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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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reichen und wohlbevölkerten Landes zu unterwerfen. Barsaentes
wartete seine Ankunft nicht ab, sondern flüchtete sich über die Ost-
grenze seiner Satrapie zu den Indiern, die ihn späterhin ausliefer-
ten. Alexander rückte im Thale des Flusses von Furrah in das
Land der Zaranger oder Dranger hinein, deren Hauptstadt Pro-
phthasia 7) sich ohne weitres ergab. Südwärts von den Zarangern
wohnten in den damals noch nicht versandeten Fruchtebenen des
südlichen Sejestans die Ariaspen oder, wie die Griechen sie nannten,
Euergeten 8), ein friedliches, ackerbautreibendes Volk, das, seit ural-
ten Zeiten in diesem "Frühlingslande" heimisch, jenes stille, fleißige

7) Arrian nennt diesen Namen nicht, doch ist er für die Zaran-
gerhauptstadt mit Recht angenommen worden. Die Lage ist die des
heutigen Furrah, dessen Entfernung von Herat bei Pottinger ein-
hundertzwanzig Meilen und genau entsprechend bei Plinius 119 M. R.
oder 952 Stadien (nicht 1500 oder 1600, wie Strabo hat) die
Identität des alten Prophthasia erweiset.
8) Ueber die Euer-
geten sind die Stellen von den Erklärern zu Curt. VII. 3. gesam-
melt; ihr früherer Name war Ari-aspen (Roß-Arier), ihre Wohnsitze
waren vom Flusse Etymander (Hindmend) durchströmt (Arrian. IV. 6.);
dieser fließt in einem nicht breiten Klippenthale, durch die Wüste hinab,
und erst, wo er dem Ariussee naht, treten die steilen Klippen zurück
und öffnen ein fruchtbares und schönes Gelände, in dem sich noch heute
Ruinen von mehreren sehr großen Städten, von Kanalbauten und Was-
serleitungen befinden; hier dürften die Sitze der Ariaspen zu finden sein.
Es ist merkwürdig, daß der Fluß von Drangiana nach Ptolemäus Angabe
sich in den Indischen Ocean ergießt, merkwürdig darum, weil sich noch
jetzt von der Gegend von Dergasp (Roßthor) aus, wo der Ueberhand
nehmende Flugsand den großen Hindmend heute gen Westen zu strö-
men zwingt, die Spuren eines mächtigen Flußbettes durch die Wüste
hinab bis an das Indische Meer verfolgen lassen. Jene Gegend hat
mit der alten Kultur ihre ehemalige Physiognomie bis zur Unkenntlichkeit
verloren; wenn Arrian sagt, daß der Etymander nicht kleiner sei als
der Peneus in Thessalien, so kann das nicht genau auf den Hindmend
passen, der selbst in seiner heutigen Größe der Elbe nichts nachgiebt.
Es ist möglich, daß der Etymander der Furrahrud oder Kaschrud war,
und sich erst bei dem Versanden jener einst schönen Gegenden mit dem
großen Flusse von Arachosien (Arachotus; die Zendavesta unterscheidet
die Landschaft Heetomeante und Arrochaodschi 1. 2. 350.) vereinigte.

reichen und wohlbevölkerten Landes zu unterwerfen. Barſaentes
wartete ſeine Ankunft nicht ab, ſondern flüchtete ſich über die Oſt-
grenze ſeiner Satrapie zu den Indiern, die ihn ſpäterhin ausliefer-
ten. Alexander rückte im Thale des Fluſſes von Furrah in das
Land der Zaranger oder Dranger hinein, deren Hauptſtadt Pro-
phthaſia 7) ſich ohne weitres ergab. Südwärts von den Zarangern
wohnten in den damals noch nicht verſandeten Fruchtebenen des
ſüdlichen Sejeſtans die Ariaspen oder, wie die Griechen ſie nannten,
Euergeten 8), ein friedliches, ackerbautreibendes Volk, das, ſeit ural-
ten Zeiten in dieſem „Frühlingslande“ heimiſch, jenes ſtille, fleißige

7) Arrian nennt dieſen Namen nicht, doch iſt er für die Zaran-
gerhauptſtadt mit Recht angenommen worden. Die Lage iſt die des
heutigen Furrah, deſſen Entfernung von Herat bei Pottinger ein-
hundertzwanzig Meilen und genau entſprechend bei Plinius 119 M. R.
oder 952 Stadien (nicht 1500 oder 1600, wie Strabo hat) die
Identität des alten Prophthaſia erweiſet.
8) Ueber die Euer-
geten ſind die Stellen von den Erklärern zu Curt. VII. 3. geſam-
melt; ihr früherer Name war Ari-aspen (Roß-Arier), ihre Wohnſitze
waren vom Fluſſe Etymander (Hindmend) durchſtrömt (Arrian. IV. 6.);
dieſer fließt in einem nicht breiten Klippenthale, durch die Wüſte hinab,
und erſt, wo er dem Ariusſee naht, treten die ſteilen Klippen zurück
und öffnen ein fruchtbares und ſchönes Gelände, in dem ſich noch heute
Ruinen von mehreren ſehr großen Städten, von Kanalbauten und Waſ-
ſerleitungen befinden; hier dürften die Sitze der Ariaspen zu finden ſein.
Es iſt merkwürdig, daß der Fluß von Drangiana nach Ptolemäus Angabe
ſich in den Indiſchen Ocean ergießt, merkwürdig darum, weil ſich noch
jetzt von der Gegend von Dergasp (Roßthor) aus, wo der Ueberhand
nehmende Flugſand den großen Hindmend heute gen Weſten zu ſtrö-
men zwingt, die Spuren eines mächtigen Flußbettes durch die Wüſte
hinab bis an das Indiſche Meer verfolgen laſſen. Jene Gegend hat
mit der alten Kultur ihre ehemalige Phyſiognomie bis zur Unkenntlichkeit
verloren; wenn Arrian ſagt, daß der Etymander nicht kleiner ſei als
der Peneus in Theſſalien, ſo kann das nicht genau auf den Hindmend
paſſen, der ſelbſt in ſeiner heutigen Größe der Elbe nichts nachgiebt.
Es iſt möglich, daß der Etymander der Furrahrud oder Kaſchrud war,
und ſich erſt bei dem Verſanden jener einſt ſchönen Gegenden mit dem
großen Fluſſe von Arachoſien (Arachotus; die Zendaveſta unterſcheidet
die Landſchaft Heetomeante und Arrochaodſchi 1. 2. 350.) vereinigte.
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[286/0300] reichen und wohlbevölkerten Landes zu unterwerfen. Barſaentes wartete ſeine Ankunft nicht ab, ſondern flüchtete ſich über die Oſt- grenze ſeiner Satrapie zu den Indiern, die ihn ſpäterhin ausliefer- ten. Alexander rückte im Thale des Fluſſes von Furrah in das Land der Zaranger oder Dranger hinein, deren Hauptſtadt Pro- phthaſia 7) ſich ohne weitres ergab. Südwärts von den Zarangern wohnten in den damals noch nicht verſandeten Fruchtebenen des ſüdlichen Sejeſtans die Ariaspen oder, wie die Griechen ſie nannten, Euergeten 8), ein friedliches, ackerbautreibendes Volk, das, ſeit ural- ten Zeiten in dieſem „Frühlingslande“ heimiſch, jenes ſtille, fleißige 7) Arrian nennt dieſen Namen nicht, doch iſt er für die Zaran- gerhauptſtadt mit Recht angenommen worden. Die Lage iſt die des heutigen Furrah, deſſen Entfernung von Herat bei Pottinger ein- hundertzwanzig Meilen und genau entſprechend bei Plinius 119 M. R. oder 952 Stadien (nicht 1500 oder 1600, wie Strabo hat) die Identität des alten Prophthaſia erweiſet. 8) Ueber die Euer- geten ſind die Stellen von den Erklärern zu Curt. VII. 3. geſam- melt; ihr früherer Name war Ari-aspen (Roß-Arier), ihre Wohnſitze waren vom Fluſſe Etymander (Hindmend) durchſtrömt (Arrian. IV. 6.); dieſer fließt in einem nicht breiten Klippenthale, durch die Wüſte hinab, und erſt, wo er dem Ariusſee naht, treten die ſteilen Klippen zurück und öffnen ein fruchtbares und ſchönes Gelände, in dem ſich noch heute Ruinen von mehreren ſehr großen Städten, von Kanalbauten und Waſ- ſerleitungen befinden; hier dürften die Sitze der Ariaspen zu finden ſein. Es iſt merkwürdig, daß der Fluß von Drangiana nach Ptolemäus Angabe ſich in den Indiſchen Ocean ergießt, merkwürdig darum, weil ſich noch jetzt von der Gegend von Dergasp (Roßthor) aus, wo der Ueberhand nehmende Flugſand den großen Hindmend heute gen Weſten zu ſtrö- men zwingt, die Spuren eines mächtigen Flußbettes durch die Wüſte hinab bis an das Indiſche Meer verfolgen laſſen. Jene Gegend hat mit der alten Kultur ihre ehemalige Phyſiognomie bis zur Unkenntlichkeit verloren; wenn Arrian ſagt, daß der Etymander nicht kleiner ſei als der Peneus in Theſſalien, ſo kann das nicht genau auf den Hindmend paſſen, der ſelbſt in ſeiner heutigen Größe der Elbe nichts nachgiebt. Es iſt möglich, daß der Etymander der Furrahrud oder Kaſchrud war, und ſich erſt bei dem Verſanden jener einſt ſchönen Gegenden mit dem großen Fluſſe von Arachoſien (Arachotus; die Zendaveſta unterſcheidet die Landſchaft Heetomeante und Arrochaodſchi 1. 2. 350.) vereinigte.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/300>, abgerufen am 26.04.2024.