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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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hundert Pferden nach Zariaspa gekommen, dem großen Könige per-
sönlich seine Huldigung zu bringen, da bei der freundlichen Auf-
nahme, die Spitamenes unter den ihm benachbarten Massageten
gefunden hatte, er selbst leicht verdächtig werden konnte; er herrschte
über das Land des unteren Oxus, und versicherte, Nachbar des Kol-
chischen Stammes und des Weibervolkes der Amazonen zu sein; er
erbot sich, wenn Alexander einen Feldzug gegen die Kolchier und Ama-
zonen zu unternehmen und die Unterwerfung des Landes bis zum
Pontus Euxinus zu versuchen geneigt sei, ihm die Wege zu zei-
gen und für die Bedürfnisse des Heeres auf diesem Zuge zu sor-
gen. Alexanders Antwort auf diese Anträge läßt einen Blick in
den großen Zusammenhang seiner Pläne thun, die, so kühn sie auch
sind, von der merkwürdigen Einsicht in das geographische Verhält-
niß der verschiedenen Länderstrecken, von deren Dasein durch seine
Züge die erste Kunde verbreitet wurde, das sicherste Zeugniß able-
gen. Er hatte sich bereits durch den Augenschein und durch die
Berichte seiner Gesandtschaft und der Eingebornen überzeugt, daß
das offenbare Meer keinesweges der Nordgränze des Perserreiches
nahe sei, und daß Scythische Horden noch ungemessenen Landstre-
cken gen Norden inne hätten, daß es unmöglich sei, für das neue
Reich auf dieser Seite eine Naturgränze in dem großen Meere zu
finden; dagegen erkannte er sehr wohl, daß für die vollkommene
Unterwerfung des westasiatischen Hochlandes, die seine nächste Absicht
blieb, der Besitz der angrenzenden Tiefländer wesentliche Bedingung
sei, und die Folgezeit hat gelehrt, wie richtig er den Euphrat und
Tigris, den Oxus und Jaxartes, den Indus und Hyphasis zu Stütz-
punkten seiner Herrschaft über Persien und Ariana gemacht hat. Er
antwortete dem Pharasmanes, daß er für jetzt nicht daran denken
könne, in die Pontischen Landschaften einzudringen; sein nächstes
Werk müsse die Unterwerfung Indiens sein, dann Herr von Asien

größert im Heere Alexanders verbreitet und geglaubt wurden. Was
das Wahre davon sein mag, ist nicht mehr zu erkennen; vielleicht,
daß Pharasmanes eine maritime Verbindung mit der gegenüberlie-
genden Landschaft des Kur und Araxes meinte, deren Alter alte
Angaben und neue Forschungen hinreichend erweisen.

hundert Pferden nach Zariaspa gekommen, dem großen Koͤnige per-
ſoͤnlich ſeine Huldigung zu bringen, da bei der freundlichen Auf-
nahme, die Spitamenes unter den ihm benachbarten Maſſageten
gefunden hatte, er ſelbſt leicht verdaͤchtig werden konnte; er herrſchte
uͤber das Land des unteren Oxus, und verſicherte, Nachbar des Kol-
chiſchen Stammes und des Weibervolkes der Amazonen zu ſein; er
erbot ſich, wenn Alexander einen Feldzug gegen die Kolchier und Ama-
zonen zu unternehmen und die Unterwerfung des Landes bis zum
Pontus Euxinus zu verſuchen geneigt ſei, ihm die Wege zu zei-
gen und fuͤr die Beduͤrfniſſe des Heeres auf dieſem Zuge zu ſor-
gen. Alexanders Antwort auf dieſe Antraͤge laͤßt einen Blick in
den großen Zuſammenhang ſeiner Plaͤne thun, die, ſo kuͤhn ſie auch
ſind, von der merkwuͤrdigen Einſicht in das geographiſche Verhaͤlt-
niß der verſchiedenen Laͤnderſtrecken, von deren Daſein durch ſeine
Zuͤge die erſte Kunde verbreitet wurde, das ſicherſte Zeugniß able-
gen. Er hatte ſich bereits durch den Augenſchein und durch die
Berichte ſeiner Geſandtſchaft und der Eingebornen uͤberzeugt, daß
das offenbare Meer keinesweges der Nordgraͤnze des Perſerreiches
nahe ſei, und daß Scythiſche Horden noch ungemeſſenen Landſtre-
cken gen Norden inne haͤtten, daß es unmoͤglich ſei, fuͤr das neue
Reich auf dieſer Seite eine Naturgraͤnze in dem großen Meere zu
finden; dagegen erkannte er ſehr wohl, daß fuͤr die vollkommene
Unterwerfung des weſtaſiatiſchen Hochlandes, die ſeine naͤchſte Abſicht
blieb, der Beſitz der angrenzenden Tieflaͤnder weſentliche Bedingung
ſei, und die Folgezeit hat gelehrt, wie richtig er den Euphrat und
Tigris, den Oxus und Jaxartes, den Indus und Hyphaſis zu Stuͤtz-
punkten ſeiner Herrſchaft uͤber Perſien und Ariana gemacht hat. Er
antwortete dem Pharasmanes, daß er fuͤr jetzt nicht daran denken
koͤnne, in die Pontiſchen Landſchaften einzudringen; ſein naͤchſtes
Werk muͤſſe die Unterwerfung Indiens ſein, dann Herr von Aſien

groͤßert im Heere Alexanders verbreitet und geglaubt wurden. Was
das Wahre davon ſein mag, iſt nicht mehr zu erkennen; vielleicht,
daß Pharasmanes eine maritime Verbindung mit der gegenuͤberlie-
genden Landſchaft des Kur und Araxes meinte, deren Alter alte
Angaben und neue Forſchungen hinreichend erweiſen.
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[329/0343] hundert Pferden nach Zariaspa gekommen, dem großen Koͤnige per- ſoͤnlich ſeine Huldigung zu bringen, da bei der freundlichen Auf- nahme, die Spitamenes unter den ihm benachbarten Maſſageten gefunden hatte, er ſelbſt leicht verdaͤchtig werden konnte; er herrſchte uͤber das Land des unteren Oxus, und verſicherte, Nachbar des Kol- chiſchen Stammes und des Weibervolkes der Amazonen zu ſein; er erbot ſich, wenn Alexander einen Feldzug gegen die Kolchier und Ama- zonen zu unternehmen und die Unterwerfung des Landes bis zum Pontus Euxinus zu verſuchen geneigt ſei, ihm die Wege zu zei- gen und fuͤr die Beduͤrfniſſe des Heeres auf dieſem Zuge zu ſor- gen. Alexanders Antwort auf dieſe Antraͤge laͤßt einen Blick in den großen Zuſammenhang ſeiner Plaͤne thun, die, ſo kuͤhn ſie auch ſind, von der merkwuͤrdigen Einſicht in das geographiſche Verhaͤlt- niß der verſchiedenen Laͤnderſtrecken, von deren Daſein durch ſeine Zuͤge die erſte Kunde verbreitet wurde, das ſicherſte Zeugniß able- gen. Er hatte ſich bereits durch den Augenſchein und durch die Berichte ſeiner Geſandtſchaft und der Eingebornen uͤberzeugt, daß das offenbare Meer keinesweges der Nordgraͤnze des Perſerreiches nahe ſei, und daß Scythiſche Horden noch ungemeſſenen Landſtre- cken gen Norden inne haͤtten, daß es unmoͤglich ſei, fuͤr das neue Reich auf dieſer Seite eine Naturgraͤnze in dem großen Meere zu finden; dagegen erkannte er ſehr wohl, daß fuͤr die vollkommene Unterwerfung des weſtaſiatiſchen Hochlandes, die ſeine naͤchſte Abſicht blieb, der Beſitz der angrenzenden Tieflaͤnder weſentliche Bedingung ſei, und die Folgezeit hat gelehrt, wie richtig er den Euphrat und Tigris, den Oxus und Jaxartes, den Indus und Hyphaſis zu Stuͤtz- punkten ſeiner Herrſchaft uͤber Perſien und Ariana gemacht hat. Er antwortete dem Pharasmanes, daß er fuͤr jetzt nicht daran denken koͤnne, in die Pontiſchen Landſchaften einzudringen; ſein naͤchſtes Werk muͤſſe die Unterwerfung Indiens ſein, dann Herr von Aſien 60) 60) groͤßert im Heere Alexanders verbreitet und geglaubt wurden. Was das Wahre davon ſein mag, iſt nicht mehr zu erkennen; vielleicht, daß Pharasmanes eine maritime Verbindung mit der gegenuͤberlie- genden Landſchaft des Kur und Araxes meinte, deren Alter alte Angaben und neue Forſchungen hinreichend erweiſen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/343>, abgerufen am 26.04.2024.