Langsam und schwer vom Thurme stieg die Klage, Ein dumpf Gewimmer zwischen jedem Schlage, Wie Memnons Säule weint im Morgenflor. Am Glockenstuhle zitterte der Balke, Die Dohlen flatterten vom Nest, ein Falke Stieg pfeifend an der Fahne Schaft empor.
Wem dröhnt die Glocke? -- Einem der entkettet, Deß müden Leib ein Fackelzug gebettet In letzter Nacht bei seinem einzgen Kind. Wer war der Mann? -- Ein Geist im ächten Gleise, Kein Wucherer, kein Ehrendieb, und weise Wie reiche Leute selten weise sind.
Darum so mancher Greis mit Stock und Brille, So manches Regentuch und Handpostille, Sich mühsam schiebend durch der Menge Drang. Er war ein heitrer Wirth in seinem Schlosse, -- Darum am Thor so manche Staatskarosse, So mancher Flor das Kirchenschiff entlang.
Die Glocken schwiegen, alle Kniee sanken, Posaunenstoß! -- Die Wölbung schien zu wanken. O "Dies irae, dies illa!" Glut Auf Sünderschwielen, Thau in Büßermalen! Mir war als säh ich des Gerichtes Schalen, Als hört ich tröpfeln meines Heilands Blut.
Der Prediger.
Langſam und ſchwer vom Thurme ſtieg die Klage, Ein dumpf Gewimmer zwiſchen jedem Schlage, Wie Memnons Säule weint im Morgenflor. Am Glockenſtuhle zitterte der Balke, Die Dohlen flatterten vom Neſt, ein Falke Stieg pfeifend an der Fahne Schaft empor.
Wem dröhnt die Glocke? — Einem der entkettet, Deß müden Leib ein Fackelzug gebettet In letzter Nacht bei ſeinem einzgen Kind. Wer war der Mann? — Ein Geiſt im ächten Gleiſe, Kein Wucherer, kein Ehrendieb, und weiſe Wie reiche Leute ſelten weiſe ſind.
Darum ſo mancher Greis mit Stock und Brille, So manches Regentuch und Handpoſtille, Sich mühſam ſchiebend durch der Menge Drang. Er war ein heitrer Wirth in ſeinem Schloſſe, — Darum am Thor ſo manche Staatskaroſſe, So mancher Flor das Kirchenſchiff entlang.
Die Glocken ſchwiegen, alle Kniee ſanken, Poſaunenſtoß! — Die Wölbung ſchien zu wanken. O „Dies iræ, dies illa!“ Glut Auf Sünderſchwielen, Thau in Büßermalen! Mir war als ſäh ich des Gerichtes Schalen, Als hört ich tröpfeln meines Heilands Blut.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0030"n="16"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Prediger.</hi><lb/></head><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Langſam und ſchwer vom Thurme ſtieg die Klage,</l><lb/><l>Ein dumpf Gewimmer zwiſchen jedem Schlage,</l><lb/><l>Wie Memnons Säule weint im Morgenflor.</l><lb/><l>Am Glockenſtuhle zitterte der Balke,</l><lb/><l>Die Dohlen flatterten vom Neſt, ein Falke</l><lb/><l>Stieg pfeifend an der Fahne Schaft empor.</l><lb/></lg><lgn="2"><l>Wem dröhnt die Glocke? — Einem der entkettet,</l><lb/><l>Deß müden Leib ein Fackelzug gebettet</l><lb/><l>In letzter Nacht bei ſeinem einzgen Kind.</l><lb/><l>Wer war der Mann? — Ein Geiſt im ächten Gleiſe,</l><lb/><l>Kein Wucherer, kein Ehrendieb, und weiſe</l><lb/><l>Wie reiche Leute ſelten weiſe ſind.</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Darum ſo mancher Greis mit Stock und Brille,</l><lb/><l>So manches Regentuch und Handpoſtille,</l><lb/><l>Sich mühſam ſchiebend durch der Menge Drang.</l><lb/><l>Er war ein heitrer Wirth in ſeinem Schloſſe, —</l><lb/><l>Darum am Thor ſo manche Staatskaroſſe,</l><lb/><l>So mancher Flor das Kirchenſchiff entlang.</l><lb/></lg><lgn="4"><l>Die Glocken ſchwiegen, alle Kniee ſanken,</l><lb/><l>Poſaunenſtoß! — Die Wölbung ſchien zu wanken.</l><lb/><l>O <hirendition="#aq">„Dies iræ, dies illa!“</hi> Glut</l><lb/><l>Auf Sünderſchwielen, Thau in Büßermalen!</l><lb/><l>Mir war als ſäh ich des Gerichtes Schalen,</l><lb/><l>Als hört ich tröpfeln meines Heilands Blut.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[16/0030]
Der Prediger.
Langſam und ſchwer vom Thurme ſtieg die Klage,
Ein dumpf Gewimmer zwiſchen jedem Schlage,
Wie Memnons Säule weint im Morgenflor.
Am Glockenſtuhle zitterte der Balke,
Die Dohlen flatterten vom Neſt, ein Falke
Stieg pfeifend an der Fahne Schaft empor.
Wem dröhnt die Glocke? — Einem der entkettet,
Deß müden Leib ein Fackelzug gebettet
In letzter Nacht bei ſeinem einzgen Kind.
Wer war der Mann? — Ein Geiſt im ächten Gleiſe,
Kein Wucherer, kein Ehrendieb, und weiſe
Wie reiche Leute ſelten weiſe ſind.
Darum ſo mancher Greis mit Stock und Brille,
So manches Regentuch und Handpoſtille,
Sich mühſam ſchiebend durch der Menge Drang.
Er war ein heitrer Wirth in ſeinem Schloſſe, —
Darum am Thor ſo manche Staatskaroſſe,
So mancher Flor das Kirchenſchiff entlang.
Die Glocken ſchwiegen, alle Kniee ſanken,
Poſaunenſtoß! — Die Wölbung ſchien zu wanken.
O „Dies iræ, dies illa!“ Glut
Auf Sünderſchwielen, Thau in Büßermalen!
Mir war als ſäh ich des Gerichtes Schalen,
Als hört ich tröpfeln meines Heilands Blut.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/30>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.