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Duras, Claire de Durfort de: Urika, die Negerin. Übers. v. [Ehrenfried Stöber]. Frankfurt (Main), 1824.

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Jch sah diejenige Lage sich verwirklichen, welche
mir meine Einbildungskraft so oft vorgemalt
hatte, weit von denen zu sterben, die ich liebte,
und deren Ohr nicht einmal mein trauriges
Stöhnen vernehmen würde. Ach! es würde ihre
Freude gestört haben. Jch sah sie, ferne der
sterbenden Urika, sich der Wonnetrunkenheit ihres
Glücks überlassen. Urika hatte in diesem Leben
niemand wie sie; aber sie hatten Urika nicht nö-
thig; niemand bedurfte ihrer. -- Es ist dieses
fürchterliche Gefühl des Ueberflüssigseyns, wel-
ches das menschliche Herz am meisten zerreisset.
Es gab mir einen solchen Abscheu vor dem Le-
ben, daß ich aufrichtig wünschte, an der Krank-
heit, an welcher ich darnieder lag, zu sterben.
Jch sprach nicht, ich gab fast kein Lebenszeichen

Urika. 6

Jch ſah diejenige Lage ſich verwirklichen, welche
mir meine Einbildungskraft ſo oft vorgemalt
hatte, weit von denen zu ſterben, die ich liebte,
und deren Ohr nicht einmal mein trauriges
Stöhnen vernehmen würde. Ach! es würde ihre
Freude geſtört haben. Jch ſah ſie, ferne der
ſterbenden Urika, ſich der Wonnetrunkenheit ihres
Glücks überlaſſen. Urika hatte in dieſem Leben
niemand wie ſie; aber ſie hatten Urika nicht nö-
thig; niemand bedurfte ihrer. — Es iſt dieſes
fürchterliche Gefühl des Ueberflüſſigſeyns, wel-
ches das menſchliche Herz am meiſten zerreiſſet.
Es gab mir einen ſolchen Abſcheu vor dem Le-
ben, daß ich aufrichtig wünſchte, an der Krank-
heit, an welcher ich darnieder lag, zu ſterben.
Jch ſprach nicht, ich gab faſt kein Lebenszeichen

Urika. 6
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[81/0087] Jch ſah diejenige Lage ſich verwirklichen, welche mir meine Einbildungskraft ſo oft vorgemalt hatte, weit von denen zu ſterben, die ich liebte, und deren Ohr nicht einmal mein trauriges Stöhnen vernehmen würde. Ach! es würde ihre Freude geſtört haben. Jch ſah ſie, ferne der ſterbenden Urika, ſich der Wonnetrunkenheit ihres Glücks überlaſſen. Urika hatte in dieſem Leben niemand wie ſie; aber ſie hatten Urika nicht nö- thig; niemand bedurfte ihrer. — Es iſt dieſes fürchterliche Gefühl des Ueberflüſſigſeyns, wel- ches das menſchliche Herz am meiſten zerreiſſet. Es gab mir einen ſolchen Abſcheu vor dem Le- ben, daß ich aufrichtig wünſchte, an der Krank- heit, an welcher ich darnieder lag, zu ſterben. Jch ſprach nicht, ich gab faſt kein Lebenszeichen Urika. 6

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Zitationshilfe: Duras, Claire de Durfort de: Urika, die Negerin. Übers. v. [Ehrenfried Stöber]. Frankfurt (Main), 1824, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duras_urika_1824/87>, abgerufen am 26.04.2024.