Du weißt es lange wohl wie werth du mir, Was sollt' ich es nicht froh und offen tragen Ein Lieben, das so frischer Ranken Zier Um meinen kranken Lebensbaum geschlagen? Und manchen Abend hab' ich nachgedacht, In leiser Stunde träumerischem Sinnen, Wie deinen Morgen, meine nahnde Nacht Das Schicksal ließ aus Einer Urne rinnen.
Zu alt zur Zwillingsschwester, möchte ich Mein Töchterchen dich nennen, meinen Sprossen, Mir ist, als ob mein fliehend Leben sich, Mein rinnend Blut in deine Brust ergossen. Wo stammt im Herzen mir ein Opferheerd, Daß nicht der deine loderte daneben, Von gleichen Landes lieber Luft genährt, Von gleicher Freunde frommem Kreis umgeben?
Und heut', am Sankt Elisabethentag, Vereinend uns mit gleichen Namens Banden, Schlug ich bedächtig im Kalender nach, Welch' Heilige am Taufborn uns gestanden; Da fand ich eine königliche Frau, Die ihre milde Segenshand gebreitet, Und eine Patriarchin, ernst und grau, Nur werth um Den, deß Wege sie bereitet.
An Eliſe.
Am 19. November 1843.
Du weißt es lange wohl wie werth du mir, Was ſollt' ich es nicht froh und offen tragen Ein Lieben, das ſo friſcher Ranken Zier Um meinen kranken Lebensbaum geſchlagen? Und manchen Abend hab' ich nachgedacht, In leiſer Stunde träumeriſchem Sinnen, Wie deinen Morgen, meine nahnde Nacht Das Schickſal ließ aus Einer Urne rinnen.
Zu alt zur Zwillingsſchweſter, möchte ich Mein Töchterchen dich nennen, meinen Sproſſen, Mir iſt, als ob mein fliehend Leben ſich, Mein rinnend Blut in deine Bruſt ergoſſen. Wo ſtammt im Herzen mir ein Opferheerd, Daß nicht der deine loderte daneben, Von gleichen Landes lieber Luft genährt, Von gleicher Freunde frommem Kreis umgeben?
Und heut', am Sankt Eliſabethentag, Vereinend uns mit gleichen Namens Banden, Schlug ich bedächtig im Kalender nach, Welch' Heilige am Taufborn uns geſtanden; Da fand ich eine königliche Frau, Die ihre milde Segenshand gebreitet, Und eine Patriarchin, ernſt und grau, Nur werth um Den, deß Wege ſie bereitet.
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An Eliſe.
Am 19. November 1843.
Du weißt es lange wohl wie werth du mir,
Was ſollt' ich es nicht froh und offen tragen
Ein Lieben, das ſo friſcher Ranken Zier
Um meinen kranken Lebensbaum geſchlagen?
Und manchen Abend hab' ich nachgedacht,
In leiſer Stunde träumeriſchem Sinnen,
Wie deinen Morgen, meine nahnde Nacht
Das Schickſal ließ aus Einer Urne rinnen.
Zu alt zur Zwillingsſchweſter, möchte ich
Mein Töchterchen dich nennen, meinen Sproſſen,
Mir iſt, als ob mein fliehend Leben ſich,
Mein rinnend Blut in deine Bruſt ergoſſen.
Wo ſtammt im Herzen mir ein Opferheerd,
Daß nicht der deine loderte daneben,
Von gleichen Landes lieber Luft genährt,
Von gleicher Freunde frommem Kreis umgeben?
Und heut', am Sankt Eliſabethentag,
Vereinend uns mit gleichen Namens Banden,
Schlug ich bedächtig im Kalender nach,
Welch' Heilige am Taufborn uns geſtanden;
Da fand ich eine königliche Frau,
Die ihre milde Segenshand gebreitet,
Und eine Patriarchin, ernſt und grau,
Nur werth um Den, deß Wege ſie bereitet.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/183>, abgerufen am 22.02.2025.
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