"dessen Anhänger unfähig machte, gute Bürger zu "seyn. Es muß also in speciellen Umständen liegen, "daß man sie in Böhmen nachtheilig gefunden und "lieber in ein Land hat verpflanzen wollen, das "schon mehr an Verschiedenheiten der Meynung ge- "wöhnt ist."
* * *
Nicht nur die Nachrichten dieses Briefes schei- nen mir interessant, sondern mich dünkt auch, mein würdiger Correspondent hat die Sache gerade aus dem richtigen Gesichtspunkt gefaßt. Allerdings ist bey jeder sittlichen und politischen Reforme nichts sorgfältiger zu vermeiden, als zu rasche, zu unvor- bereitete Schritte. Die Freyheit zu denken, der vollkommne Genuß der menschlichen Gewissensrechte, so wichtig und wohlthätig sie an sich selbst sind, kön- nen doch unter bestimmten Umständen und Lo- cal-Bedingungen, mehr nachtheilige als gute Folgen hervorbringen; und auch die weiseste Regie- rung kann durch gewisse Verhältnisse gezwungen werden, ihre Wohlthaten zu beschränken, um nicht aufzuhören wohlthätig zu seyn. Es giebt nun einmal Classen von Menschen, mit denen es so weit gekommen ist, daß sie ganz vollkommne Geistesfrey- heit nicht ertragen können, so wie oft die in der Sclaverey Geborne sie sich nicht nehmen laß[ - 2 Zeichen fehlen][ - 1 Zeichen fehlt]ol-
len.
A a 3
„deſſen Anhaͤnger unfaͤhig machte, gute Buͤrger zu „ſeyn. Es muß alſo in ſpeciellen Umſtaͤnden liegen, „daß man ſie in Boͤhmen nachtheilig gefunden und „lieber in ein Land hat verpflanzen wollen, das „ſchon mehr an Verſchiedenheiten der Meynung ge- „woͤhnt iſt.”
* * *
Nicht nur die Nachrichten dieſes Briefes ſchei- nen mir intereſſant, ſondern mich duͤnkt auch, mein wuͤrdiger Correſpondent hat die Sache gerade aus dem richtigen Geſichtspunkt gefaßt. Allerdings iſt bey jeder ſittlichen und politiſchen Reforme nichts ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als zu raſche, zu unvor- bereitete Schritte. Die Freyheit zu denken, der vollkommne Genuß der menſchlichen Gewiſſensrechte, ſo wichtig und wohlthaͤtig ſie an ſich ſelbſt ſind, koͤn- nen doch unter beſtimmten Umſtaͤnden und Lo- cal-Bedingungen, mehr nachtheilige als gute Folgen hervorbringen; und auch die weiſeſte Regie- rung kann durch gewiſſe Verhaͤltniſſe gezwungen werden, ihre Wohlthaten zu beſchraͤnken, um nicht aufzuhoͤren wohlthaͤtig zu ſeyn. Es giebt nun einmal Claſſen von Menſchen, mit denen es ſo weit gekommen iſt, daß ſie ganz vollkommne Geiſtesfrey- heit nicht ertragen koͤnnen, ſo wie oft die in der Sclaverey Geborne ſie ſich nicht nehmen laß[ – 2 Zeichen fehlen][ – 1 Zeichen fehlt]ol-
len.
A a 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0377"n="369"/>„deſſen Anhaͤnger unfaͤhig machte, gute Buͤrger zu<lb/>„ſeyn. Es muß alſo in ſpeciellen Umſtaͤnden liegen,<lb/>„daß man ſie in Boͤhmen nachtheilig gefunden und<lb/>„lieber in ein Land hat verpflanzen wollen, das<lb/>„ſchon mehr an Verſchiedenheiten der Meynung ge-<lb/>„woͤhnt iſt.”</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">* * *</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><p>Nicht nur die <hirendition="#fr">Nachrichten</hi> dieſes Briefes ſchei-<lb/>
nen mir intereſſant, ſondern mich duͤnkt auch, mein<lb/>
wuͤrdiger Correſpondent hat die Sache gerade aus<lb/>
dem richtigen Geſichtspunkt gefaßt. Allerdings iſt<lb/>
bey jeder ſittlichen und politiſchen Reforme nichts<lb/>ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als zu raſche, zu unvor-<lb/>
bereitete Schritte. Die Freyheit zu denken, der<lb/>
vollkommne Genuß der menſchlichen Gewiſſensrechte,<lb/>ſo wichtig und wohlthaͤtig ſie an ſich ſelbſt ſind, koͤn-<lb/>
nen doch unter <hirendition="#fr">beſtimmten Umſtaͤnden</hi> und <hirendition="#fr">Lo-<lb/>
cal-Bedingungen</hi>, mehr nachtheilige als gute<lb/>
Folgen hervorbringen; und auch die weiſeſte Regie-<lb/>
rung kann durch gewiſſe Verhaͤltniſſe gezwungen<lb/>
werden, ihre Wohlthaten zu beſchraͤnken, um nicht<lb/>
aufzuhoͤren <hirendition="#fr">wohlthaͤtig</hi> zu ſeyn. Es giebt nun<lb/>
einmal Claſſen von Menſchen, mit denen es ſo weit<lb/>
gekommen iſt, daß ſie ganz vollkommne Geiſtesfrey-<lb/>
heit nicht ertragen koͤnnen, ſo wie oft die in der<lb/>
Sclaverey Geborne ſie ſich nicht nehmen laß<gapunit="chars"quantity="2"/><gapunit="chars"quantity="1"/>ol-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">len.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[369/0377]
„deſſen Anhaͤnger unfaͤhig machte, gute Buͤrger zu
„ſeyn. Es muß alſo in ſpeciellen Umſtaͤnden liegen,
„daß man ſie in Boͤhmen nachtheilig gefunden und
„lieber in ein Land hat verpflanzen wollen, das
„ſchon mehr an Verſchiedenheiten der Meynung ge-
„woͤhnt iſt.”
* * *
Nicht nur die Nachrichten dieſes Briefes ſchei-
nen mir intereſſant, ſondern mich duͤnkt auch, mein
wuͤrdiger Correſpondent hat die Sache gerade aus
dem richtigen Geſichtspunkt gefaßt. Allerdings iſt
bey jeder ſittlichen und politiſchen Reforme nichts
ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als zu raſche, zu unvor-
bereitete Schritte. Die Freyheit zu denken, der
vollkommne Genuß der menſchlichen Gewiſſensrechte,
ſo wichtig und wohlthaͤtig ſie an ſich ſelbſt ſind, koͤn-
nen doch unter beſtimmten Umſtaͤnden und Lo-
cal-Bedingungen, mehr nachtheilige als gute
Folgen hervorbringen; und auch die weiſeſte Regie-
rung kann durch gewiſſe Verhaͤltniſſe gezwungen
werden, ihre Wohlthaten zu beſchraͤnken, um nicht
aufzuhoͤren wohlthaͤtig zu ſeyn. Es giebt nun
einmal Claſſen von Menſchen, mit denen es ſo weit
gekommen iſt, daß ſie ganz vollkommne Geiſtesfrey-
heit nicht ertragen koͤnnen, ſo wie oft die in der
Sclaverey Geborne ſie ſich nicht nehmen laß__ _ol-
len.
A a 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/377>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.