Des Menschen Seele du, vor Allem wunderbar, Du Alles und auch Nichts, Gott, Priester und Altar, Kein Pünktchen durch dich selbst, doch über alles Maaß Reich in geschenktem Gut, und als die Engel baß; Denn höher steht dein Ziel, Gott ähnlich sollst du werden; So, Seele, bist du's schon; denn was zu Glück und Ruhm In dir verborgen liegt, es ist dein Eigenthum, Ob unentwickelt auch, wie's Keimlein in der Erden Nicht minder als der Baum, und wie als Million Nichts Andres ist die Eins, bist du ihm gleich, sein Sohn, So wie dem Tropfen Blut, der aus der Wunde quillt Ganz ähnlich ist das Roth, das noch die Adern füllt; Nicht Kletten trägt die Ros', der Dornstrauch keine Reben, Drum, Seele, stürbest du, Gott müßt den Geist aufgeben.
Ja, Alles ist in dir was nur das Weltall beut, Der Himmel und die Höll', Gericht und Ewigkeit, Gott ist dein Richter nicht, du mußt dir selbst verzeihn, Sonst an des Höchsten Thron stehst du in ew'ger Pein; Er, der dem Suchenden noch nie verlöscht die Spur, Er hat selbst Satan nicht verdammt nach Zeit und Ort; Deß unergründlich Grab ist seine Ichheit nur: Wär er des Himmels Herr, er brennte ewig fort, Wie Gott im Höllenpfuhl wär selig für und für, Und, Seele, bist du treu, so steht dies auch bei dir.
Nach dem Angelus Sileſius.
Des Menſchen Seele du, vor Allem wunderbar, Du Alles und auch Nichts, Gott, Prieſter und Altar, Kein Pünktchen durch dich ſelbſt, doch über alles Maaß Reich in geſchenktem Gut, und als die Engel baß; Denn höher ſteht dein Ziel, Gott ähnlich ſollſt du werden; So, Seele, biſt du's ſchon; denn was zu Glück und Ruhm In dir verborgen liegt, es iſt dein Eigenthum, Ob unentwickelt auch, wie's Keimlein in der Erden Nicht minder als der Baum, und wie als Million Nichts Andres iſt die Eins, biſt du ihm gleich, ſein Sohn, So wie dem Tropfen Blut, der aus der Wunde quillt Ganz ähnlich iſt das Roth, das noch die Adern füllt; Nicht Kletten trägt die Roſ', der Dornſtrauch keine Reben, Drum, Seele, ſtürbeſt du, Gott müßt den Geiſt aufgeben.
Ja, Alles iſt in dir was nur das Weltall beut, Der Himmel und die Höll', Gericht und Ewigkeit, Gott iſt dein Richter nicht, du mußt dir ſelbſt verzeihn, Sonſt an des Höchſten Thron ſtehſt du in ew'ger Pein; Er, der dem Suchenden noch nie verlöſcht die Spur, Er hat ſelbſt Satan nicht verdammt nach Zeit und Ort; Deß unergründlich Grab iſt ſeine Ichheit nur: Wär er des Himmels Herr, er brennte ewig fort, Wie Gott im Höllenpfuhl wär ſelig für und für, Und, Seele, biſt du treu, ſo ſteht dies auch bei dir.
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Nach dem Angelus Sileſius.
Des Menſchen Seele du, vor Allem wunderbar,
Du Alles und auch Nichts, Gott, Prieſter und Altar,
Kein Pünktchen durch dich ſelbſt, doch über alles Maaß
Reich in geſchenktem Gut, und als die Engel baß;
Denn höher ſteht dein Ziel, Gott ähnlich ſollſt du werden;
So, Seele, biſt du's ſchon; denn was zu Glück und Ruhm
In dir verborgen liegt, es iſt dein Eigenthum,
Ob unentwickelt auch, wie's Keimlein in der Erden
Nicht minder als der Baum, und wie als Million
Nichts Andres iſt die Eins, biſt du ihm gleich, ſein Sohn,
So wie dem Tropfen Blut, der aus der Wunde quillt
Ganz ähnlich iſt das Roth, das noch die Adern füllt;
Nicht Kletten trägt die Roſ', der Dornſtrauch keine Reben,
Drum, Seele, ſtürbeſt du, Gott müßt den Geiſt aufgeben.
Ja, Alles iſt in dir was nur das Weltall beut,
Der Himmel und die Höll', Gericht und Ewigkeit,
Gott iſt dein Richter nicht, du mußt dir ſelbſt verzeihn,
Sonſt an des Höchſten Thron ſtehſt du in ew'ger Pein;
Er, der dem Suchenden noch nie verlöſcht die Spur,
Er hat ſelbſt Satan nicht verdammt nach Zeit und Ort;
Deß unergründlich Grab iſt ſeine Ichheit nur:
Wär er des Himmels Herr, er brennte ewig fort,
Wie Gott im Höllenpfuhl wär ſelig für und für,
Und, Seele, biſt du treu, ſo ſteht dies auch bei dir.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/137>, abgerufen am 22.02.2025.
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