Das nenn' ich eine Winternacht! das eine Jahresleiche! Gnade Der Himmel Jedem den die Noth treibt über diese blanken Pfade! Sie glitzern auf, der Schlange gleich im weißen Pyramiden¬ sande, Und drüber hängt, ein Todtenlicht, der Mond an unsicht¬ barem Bande, Mit Fünkchen ist die Luft gefüllt, Die Sterbeseufzer zieht und quillt.
Nie hat, seit Menschendenken, sich Sylvesternacht so scharf ergossen, Der Tag hat Flocken ausgestreut, der Abend sie mit Glas umschlossen; In den Gehöften Taub' und Huhn auf ihrer Stange ächzend ducken, Der Hund in seinem Schober heult und fühlt den Wurm im Hirne zucken; Zwei Spannen hat in dieser Nacht Das Eis dem Strome zugebracht.
Verklommen steht am Thor die Wach' und haucht in die er¬ starrten Hände, "Wer da!" "ein Freund!" und hastig stampft es längs der Brücke Steingelände; Betroffen sieht ihn der Rekrut wie einen Mast am Strome schwanken:
II.
Das nenn' ich eine Winternacht! das eine Jahresleiche! Gnade Der Himmel Jedem den die Noth treibt über dieſe blanken Pfade! Sie glitzern auf, der Schlange gleich im weißen Pyramiden¬ ſande, Und drüber hängt, ein Todtenlicht, der Mond an unſicht¬ barem Bande, Mit Fünkchen iſt die Luft gefüllt, Die Sterbeſeufzer zieht und quillt.
Nie hat, ſeit Menſchendenken, ſich Sylveſternacht ſo ſcharf ergoſſen, Der Tag hat Flocken ausgeſtreut, der Abend ſie mit Glas umſchloſſen; In den Gehöften Taub' und Huhn auf ihrer Stange ächzend ducken, Der Hund in ſeinem Schober heult und fühlt den Wurm im Hirne zucken; Zwei Spannen hat in dieſer Nacht Das Eis dem Strome zugebracht.
Verklommen ſteht am Thor die Wach' und haucht in die er¬ ſtarrten Hände, „Wer da!“ „ein Freund!“ und haſtig ſtampft es längs der Brücke Steingelände; Betroffen ſieht ihn der Rekrut wie einen Maſt am Strome ſchwanken:
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II.
Das nenn' ich eine Winternacht! das eine Jahresleiche!
Gnade
Der Himmel Jedem den die Noth treibt über dieſe blanken
Pfade!
Sie glitzern auf, der Schlange gleich im weißen Pyramiden¬
ſande,
Und drüber hängt, ein Todtenlicht, der Mond an unſicht¬
barem Bande,
Mit Fünkchen iſt die Luft gefüllt,
Die Sterbeſeufzer zieht und quillt.
Nie hat, ſeit Menſchendenken, ſich Sylveſternacht ſo ſcharf
ergoſſen,
Der Tag hat Flocken ausgeſtreut, der Abend ſie mit Glas
umſchloſſen;
In den Gehöften Taub' und Huhn auf ihrer Stange ächzend
ducken,
Der Hund in ſeinem Schober heult und fühlt den Wurm
im Hirne zucken;
Zwei Spannen hat in dieſer Nacht
Das Eis dem Strome zugebracht.
Verklommen ſteht am Thor die Wach' und haucht in die er¬
ſtarrten Hände,
„Wer da!“ „ein Freund!“ und haſtig ſtampft es längs der
Brücke Steingelände;
Betroffen ſieht ihn der Rekrut wie einen Maſt am Strome
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/389>, abgerufen am 21.12.2024.
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