Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 36.
Methode der Untersuchung des thatsächlichen
Verhaltens.

Die Versuche wurden wiederum mit 6 Reihen zu je
16 Silben angestellt. Zu grösserer Klarheit bezeichne ich
vorübergehend die Reihen mit römischen, die einzelnen Silben
mit arabischen Ziffern. Den Gegenstand eines Versuchs bil-
dete dann also jedesmal eine Silbengruppe folgender Form:

I1I2I3 . . . . . . I15 I16
II1II2II3 . . . . . . II15 II16
. .
. .
. .
VI1 . . . . . . . . . . . VI16

Wenn ich eine solche Gruppe -- jede Reihe für sich --
bis zur ersten fehlerfreien Reproduktion auswendig lerne und
24 Stunden später in ganz derselben Reihenfolge der
Silben
bis zur Erreichung desselben Zieles repetiere, so ist
diese Repetition in etwa 2/3 der zuerst erforderlichen Zeit
möglich*. Die resultierende Arbeitsersparnis von 1/3 misst

* Ich habe einige Versuche für 16silbige Reihen, aus denen diese
Zahl sich ergiebt, oben nicht weiter mitgeteilt, weil die Resultate des
sechsten Abschnitts sie mit genügender Annäherung belegen. Dort fand
sich (S. 75), dass sechs 16silbige Reihen, die je 32mal wiederholt wur-
den, nach 24 Stunden in durchschnittlich 863 Sekunden auswendig ge-
lernt werden konnten. 32 Wiederholungen sind aber durchschnitt-
lich
gerade erforderlich zur Herbeiführung der erstmöglichen Reproduktion
für 16silbige Reihen; bei der bestehenden Proportionalität zwischen der
Zahl der Wiederholungen und der Arbeitsersparnis am nächsten Tage
kann es daher nicht viel Unterschied machen, ob die Reihen je 32mal
wiederholt oder je bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt
werden. Da das letztere ca. 1270 Sekunden erfordert, so beträgt die
Arbeit für die Repetition am nächsten Tage, wie oben angegeben, ca. 2/3
dieser Zeit. Die verhältnismässige Ersparnis bei dem Wiederlernen
§ 36.
Methode der Untersuchung des thatsächlichen
Verhaltens.

Die Versuche wurden wiederum mit 6 Reihen zu je
16 Silben angestellt. Zu gröſserer Klarheit bezeichne ich
vorübergehend die Reihen mit römischen, die einzelnen Silben
mit arabischen Ziffern. Den Gegenstand eines Versuchs bil-
dete dann also jedesmal eine Silbengruppe folgender Form:

I1I2I3 . . . . . . I15 I16
II1II2II3 . . . . . . II15 II16
. .
. .
. .
VI1 . . . . . . . . . . . VI16

Wenn ich eine solche Gruppe — jede Reihe für sich —
bis zur ersten fehlerfreien Reproduktion auswendig lerne und
24 Stunden später in ganz derselben Reihenfolge der
Silben
bis zur Erreichung desselben Zieles repetiere, so ist
diese Repetition in etwa ⅔ der zuerst erforderlichen Zeit
möglich*. Die resultierende Arbeitsersparnis von ⅓ miſst

* Ich habe einige Versuche für 16silbige Reihen, aus denen diese
Zahl sich ergiebt, oben nicht weiter mitgeteilt, weil die Resultate des
sechsten Abschnitts sie mit genügender Annäherung belegen. Dort fand
sich (S. 75), daſs sechs 16silbige Reihen, die je 32mal wiederholt wur-
den, nach 24 Stunden in durchschnittlich 863 Sekunden auswendig ge-
lernt werden konnten. 32 Wiederholungen sind aber durchschnitt-
lich
gerade erforderlich zur Herbeiführung der erstmöglichen Reproduktion
für 16silbige Reihen; bei der bestehenden Proportionalität zwischen der
Zahl der Wiederholungen und der Arbeitsersparnis am nächsten Tage
kann es daher nicht viel Unterschied machen, ob die Reihen je 32mal
wiederholt oder je bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt
werden. Da das letztere ca. 1270 Sekunden erfordert, so beträgt die
Arbeit für die Repetition am nächsten Tage, wie oben angegeben, ca. ⅔
dieser Zeit. Die verhältnismäſsige Ersparnis bei dem Wiederlernen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0146" n="130"/>
        <div n="2">
          <head>§ 36.<lb/><hi rendition="#b">Methode der Untersuchung des thatsächlichen<lb/>
Verhaltens.</hi></head><lb/>
          <p>Die Versuche wurden wiederum mit 6 Reihen zu je<lb/>
16 Silben angestellt. Zu grö&#x017F;serer Klarheit bezeichne ich<lb/>
vorübergehend die Reihen mit römischen, die einzelnen Silben<lb/>
mit arabischen Ziffern. Den Gegenstand eines Versuchs bil-<lb/>
dete dann also jedesmal eine Silbengruppe folgender Form:</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#i">I</hi><hi rendition="#sub">1</hi><hi rendition="#i">I</hi><hi rendition="#sub">2</hi><hi rendition="#i">I</hi><hi rendition="#sub">3</hi> . . . . . . <hi rendition="#i">I</hi><hi rendition="#sub">15</hi> <hi rendition="#i">I</hi><hi rendition="#sub">16</hi></item><lb/>
            <item><hi rendition="#i">II</hi><hi rendition="#sub">1</hi><hi rendition="#i">II</hi><hi rendition="#sub">2</hi><hi rendition="#i">II</hi><hi rendition="#sub">3</hi> . . . . . . <hi rendition="#i">II</hi><hi rendition="#sub">15</hi> <hi rendition="#i">II</hi><hi rendition="#sub">16</hi></item><lb/>
            <item>. .</item><lb/>
            <item>. .</item><lb/>
            <item>. .</item><lb/>
            <item><hi rendition="#i">VI</hi><hi rendition="#sub">1</hi> . . . . . . . . . . . <hi rendition="#i">VI</hi><hi rendition="#sub">16</hi></item>
          </list><lb/>
          <p>Wenn ich eine solche Gruppe &#x2014; jede Reihe für sich &#x2014;<lb/>
bis zur ersten fehlerfreien Reproduktion auswendig lerne und<lb/>
24 Stunden später <hi rendition="#g">in ganz derselben Reihenfolge der<lb/>
Silben</hi> bis zur Erreichung desselben Zieles repetiere, so ist<lb/>
diese Repetition in etwa &#x2154; der zuerst erforderlichen Zeit<lb/>
möglich<note xml:id="note-0146" next="#note-0147" place="foot" n="*">Ich habe einige Versuche für 16silbige Reihen, aus denen diese<lb/>
Zahl sich ergiebt, oben nicht weiter mitgeteilt, weil die Resultate des<lb/>
sechsten Abschnitts sie mit genügender Annäherung belegen. Dort fand<lb/>
sich (S. 75), da&#x017F;s sechs 16silbige Reihen, die je 32mal wiederholt wur-<lb/>
den, nach 24 Stunden in durchschnittlich 863 Sekunden auswendig ge-<lb/>
lernt werden konnten. 32 Wiederholungen sind aber <hi rendition="#g">durchschnitt-<lb/>
lich</hi> gerade erforderlich zur Herbeiführung der erstmöglichen Reproduktion<lb/>
für 16silbige Reihen; bei der bestehenden Proportionalität zwischen der<lb/>
Zahl der Wiederholungen und der Arbeitsersparnis am nächsten Tage<lb/>
kann es daher nicht viel Unterschied machen, ob die Reihen je 32mal<lb/>
wiederholt oder je bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt<lb/>
werden. Da das letztere ca. 1270 Sekunden erfordert, so beträgt die<lb/>
Arbeit für die Repetition am nächsten Tage, wie oben angegeben, ca. &#x2154;<lb/>
dieser Zeit. Die <hi rendition="#g">verhältnismä&#x017F;sige</hi> Ersparnis bei dem Wiederlernen</note>. Die resultierende Arbeitsersparnis von &#x2153; mi&#x017F;st<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0146] § 36. Methode der Untersuchung des thatsächlichen Verhaltens. Die Versuche wurden wiederum mit 6 Reihen zu je 16 Silben angestellt. Zu gröſserer Klarheit bezeichne ich vorübergehend die Reihen mit römischen, die einzelnen Silben mit arabischen Ziffern. Den Gegenstand eines Versuchs bil- dete dann also jedesmal eine Silbengruppe folgender Form: I1I2I3 . . . . . . I15 I16 II1II2II3 . . . . . . II15 II16 . . . . . . VI1 . . . . . . . . . . . VI16 Wenn ich eine solche Gruppe — jede Reihe für sich — bis zur ersten fehlerfreien Reproduktion auswendig lerne und 24 Stunden später in ganz derselben Reihenfolge der Silben bis zur Erreichung desselben Zieles repetiere, so ist diese Repetition in etwa ⅔ der zuerst erforderlichen Zeit möglich *. Die resultierende Arbeitsersparnis von ⅓ miſst * Ich habe einige Versuche für 16silbige Reihen, aus denen diese Zahl sich ergiebt, oben nicht weiter mitgeteilt, weil die Resultate des sechsten Abschnitts sie mit genügender Annäherung belegen. Dort fand sich (S. 75), daſs sechs 16silbige Reihen, die je 32mal wiederholt wur- den, nach 24 Stunden in durchschnittlich 863 Sekunden auswendig ge- lernt werden konnten. 32 Wiederholungen sind aber durchschnitt- lich gerade erforderlich zur Herbeiführung der erstmöglichen Reproduktion für 16silbige Reihen; bei der bestehenden Proportionalität zwischen der Zahl der Wiederholungen und der Arbeitsersparnis am nächsten Tage kann es daher nicht viel Unterschied machen, ob die Reihen je 32mal wiederholt oder je bis zur erstmöglichen Reproduktion auswendig gelernt werden. Da das letztere ca. 1270 Sekunden erfordert, so beträgt die Arbeit für die Repetition am nächsten Tage, wie oben angegeben, ca. ⅔ dieser Zeit. Die verhältnismäſsige Ersparnis bei dem Wiederlernen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/146
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/146>, abgerufen am 21.11.2024.