Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Die Golem. Hätt' ich dich nicht als süßes Kind gekannt, Mit deinem Seraph in den klaren Blicken, Dich nicht geleitet in der Mährchen Land, Gefühlt der kleinen Hände zitternd Drücken: Ich würde jetzt dich mit Behagen sehen, Du wärst mir eine hübsche, brave Frau. Doch ach, nun muß ich unter deiner Brau, Muß stets nach dem entflognen Engel spähen. Und du, mit deinem Wort, bedacht und breit, Dem klugen Lächeln und der Stirne Falten, Spricht dir kein armer Traum von jener Zeit, Wo deine Glut die Felsen wollte spalten? Ein braver Bürger bist du hoch zu ehren, Ein wahrer Heros auf der Mittelbahn, Doch, o mein Flammenwirbel, mein Vulkan, Ach, daß die Berge Mäuse nur gebären. Die Golem. Hätt’ ich dich nicht als ſüßes Kind gekannt, Mit deinem Seraph in den klaren Blicken, Dich nicht geleitet in der Mährchen Land, Gefühlt der kleinen Hände zitternd Drücken: Ich würde jetzt dich mit Behagen ſehen, Du wärſt mir eine hübſche, brave Frau. Doch ach, nun muß ich unter deiner Brau, Muß ſtets nach dem entflognen Engel ſpähen. Und du, mit deinem Wort, bedacht und breit, Dem klugen Lächeln und der Stirne Falten, Spricht dir kein armer Traum von jener Zeit, Wo deine Glut die Felſen wollte ſpalten? Ein braver Bürger biſt du hoch zu ehren, Ein wahrer Heros auf der Mittelbahn, Doch, o mein Flammenwirbel, mein Vulkan, Ach, daß die Berge Mäuſe nur gebären. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0038" n="22"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Golem</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">H</hi>ätt’ ich dich nicht als ſüßes Kind gekannt,</l><lb/> <l>Mit deinem Seraph in den klaren Blicken,</l><lb/> <l>Dich nicht geleitet in der Mährchen Land,</l><lb/> <l>Gefühlt der kleinen Hände zitternd Drücken:</l><lb/> <l>Ich würde jetzt dich mit Behagen ſehen,</l><lb/> <l>Du wärſt mir eine hübſche, brave Frau.</l><lb/> <l>Doch ach, nun muß ich unter deiner Brau,</l><lb/> <l>Muß ſtets nach dem entflognen Engel ſpähen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und du, mit deinem Wort, bedacht und breit,</l><lb/> <l>Dem klugen Lächeln und der Stirne Falten,</l><lb/> <l>Spricht dir kein armer Traum von jener Zeit,</l><lb/> <l>Wo deine Glut die Felſen wollte ſpalten?</l><lb/> <l>Ein braver Bürger biſt du hoch zu ehren,</l><lb/> <l>Ein wahrer Heros auf der Mittelbahn,</l><lb/> <l>Doch, o mein Flammenwirbel, mein Vulkan,</l><lb/> <l>Ach, daß die Berge Mäuſe nur gebären.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0038]
Die Golem.
Hätt’ ich dich nicht als ſüßes Kind gekannt,
Mit deinem Seraph in den klaren Blicken,
Dich nicht geleitet in der Mährchen Land,
Gefühlt der kleinen Hände zitternd Drücken:
Ich würde jetzt dich mit Behagen ſehen,
Du wärſt mir eine hübſche, brave Frau.
Doch ach, nun muß ich unter deiner Brau,
Muß ſtets nach dem entflognen Engel ſpähen.
Und du, mit deinem Wort, bedacht und breit,
Dem klugen Lächeln und der Stirne Falten,
Spricht dir kein armer Traum von jener Zeit,
Wo deine Glut die Felſen wollte ſpalten?
Ein braver Bürger biſt du hoch zu ehren,
Ein wahrer Heros auf der Mittelbahn,
Doch, o mein Flammenwirbel, mein Vulkan,
Ach, daß die Berge Mäuſe nur gebären.
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