Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Behütet euren stillen Schatz, Laßt uns das sonnenöde Land! Laßt uns den freien Bühnenplatz Und sterbt im Winkel unbekannt; Einst wißt ihr, was in Euch gelebt, Und was in dem, der Euch gehöhnt; Einst, wenn der Strahlengott sich hebt Und wenn die Memnonssäule tönt. Gemüth. Grün ist die Flur, der Himmel blau, Doch tausend Farben spielt der Thau; Es hofft die Erde bis zum Grabe, Gewährung fiel dem Himmel zu; Und sprich, was ist denn deine Gabe, Gemüth, der Seele Iris, Du? Du Tropfen Wolkenthau, der sich In unsrer Scholle Poren schlich, Daß er dem Himmel sie gewöhne An seinem lieblichsten Gedicht, Du irdisch heilig wie die Thräne, Und himmlisch heilig wie das Licht. Behütet euren ſtillen Schatz, Laßt uns das ſonnenöde Land! Laßt uns den freien Bühnenplatz Und ſterbt im Winkel unbekannt; Einſt wißt ihr, was in Euch gelebt, Und was in dem, der Euch gehöhnt; Einſt, wenn der Strahlengott ſich hebt Und wenn die Memnonsſäule tönt. Gemüth. Grün iſt die Flur, der Himmel blau, Doch tauſend Farben ſpielt der Thau; Es hofft die Erde bis zum Grabe, Gewährung fiel dem Himmel zu; Und ſprich, was iſt denn deine Gabe, Gemüth, der Seele Iris, Du? Du Tropfen Wolkenthau, der ſich In unſrer Scholle Poren ſchlich, Daß er dem Himmel ſie gewöhne An ſeinem lieblichſten Gedicht, Du irdiſch heilig wie die Thräne, Und himmliſch heilig wie das Licht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0047" n="31"/> <lg n="11"> <l>Behütet euren ſtillen Schatz,</l><lb/> <l>Laßt uns das ſonnenöde Land!</l><lb/> <l>Laßt uns den freien Bühnenplatz</l><lb/> <l>Und ſterbt im Winkel unbekannt;</l><lb/> <l>Einſt wißt ihr, was in Euch gelebt,</l><lb/> <l>Und was in dem, der Euch gehöhnt;</l><lb/> <l>Einſt, wenn der Strahlengott ſich hebt</l><lb/> <l>Und wenn die Memnonsſäule tönt.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Gemüth</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">G</hi>rün iſt die Flur, der Himmel blau,</l><lb/> <l>Doch tauſend Farben ſpielt der Thau;</l><lb/> <l>Es hofft die Erde bis zum Grabe,</l><lb/> <l>Gewährung fiel dem Himmel zu;</l><lb/> <l>Und ſprich, was iſt denn deine Gabe,</l><lb/> <l>Gemüth, der Seele Iris, Du?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du Tropfen Wolkenthau, der ſich</l><lb/> <l>In unſrer Scholle Poren ſchlich,</l><lb/> <l>Daß er dem Himmel ſie gewöhne</l><lb/> <l>An ſeinem lieblichſten Gedicht,</l><lb/> <l>Du irdiſch heilig wie die Thräne,</l><lb/> <l>Und himmliſch heilig wie das Licht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0047]
Behütet euren ſtillen Schatz,
Laßt uns das ſonnenöde Land!
Laßt uns den freien Bühnenplatz
Und ſterbt im Winkel unbekannt;
Einſt wißt ihr, was in Euch gelebt,
Und was in dem, der Euch gehöhnt;
Einſt, wenn der Strahlengott ſich hebt
Und wenn die Memnonsſäule tönt.
Gemüth.
Grün iſt die Flur, der Himmel blau,
Doch tauſend Farben ſpielt der Thau;
Es hofft die Erde bis zum Grabe,
Gewährung fiel dem Himmel zu;
Und ſprich, was iſt denn deine Gabe,
Gemüth, der Seele Iris, Du?
Du Tropfen Wolkenthau, der ſich
In unſrer Scholle Poren ſchlich,
Daß er dem Himmel ſie gewöhne
An ſeinem lieblichſten Gedicht,
Du irdiſch heilig wie die Thräne,
Und himmliſch heilig wie das Licht.
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