Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
"Ja" seufzt Gertrude, "nun ist es klar,
Ich bin eine Irre leider!"
Erglühend streicht sie zurück ihr Haar,
Und ordnet die staubigen Kleider.
"Wie sah ich so deutlich ihr liebes Gesicht,
So deutlich am Schlage doch ragen!
Allein in Ewigkeit hätte sie nicht
Den armen Fidel geschlagen."
III.
Zehn Jahre! -- und Mancher der keck umher
Die funkelnden Blicke geschossen,
Der schlägt sie heute zu Boden schwer,
Und Mancher hat sie geschlossen.
Am Hafendamme geht eine Frau,
-- Mich dünkt, wir müssen sie kennen,
Ihr Haar einst schwarz, nun schillerndes Grau,
Und hohl die Wangen ihr brennen.
Im Topfe trägt sie den Honigwab,
Zergehend in Julius-Hitze;
Die Trägerin trocknet den Schweiß sich ab,
Und ruft dem hinkenden Spitze.
Der sie bestellte, den Schiffspatron,
Sieht über die Planke sie kommen;
Wird er ihr kümmern den kargen Lohn?
Gertrude denkt es beklommen.
Doch nein, -- wo sich die Matrosen geschaart,
Zum Strande sieht sie ihn schreiten,
„Ja“ ſeufzt Gertrude, „nun iſt es klar,
Ich bin eine Irre leider!“
Erglühend ſtreicht ſie zurück ihr Haar,
Und ordnet die ſtaubigen Kleider.
„Wie ſah ich ſo deutlich ihr liebes Geſicht,
So deutlich am Schlage doch ragen!
Allein in Ewigkeit hätte ſie nicht
Den armen Fidel geſchlagen.“
III.
Zehn Jahre! — und Mancher der keck umher
Die funkelnden Blicke geſchoſſen,
Der ſchlägt ſie heute zu Boden ſchwer,
Und Mancher hat ſie geſchloſſen.
Am Hafendamme geht eine Frau,
— Mich dünkt, wir müſſen ſie kennen,
Ihr Haar einſt ſchwarz, nun ſchillerndes Grau,
Und hohl die Wangen ihr brennen.
Im Topfe trägt ſie den Honigwab,
Zergehend in Julius-Hitze;
Die Trägerin trocknet den Schweiß ſich ab,
Und ruft dem hinkenden Spitze.
Der ſie beſtellte, den Schiffspatron,
Sieht über die Planke ſie kommen;
Wird er ihr kümmern den kargen Lohn?
Gertrude denkt es beklommen.
Doch nein, — wo ſich die Matroſen geſchaart,
Zum Strande ſieht ſie ihn ſchreiten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0343" n="329"/>
              <lg n="7">
                <l>&#x201E;Ja&#x201C; &#x017F;eufzt Gertrude, &#x201E;nun i&#x017F;t es klar,</l><lb/>
                <l>Ich bin eine Irre leider!&#x201C;</l><lb/>
                <l>Erglühend &#x017F;treicht &#x017F;ie zurück ihr Haar,</l><lb/>
                <l>Und ordnet die &#x017F;taubigen Kleider.</l><lb/>
                <l>&#x201E;Wie &#x017F;ah ich &#x017F;o deutlich ihr liebes Ge&#x017F;icht,</l><lb/>
                <l>So deutlich am Schlage doch ragen!</l><lb/>
                <l>Allein in Ewigkeit hätte <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> nicht</l><lb/>
                <l>Den armen Fidel ge&#x017F;chlagen.&#x201C;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq #b">III</hi>.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Zehn Jahre! &#x2014; und Mancher der keck umher</l><lb/>
                <l>Die funkelnden Blicke ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Der &#x017F;chlägt &#x017F;ie heute zu Boden &#x017F;chwer,</l><lb/>
                <l>Und Mancher hat &#x017F;ie ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
                <l>Am Hafendamme geht eine Frau,</l><lb/>
                <l>&#x2014; Mich dünkt, wir mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie kennen,</l><lb/>
                <l>Ihr Haar ein&#x017F;t &#x017F;chwarz, nun &#x017F;chillerndes Grau,</l><lb/>
                <l>Und hohl die Wangen ihr brennen.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Im Topfe trägt &#x017F;ie den Honigwab,</l><lb/>
                <l>Zergehend in Julius-Hitze;</l><lb/>
                <l>Die Trägerin trocknet den Schweiß &#x017F;ich ab,</l><lb/>
                <l>Und ruft dem hinkenden Spitze.</l><lb/>
                <l>Der &#x017F;ie be&#x017F;tellte, den Schiffspatron,</l><lb/>
                <l>Sieht über die Planke &#x017F;ie kommen;</l><lb/>
                <l>Wird er ihr kümmern den kargen Lohn?</l><lb/>
                <l>Gertrude denkt es beklommen.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Doch nein, &#x2014; wo &#x017F;ich die Matro&#x017F;en ge&#x017F;chaart,</l><lb/>
                <l>Zum Strande &#x017F;ieht &#x017F;ie ihn &#x017F;chreiten,</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0343] „Ja“ ſeufzt Gertrude, „nun iſt es klar, Ich bin eine Irre leider!“ Erglühend ſtreicht ſie zurück ihr Haar, Und ordnet die ſtaubigen Kleider. „Wie ſah ich ſo deutlich ihr liebes Geſicht, So deutlich am Schlage doch ragen! Allein in Ewigkeit hätte ſie nicht Den armen Fidel geſchlagen.“ III. Zehn Jahre! — und Mancher der keck umher Die funkelnden Blicke geſchoſſen, Der ſchlägt ſie heute zu Boden ſchwer, Und Mancher hat ſie geſchloſſen. Am Hafendamme geht eine Frau, — Mich dünkt, wir müſſen ſie kennen, Ihr Haar einſt ſchwarz, nun ſchillerndes Grau, Und hohl die Wangen ihr brennen. Im Topfe trägt ſie den Honigwab, Zergehend in Julius-Hitze; Die Trägerin trocknet den Schweiß ſich ab, Und ruft dem hinkenden Spitze. Der ſie beſtellte, den Schiffspatron, Sieht über die Planke ſie kommen; Wird er ihr kümmern den kargen Lohn? Gertrude denkt es beklommen. Doch nein, — wo ſich die Matroſen geſchaart, Zum Strande ſieht ſie ihn ſchreiten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/343
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/343>, abgerufen am 21.12.2024.