Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Plünderung in die sehr reichen Ufergegenden des Hyphasis, also
in das befreundete Land des Phegeus ausgesandt, und während der
Abwesenheit der Truppen den Weibern und Kindern der Solda-
ten Kleider und Vorräthe aller Art, namentlich den Sold eines
Monats zum Geschenk gemacht; dann habe er die mit Beute
heimkehrenden Soldaten zur Versammlung berufen und nicht etwa
im Kriegsrath, sondern vor dem gesammten Heere die wichtige
Frage über den weiteren Zug verhandelt. Strabo sagt 74):
Alexander sei zur Umkehr bewogen worden durch gewisse heilige
Zeichen, durch die Stimmung des Heeres, das den weiteren Hee-
reszug wegen der ungeheueren Strapazen, die es bereits erduldet,
versagte, vor Allem aber, weil die Truppen durch den anhaltenden
Regen sehr gelitten hatten; und in der That, diesen letzten Punkt
muß man in seiner ganzen Ausführung vor Augen haben, um die
Rückkehr am Hyphasis zu begreifen. Klitarch, den man in den
Worten Diodors sehr deutlich wieder erkennt, stellt das Elend der
Truppen in den crassesten Bildern dar: wenige von den Macedo-
niern, sagt er, waren übrig und diese der Verzweiflung nahe, durch
die Länge der Feldzüge waren den Pferden die Hufe abgenutzt,
durch die Menge der Schlachten die Waffen der Krieger stumpf
und zerbrochen; Hellenische Kleider hatte Niemand mehr, Lumpen
Barbarischer und Indischer Beute, elend an einander geflickt, deck-
ten diese benarbten Leiber der Welteroberer; seit siebzig Tagen
waren die furchtbarsten Regengüsse unter Stürmen und Gewittern
vom Himmel herabgeströmt. Allerdings waren gerade jetzt die
Peschekal, die tropischen Regen mit den weiten Ueberschwemmun-
gen in ihrer höchsten Steigerung; man muß sich vergegenwärtigen,
was ein abendländisches Heer, seit drei Monaten im Lager oder
auf dem Marsche, durch dieß furchtbare Wetter, durch die dunstige
Nässe des ungewohnten Klimas, durch den unvermeidlichen Man-
gel an Bekleidung und Lebensmitteln gelitten haben, wie viel
Menschen und Pferde der Witterung und den Krankheiten, die
sie erzeugte, erlegen sein 75), wie endlich durch das um sich grei-

74) Strabo XV. p. 268.
75) Timur passirte diese Gegen-
den etwa einen Monat später (im Safar); der Peschekal brachte na-

Pluͤnderung in die ſehr reichen Ufergegenden des Hyphaſis, alſo
in das befreundete Land des Phegeus ausgeſandt, und waͤhrend der
Abweſenheit der Truppen den Weibern und Kindern der Solda-
ten Kleider und Vorraͤthe aller Art, namentlich den Sold eines
Monats zum Geſchenk gemacht; dann habe er die mit Beute
heimkehrenden Soldaten zur Verſammlung berufen und nicht etwa
im Kriegsrath, ſondern vor dem geſammten Heere die wichtige
Frage uͤber den weiteren Zug verhandelt. Strabo ſagt 74):
Alexander ſei zur Umkehr bewogen worden durch gewiſſe heilige
Zeichen, durch die Stimmung des Heeres, das den weiteren Hee-
reszug wegen der ungeheueren Strapazen, die es bereits erduldet,
verſagte, vor Allem aber, weil die Truppen durch den anhaltenden
Regen ſehr gelitten hatten; und in der That, dieſen letzten Punkt
muß man in ſeiner ganzen Ausfuͤhrung vor Augen haben, um die
Ruͤckkehr am Hyphaſis zu begreifen. Klitarch, den man in den
Worten Diodors ſehr deutlich wieder erkennt, ſtellt das Elend der
Truppen in den craſſeſten Bildern dar: wenige von den Macedo-
niern, ſagt er, waren uͤbrig und dieſe der Verzweiflung nahe, durch
die Laͤnge der Feldzuͤge waren den Pferden die Hufe abgenutzt,
durch die Menge der Schlachten die Waffen der Krieger ſtumpf
und zerbrochen; Helleniſche Kleider hatte Niemand mehr, Lumpen
Barbariſcher und Indiſcher Beute, elend an einander geflickt, deck-
ten dieſe benarbten Leiber der Welteroberer; ſeit ſiebzig Tagen
waren die furchtbarſten Regenguͤſſe unter Stuͤrmen und Gewittern
vom Himmel herabgeſtroͤmt. Allerdings waren gerade jetzt die
Peſchekal, die tropiſchen Regen mit den weiten Ueberſchwemmun-
gen in ihrer hoͤchſten Steigerung; man muß ſich vergegenwaͤrtigen,
was ein abendlaͤndiſches Heer, ſeit drei Monaten im Lager oder
auf dem Marſche, durch dieß furchtbare Wetter, durch die dunſtige
Naͤſſe des ungewohnten Klimas, durch den unvermeidlichen Man-
gel an Bekleidung und Lebensmitteln gelitten haben, wie viel
Menſchen und Pferde der Witterung und den Krankheiten, die
ſie erzeugte, erlegen ſein 75), wie endlich durch das um ſich grei-

74) Strabo XV. p. 268.
75) Timur paſſirte dieſe Gegen-
den etwa einen Monat ſpaͤter (im Safar); der Peſchekal brachte na-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0432" n="418"/>
Plu&#x0364;nderung in die &#x017F;ehr reichen Ufergegenden des Hypha&#x017F;is, al&#x017F;o<lb/>
in das befreundete Land des Phegeus ausge&#x017F;andt, und wa&#x0364;hrend der<lb/>
Abwe&#x017F;enheit der Truppen den Weibern und Kindern der Solda-<lb/>
ten Kleider und Vorra&#x0364;the aller Art, namentlich den Sold eines<lb/>
Monats zum Ge&#x017F;chenk gemacht; dann habe er die mit Beute<lb/>
heimkehrenden Soldaten zur Ver&#x017F;ammlung berufen und nicht etwa<lb/>
im Kriegsrath, &#x017F;ondern vor dem ge&#x017F;ammten Heere die wichtige<lb/>
Frage u&#x0364;ber den weiteren Zug verhandelt. Strabo &#x017F;agt <note place="foot" n="74)"><hi rendition="#aq">Strabo XV. p. 268</hi>.</note>:<lb/>
Alexander &#x017F;ei zur Umkehr bewogen worden durch gewi&#x017F;&#x017F;e heilige<lb/>
Zeichen, durch die Stimmung des Heeres, das den weiteren Hee-<lb/>
reszug wegen der ungeheueren Strapazen, die es bereits erduldet,<lb/>
ver&#x017F;agte, vor Allem aber, weil die Truppen durch den anhaltenden<lb/>
Regen &#x017F;ehr gelitten hatten; und in der That, die&#x017F;en letzten Punkt<lb/>
muß man in &#x017F;einer ganzen Ausfu&#x0364;hrung vor Augen haben, um die<lb/>
Ru&#x0364;ckkehr am Hypha&#x017F;is zu begreifen. Klitarch, den man in den<lb/>
Worten Diodors &#x017F;ehr deutlich wieder erkennt, &#x017F;tellt das Elend der<lb/>
Truppen in den cra&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Bildern dar: wenige von den Macedo-<lb/>
niern, &#x017F;agt er, waren u&#x0364;brig und die&#x017F;e der Verzweiflung nahe, durch<lb/>
die La&#x0364;nge der Feldzu&#x0364;ge waren den Pferden die Hufe abgenutzt,<lb/>
durch die Menge der Schlachten die Waffen der Krieger &#x017F;tumpf<lb/>
und zerbrochen; Helleni&#x017F;che Kleider hatte Niemand mehr, Lumpen<lb/>
Barbari&#x017F;cher und Indi&#x017F;cher Beute, elend an einander geflickt, deck-<lb/>
ten die&#x017F;e benarbten Leiber der Welteroberer; &#x017F;eit &#x017F;iebzig Tagen<lb/>
waren die furchtbar&#x017F;ten Regengu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e unter Stu&#x0364;rmen und Gewittern<lb/>
vom Himmel herabge&#x017F;tro&#x0364;mt. Allerdings waren gerade jetzt die<lb/>
Pe&#x017F;chekal, die tropi&#x017F;chen Regen mit den weiten Ueber&#x017F;chwemmun-<lb/>
gen in ihrer ho&#x0364;ch&#x017F;ten Steigerung; man muß &#x017F;ich vergegenwa&#x0364;rtigen,<lb/>
was ein abendla&#x0364;ndi&#x017F;ches Heer, &#x017F;eit drei Monaten im Lager oder<lb/>
auf dem Mar&#x017F;che, durch dieß furchtbare Wetter, durch die dun&#x017F;tige<lb/>
Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des ungewohnten Klimas, durch den unvermeidlichen Man-<lb/>
gel an Bekleidung und Lebensmitteln gelitten haben, wie viel<lb/>
Men&#x017F;chen und Pferde der Witterung und den Krankheiten, die<lb/>
&#x017F;ie erzeugte, erlegen &#x017F;ein <note xml:id="note-0432" next="#note-0433" place="foot" n="75)">Timur pa&#x017F;&#x017F;irte die&#x017F;e Gegen-<lb/>
den etwa einen Monat &#x017F;pa&#x0364;ter (im Safar); der Pe&#x017F;chekal brachte na-</note>, wie endlich durch das um &#x017F;ich grei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418/0432] Pluͤnderung in die ſehr reichen Ufergegenden des Hyphaſis, alſo in das befreundete Land des Phegeus ausgeſandt, und waͤhrend der Abweſenheit der Truppen den Weibern und Kindern der Solda- ten Kleider und Vorraͤthe aller Art, namentlich den Sold eines Monats zum Geſchenk gemacht; dann habe er die mit Beute heimkehrenden Soldaten zur Verſammlung berufen und nicht etwa im Kriegsrath, ſondern vor dem geſammten Heere die wichtige Frage uͤber den weiteren Zug verhandelt. Strabo ſagt 74): Alexander ſei zur Umkehr bewogen worden durch gewiſſe heilige Zeichen, durch die Stimmung des Heeres, das den weiteren Hee- reszug wegen der ungeheueren Strapazen, die es bereits erduldet, verſagte, vor Allem aber, weil die Truppen durch den anhaltenden Regen ſehr gelitten hatten; und in der That, dieſen letzten Punkt muß man in ſeiner ganzen Ausfuͤhrung vor Augen haben, um die Ruͤckkehr am Hyphaſis zu begreifen. Klitarch, den man in den Worten Diodors ſehr deutlich wieder erkennt, ſtellt das Elend der Truppen in den craſſeſten Bildern dar: wenige von den Macedo- niern, ſagt er, waren uͤbrig und dieſe der Verzweiflung nahe, durch die Laͤnge der Feldzuͤge waren den Pferden die Hufe abgenutzt, durch die Menge der Schlachten die Waffen der Krieger ſtumpf und zerbrochen; Helleniſche Kleider hatte Niemand mehr, Lumpen Barbariſcher und Indiſcher Beute, elend an einander geflickt, deck- ten dieſe benarbten Leiber der Welteroberer; ſeit ſiebzig Tagen waren die furchtbarſten Regenguͤſſe unter Stuͤrmen und Gewittern vom Himmel herabgeſtroͤmt. Allerdings waren gerade jetzt die Peſchekal, die tropiſchen Regen mit den weiten Ueberſchwemmun- gen in ihrer hoͤchſten Steigerung; man muß ſich vergegenwaͤrtigen, was ein abendlaͤndiſches Heer, ſeit drei Monaten im Lager oder auf dem Marſche, durch dieß furchtbare Wetter, durch die dunſtige Naͤſſe des ungewohnten Klimas, durch den unvermeidlichen Man- gel an Bekleidung und Lebensmitteln gelitten haben, wie viel Menſchen und Pferde der Witterung und den Krankheiten, die ſie erzeugte, erlegen ſein 75), wie endlich durch das um ſich grei- 74) Strabo XV. p. 268. 75) Timur paſſirte dieſe Gegen- den etwa einen Monat ſpaͤter (im Safar); der Peſchekal brachte na-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/432
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/432>, abgerufen am 26.04.2024.