Er ist so schön! -- sein lichtes Haar Das möcht' ich mit Keinem vertauschen, Wie seidene Fäden so weich und klar, Wenn zarte Löckchen sich bauschen; Oft streichl' ich es, dann lacht er traun, Nennt mich "seine alberne Barbe"; Es ist nicht schwarz, nicht blond, nicht braun, Nun rathet, wie nennt sich die Farbe?
Und seine Geberde ist königlich, Geht majestätisch zu Herzen, Zuckt er die Braue, dann fürcht' ich mich, Und möchte auch weinen vor Schmerzen; Und wieder seh' ich sein Lächeln blühn, So klar wie das reine Gewissen, Da möchte ich gleich auf den Schemel knien, Und die guten Hände ihm küssen.
Heut' bin ich in aller Frühe erwacht, Beim ersten Glitzern der Sonnen, Und habe mich gleich auf die Sohlen gemacht, Zum Hügel drüben am Bronnen; Erdbeeren fand ich, glüh wie Rubin, Schau, wie im Korbe sie lachen! Die stell ich ihm nun an das Lager hin, Da sieht er sie gleich beim Erwachen.
Das vierzehnjährige Herz.
Er iſt ſo ſchön! — ſein lichtes Haar Das möcht' ich mit Keinem vertauſchen, Wie ſeidene Fäden ſo weich und klar, Wenn zarte Löckchen ſich bauſchen; Oft ſtreichl' ich es, dann lacht er traun, Nennt mich „ſeine alberne Barbe“; Es iſt nicht ſchwarz, nicht blond, nicht braun, Nun rathet, wie nennt ſich die Farbe?
Und ſeine Geberde iſt königlich, Geht majeſtätiſch zu Herzen, Zuckt er die Braue, dann fürcht' ich mich, Und möchte auch weinen vor Schmerzen; Und wieder ſeh' ich ſein Lächeln blühn, So klar wie das reine Gewiſſen, Da möchte ich gleich auf den Schemel knien, Und die guten Hände ihm küſſen.
Heut' bin ich in aller Frühe erwacht, Beim erſten Glitzern der Sonnen, Und habe mich gleich auf die Sohlen gemacht, Zum Hügel drüben am Bronnen; Erdbeeren fand ich, glüh wie Rubin, Schau, wie im Korbe ſie lachen! Die ſtell ich ihm nun an das Lager hin, Da ſieht er ſie gleich beim Erwachen.
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Das vierzehnjährige Herz.
Er iſt ſo ſchön! — ſein lichtes Haar
Das möcht' ich mit Keinem vertauſchen,
Wie ſeidene Fäden ſo weich und klar,
Wenn zarte Löckchen ſich bauſchen;
Oft ſtreichl' ich es, dann lacht er traun,
Nennt mich „ſeine alberne Barbe“;
Es iſt nicht ſchwarz, nicht blond, nicht braun,
Nun rathet, wie nennt ſich die Farbe?
Und ſeine Geberde iſt königlich,
Geht majeſtätiſch zu Herzen,
Zuckt er die Braue, dann fürcht' ich mich,
Und möchte auch weinen vor Schmerzen;
Und wieder ſeh' ich ſein Lächeln blühn,
So klar wie das reine Gewiſſen,
Da möchte ich gleich auf den Schemel knien,
Und die guten Hände ihm küſſen.
Heut' bin ich in aller Frühe erwacht,
Beim erſten Glitzern der Sonnen,
Und habe mich gleich auf die Sohlen gemacht,
Zum Hügel drüben am Bronnen;
Erdbeeren fand ich, glüh wie Rubin,
Schau, wie im Korbe ſie lachen!
Die ſtell ich ihm nun an das Lager hin,
Da ſieht er ſie gleich beim Erwachen.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/144>, abgerufen am 22.02.2025.
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