41. Die Associationen der mittelbaren Folge in ihrer Ab- hängigkeit von der Anzahl der Wiederholungen. Die durch häufige Wiederholungen geknüpfte Verbindung zwischen den unmittelbar auf einander folgenden Gliedern einer Vorstellungs- oder Silbenreihe ist eine Funktion der Anzahl jener Wiederholungen. Bei den eigens auf Ermitt- lung dieses Verhältnisses gerichteten Untersuchungen des VIten Abschnitts hatte sich innerhalb ziemlich weiter Grenzen annähernde Proportionalität herausgestellt zwischen der An- zahl der Wiederholungen und der durch sie bewirkten Stärke der Verknüpfung. Die letztere war dabei gemessen worden, ganz wie bei den Untersuchungen des gegenwärtigen Ab- schnitts, an der Gröſse der Arbeitsersparnis bei dem Wieder- lernen der verknüpften Reihen nach 24 Stunden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/172
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/172>, abgerufen am 21.11.2024.